Entspannt durch Trotzphasen – geht das überhaupt?
Das alles passiert meistens zwischen dem zweiten und vierten Geburtstag vermehrt, ist bei jedem Kind ganz unterschiedlich ausgeprägt, aber so ein bisschen kommt jeder, der Kinder hat damit in Berührung. Liz hat hier mal ziemlich anschaulich beschrieben, wie man sich so fühlt und wie das Umfeld reagiert, wenn ein solcher Anfall in der Öffentlichkeit passiert. Was habe ich gelacht!! Und mitgefühlt!!
Liz schreibt am Ende auch etwas sehr Wichtiges: Warum ist uns das so peinlich, wenn Kinder ausflippen? Warum denken wir, wir wären gescheitert, wenn unser Kind sich nicht unter Kontrolle hat? In Wahrheit hat die Anzahl der Wutanfälle nichts mit den Eltern, sondern mit dem Temperament der Kinder zu tun. Und wir sollten ALLE gelassener reagieren.
Meine Theorie ist übrigens, dass unsere Kinder heute gefühlt mehr ausflippen, weil sie schon früh zur Selbstständigkeit erzogen werden, weil ihre Bedürfnisse ernst genommen werden, weil Eltern “auf Augenhöhe” erziehen und ihre Kinder viel weniger gängeln oder mit altmodischen Erziehungsmethoden quälen, als noch vor zehn Jahren. Die Kleinen lernen, dass sie und ihre Meinung etwas wert sind und lassen ihren Gefühlen freien Lauf.
Selbstständige Kinder
Und ich glaube, dass das etwas Gutes ist! Und dass wir uns nicht etwa “Tyrannen” herbeizüchten, sondern eigenständige, selbstbewusste, empathische Wesen. Die Kinder ernst nehmen, heißt ja nicht, dass man nicht dennoch Grenzen setzen könnte. Und außerdem sind es ja auch nicht nur wir Eltern, die heute anders erziehen. In Xavers Kita dürfen die Kinder zum Beispiel wahnsinnig viel selbst entscheiden: wann sie essen wollen, in welchem Raum sie spielen wollen, ob sie raus möchten oder ob sie mittags eine Nickerchen brauchen.
Dann kann ich mich ja wohl schlecht am Nachmittag hinstellen und seine Ideen von der Welt nicht ernst nehmen, oder?
Ich glaube, ich kann behaupten, dass wir uns mittlerweile, genau wie Katharina, am Ende dieser Phase befinden. Nach zwei Jahren! Und dass ich nicht stolz darauf bin, wie unsouverän und kopflos ich manchmal auf Wutanfälle reagiert habe. Dabei sind sie so normal, und sogar wichtig für unsere Kinder! Ich bin also beiweitem kein Vorbild. Ganz oft habe ich nicht gelassen reagiert, sondern bin sprichwörtlich mit ausgeflippt, wie unreif von mir.
Geht das denn überhaupt, immer entspannt zu bleiben, wenn ein Kleinkind wegen einer (für uns) Kleinigkeit schreiend und um sich schlagend vor uns steht? Schreit: “Blöde Mama, ich hasse dich!” Oder wenn man den Grund nicht mal kennt, sondern einfach so angeschrien wird? Anscheinend schon. Ich weiß noch, dass ich ein Interview mit einer Autorin des Buches gelesen habe, um das es gleich geht, in dem sie versicherte: “Beim ersten Kind war es noch schwer, beim zweiten schon viel besser, beim dritten bringt mich diese Phase überhaupt nicht mehr aus der Ruhe.” Das hat mich so beeindruckt: Überhaupt nicht! Sie schafft es wirklich, IMMER ruhig zu bleiben! Das wollte ich auch!
Ein langer Weg, eine große Hilfe
Nun, es ist ein langer Weg. Heute bleibe ich in etwa 80% der Fälle ruhig, mit Quinn wird es mir sicher schon leichter fallen. Und so weiter… Die armen Erstgeborenen mit diesen verständnislosen, unerfahrenen Eltern!
Also zum Buch: Ich lese wenig Erziehungsratgeber, aber ein paar besitze ich schon. Standardwerke von Juul und Renz-Polster, klar. Ich versuche, es nicht zu übertreiben, aber leider gelingt es mir nicht, immer nur auf mein Bauchgefühl zu hören in Sachen Erziehung. Ich hatte schon das Bedürfnis nach Hilfe. Immer wieder bin ich auf der Suche nach ebendieser auf dem Blog von Danielle und Katja gelandet: Gewünschtestes Wunschkind. Vieles war mir zu “unerzogen”, ein Begriff der ja gerade wild durchs Netz wandert (ein Artikel dazu kommt nächste Woche!). Oft dachte ich: “soll man das alles durchgehen lassen?” Ich war nie eine Mama, die ihrem schreienden Kind zusäuselte: “ich verstehe, dass du sauer bist”. Ich konnte das einfach nicht. Trotzdem hat mir dieser Blog wahnsinnig geholfen. Und mit den Jahren wird man schlauer. Man merkt, was beim Kind ankommt und findet einen Weg, der zu einem passt. Säuseln tue ich auch heute noch nicht, aber ich “spiegele” durchaus. Ich habe noch nicht 100% den Dreh raus, aber es wird immer besser. Und interessanterweise passiert heute bei uns vieles, was die Eltern, die “unerzogen” praktizieren, auch machen. Hätte ich nie gedacht! Oft hat mich der Blog von Danielle und Katja dazu inspiriert, das einfach mal zu probieren.
Auf Wunsch von vielen Lesern haben die beiden dann irgendwann endlich ein Buch: “Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Der entspannte Weg durch Trotzphasen” herausgebracht, das habe ich verschlungen (der Mann übrigens auch!) und es hat sehr viel dazu beigetragen, dass ich mich jetzt sicherer fühle – danke!
Ich würde sogar so weit gehen, dass es die erste und einzige Erziehungs-Lektüre war, die mir so richtig und von der ersten bis zur letzten Seite etwas gebracht hat. Es ist die BIBEL für alle Wutanfall-Geplagten!
Teufelshörner – eben doch
Ich mag es alleine schon, dass der Begriff “Trotzphase” bereits im Titel genannt wird und dass das Buch mit kleinen Teufelchen illustriert ist. Viele Eltern werden da sicher stutzig: “aber die Kinder trotzden doch nicht, das ist eine ganz normale Entwicklung, sie wollen immer kooperieren” “Aber mein Kind ist doch kein Teufel!” Ja ja, aber ein bisschen Humor schadet ja nicht, und wer das Wort Trotz nicht doch oft passend fand, wer seinem Kind nicht doch manchmal imaginäre Teufelshörner hat wachsen sehen, der werfe bitte den ersten Stein!
In den ersten Kapiteln wird die Wut erklärt. Warum machen Kinder das, was passiert dabei in ihrem Gehirn? Auch die Wut der Eltern wird erklärt. Warum werden wir parallel auch sauer, warum wollen wir fast zuschlagen, wenn wