Oh, so ein besonderes Zuhause! Wir folgen Magdalena schon lange und freuen uns sehr, dass wir noch ein bisschen genauer hinter die Kulissen schauen durften. Denn natürlich gibt es viele inspirierende Zuhause auf Instagram – aber eben wenige, die wirklich herausstechen. Magdalenas ist so eines. Willkommen!
Zuhause mit… Magdalena Fournillier
Liebe Magdalenal Wer lebt hier?
Hey! Hier leben mein Mann (37) und ich (33) mit unseren beiden Kindern (7 und 4). Wir leben in einem etwas älteren Haus von 1924 in einer etwas kleineren Kleinstadt, etwas abseits und ländlich in der Nähe vom Edersee in Hessen.
Was macht ihr beide beruflich?
Mein Mann ist Softwareentwickler und arbeitet, genau wie, ich im Homeoffice. Ich bin Illustratorin und illustriere für Verlage Bücher. Nebenbei habe ich einen kleinen Onlineshop, um eigene Projekte dort zu realisieren und als Drucke zu verkaufen. Das hilft sehr, um zwischen Projekten nicht komplett ohne Einkommen dazustehen.
Welcher Raum ist dein Lieblingsraum?
Ich glaube, die Küche. Ich bin zwar auch gerne in unserem Büro, aber dort mehr wegen all der schönen Materialien und Produkte zum Arbeiten. Der Raum an sich ist weniger reizvoll, da er sehr rumpelig ist. Die Küche hingegen ist einfach schön und gemütlich und ich mag das Licht, welches im April Gold durch die noch kahle Birke in die Küche leuchtet.
Und was ist dein liebstes Möbelstück?
Das ist schwer zu beantworten. Ich mag Möbel mit Geschichte und mein Mann hat viele solcher Möbel mit in die Beziehung gebracht. Sein Großvater war Schreiner und wir bekamen sehr viele schöne Erbstücke von ihm. Aber auch ich habe neben der Uni als Entrümplerin gearbeitet. Meine Tante hat einen Laden für vintage Möbel und Objekte und macht Haushaltsauflösungen. Das war sehr besonders, da es nicht viele Frauen in dem Bereich gibt. Das Entrümpeln ist noch Männersache, weil Viele es mit der schweren körperlichen Arbeit in Verbindung bringen. Tatsächlich hat meine Tante aber sehr viel Gespür für die Menschen und Schicksale, die oft mit den Möbeln und Haushalten in Verbindung stehen und bekommt so sehr besondere Aufträge, da sie diesen Aspekt mitdenkt und -fühlt.
In der Halle-1 habe ich so manches Honorar gegen ein Möbelstück getauscht. Eines davon ist eine kleine Kommode. Ich liebe sie sehr und weiß gar nicht genau, warum. Sie steht auf dem Dachboden, weil ich noch keinen Platz für sie gefunden habe. Ich glaube, sie erinnert mich einfach an die Person, die ich gerne wäre. Ich wäre gerne eine Person, die solch eine Kommode besitzt und eine solche Ästhetik hat. Da das nicht ganz der Fall ist, steht sie auch noch auf dem Dachboden.
Unser Küchenschrank ist auch toll. Er hat einen Durchschuss aus dem 2. Weltkrieg in der Rückwand.
Ihr baut auch viel selbst, oder? Und du hast ja auch einige Wände bei euch bemalt – so schön!
Wir bauen viel selbst, weil das Haus auch einfach sehr alt ist und viel braucht, das gebaut werden muss. Denn die Türen und Fenster und Giebel und Balken, die sind alle irgendwie. Es passt also eigentlich nichts so richtig von den Dingen, die man im Handel bekommt. Auch hat es hier und da Spuren von der Zeit und braucht viel Zuwendung. Als ich entrümpelt habe, wurden solche Häuser abgerissen. Ich habe in Frankfurt und im Taunus entrümpelt. Dort haben die Leute ein anderes Einkommen. Sie können sich leisten, solche Häuser abzureißen und neu zu bauen. Gleichzeitig herrscht Wohnungsmangel. Bei den Grundstücken damals war auch immer viel Garten dabei, so wie bei uns. Das ist mit viel Arbeit verbunden. Heutzutage möchten die Leute nicht mehr so viel Garten und die Knappheit von Wohnraum lässt es in den Städten auch gar nicht mehr zu. Da werden diese Grundstücke geteilt und dann stehen da zwei neue Häuser drauf. Ich war immer sehr traurig um die alten Häuser. Vielleicht, weil ich immer etwas zu viel Naivität und Pathos besitze.
Aber diese Haushaltskammern und Nischen, die knacksenden Dielen und Treppen und kleinen Zimmer, das gefiel mir schon sehr. Es muss einem aber auch gefallen, sonst könnte man das nicht machen mit den alten Häusern. Es ist viel Arbeit.
Die Wände hier im Haus sind aus Lehm und auch mit Lehm verputzt. Das Bemalen war eine Möglichkeit, die Wände zu gestalten, Tapete hält ja nicht. Ich mag die alten Wandgemälde und Fresken in den Kathedralen und Gutshäusern der Toskana sehr. Sie wirken auf so alten Lehmwänden auch noch mal anders, finde ich. Ich könnte mir auch vorstellen, im Auftrag zu malen, aber ich habe keine guten Erfahrungen mit privaten Aufträgen gemacht. Einmal habe ich eine Wand in Kooperation mit einer Farbenfirma bemalt. Die haben mir die Farben gestellt. Ich habe gemerkt, dass diese Wände außerhalb meiner Bubble gar nicht mal so gut ankommen. Viele finden es zu unruhig und erkennen die Ästhetik darin und dahinter nicht. Ich bin in einem Farbenladen unter Malern großgeworden. Vermutlich ist mein Geschmack etwas verzerrt. Es geht schon ein wenig gegen die Minimalismus- und Monochrome-Beige-Ästhetik, wie sie grade auf Social Media und im Interieur Bereich gemocht wird. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob es objektiv schön ist. Aber das kann man sich ja nie sein.
Wie bist du zu deiner Kunst gekommen?
Es ist ja so, dass man nicht in einem Vakuum geboren wird. Ich kam auf die Welt und in eine Familie, in der das alles schon irgendwie vorhanden war. In dieser Hinsicht profitiere ich vermutlich mehr von Privilegien als von Talent. Meine Mutter war Schreinerin und arbeitete schon früh für Beuys in Düsseldorf. Danach studierte sie Bühnenbild, Marionettenbau und Kunstpädagogik. Meine Großeltern hatten fünf leibliche Kinder und adoptierten in der Zeit des Koreakrieges Kinder mit Krankheiten und Behinderungen. Mein Großvater väterlicherseits war von Geburt an blind. Ich erfuhr also früh, dass wir bei einer gesellschaftlichen Norm und den Strukturen in unserer Gesellschaft nicht mitgedacht wurden. Dass das „normal“ bei uns nicht passte. Anfangs war mir das peinlich, aber inzwischen sehe ich es auch als Grundlage für ein Denken abseits der Konventionen. Mein Vater arbeitete von zu Hause und jeder Raum war irgendwie auch gleichzeitig die Werkstatt meiner Eltern. Es gab bei uns keine Trennung von Arbeit und zu Hause. Es fand alles überall statt. Wir sprachen deutsch und DGS (deutsche Gebärdensprache) in der Familie und jeder wohnte mal bei jedem. Meine Eltern hatten immer auch Räume vermietet an Mitbewohner*innen und dazu die ganzen Geschwister meiner Mutter. Alle sammelten Dinge und waren immer beschäftigt mit Projekten. Mein Onkel wohnte einige Zeit bei uns. Er war leidenschaftlicher Sprayer und fotografierte viel. Meine Tante jobbte bei meinem Vater. Sie war auch Fotografin nebenher, bevor sie Haushaltsauflösungen machte. Mein Vater spielte viele Instrumente. Wir waren viel im Museum und es mangelte uns nie an Materialien. Meine Großeltern hatten alles in ihrem Farbenladen: Spraydosen, Wandfarben, Bastelmaterial, Papiersorten aller Art und Farbkästen mehr als das Herz begehrt.
So war die Kunst nicht etwas, auf das ich kam, sondern etwas, das bereits da war.
Ich denke auch oft, dass es mit dem Schreiben genau so ist. Manchmal werden Menschen Schriftsteller, weil die Geschichten da sind und erzählt werden müssen. So war es bei uns mit der Kunst. Sie war da auf jedem Zentimeter. Ich musste nicht mehr tun, als sie zuzulassen. So wie Ärzte oft Ärztekinder bekommen und Schauspieler Schauspielerkinder. Es funktioniert ganz oft in unserer Gesellschaft so. Viele nennen es dann Talent, aber ich glaube, oft sind es Privilegien. Andere bekommen Geld, Immobilien und die richtigen und notwendigen Kontakte für ihren Werdegang. Bei uns gab es Kunst.
Was macht für dich eine Haus oder eine Wohnung zu einem Zuhause?
Vermutlich die Menschen, aber auch die Freiheit, sich auszudrücken und auszuprobieren. Dass ich Wände bemalen darf und Pflanzen sammeln kann, dass Raum da ist für die eigenen Interessen und Gewohnheiten. Bei uns ist es noch so, dass wir neurodivergente Kinder haben. Mein Sohn verlässt nicht gerne das Haus. Er ist mehr zu Hause als andere Kinder. Selbst den Garten meidet er oft. Wir fahren so gut wie nie weg. Es musste praktischerweise ein Ort sein, der uns auch Lust macht, zuhause zu bleiben und nicht das Fernweh fördert.
Ihr habt auch einen wunderbaren Garten. Wie habt ihr das Haus gefunden?
Eine Aneinanderreihung von Zufällen liegt dem zugrunde. Ich bin mitten im Studium schwanger geworden. Die Wohnung, in der wir zu der Zeit wohnten, war in einem Hinterhaus mitten auf der Fußgängerzone. Die Wohnung war zwar schön, aber die Lage war anstrengend. Zwei Shisha Bars und eine Kneipe waren unsere Nachbarn und die Lieferantenzufahrten zu den Läden auf der Fußgängerzone lagen auch in dem Hinterhof. Als Studentin war das okay. Nicht aber mit Kind. Die Musik schallte bis 5 Uhr morgens durch die Gasse und wir mussten jeden Morgen durch einen Berg von Glasscherben, Erbrochenem, Schnapsleichen und Spritzen zum Bäcker oder in den Kindergarten. Wir suchten schon länger nach einer neuen Wohnung, aber wir hatten wenig Geld und der Taunus ist extrem teuer. Wir suchten außerhalb und noch weiter außerhalb. Aber nichts Erschwingliches war auf dem Markt und war es einmal doch da, dann besichtigten es 70-100 weiter Menschen zeitgleich. Noch dazu war unser Sohn ein Schreikind und ich hätte mir sehr Unterstützung gewünscht. Ich fuhr oft aufs Land zu meinen Eltern, die schon seit 15 Jahren am Edersee leben und verliebte mich in die Region. Da wir beide von zu Hause arbeiten konnten, freundeten wir uns mit dem Gedanken an, auch in dieser Region zu suchen. Irgendwann entdeckten wir dieses Haus. Ein Schild hing dran, dass es zu verkaufen sei. Wir machten spontan einen Besichtigungstermin aus. Wir hatten eigentlich keine Ahnung, was wir da taten. Aber in dem Moment war es sicher die richtige Entscheidung. Hier auf dem Land ist der Altbestand nicht sonderlich teuer. Wir zahlen weniger für die Rendite als damals Miete für eine Zweizimmer-Wohnung im Taunus.
Die Leute, die hier Geld haben, die bauen neu und Wohnungen gibt es hier eigentlich nicht. Die Innenstadt zerfällt langsam. Die Fachwerkhäuser und Altbauten finden kaum Abnehmer. Auch unser Haus stand sechs Jahre leer. Manchmal zweifel ich noch an der Entscheidung, gerade mit den ganzen Auflagen zur energetischen Sanierung. Alles bisschen Geld, das übrig bleibt, fließt in das Haus und in den Garten. Aber andererseits ist das vermutlich auch der Preis, den Wohnen inzwischen hat.
Veränderst du oft etwas Zuhause?
Ja, ich finde, es braucht auch seine Zeit, bis ein Raum stimmig ist und man ein Gefühl für die Aufteilung und Nutzung bekommt. Aber das liegt auch daran, dass ich zu beginn eine Kindertagespflege in den Räumen hatte. Ich war in den ersten zwei Lebensjahren mit meiner Tochter als Tagesmutter tätig, denn es gab hier keine Betreuungsplätze und irgendwas musste ich ja auch arbeiten. Das heißt, das Haus wurde in den ersten zwei Jahren auch noch anders genutzt. Derzeit renovieren wir den Dachboden und dämmen ihn. So wird es wohl auch weiter gehen, da das Haus ja nicht fertig war, als wir eingezogen sind. Es gab und gibt weiterhin viel zu tun.
Danke, Magdalena!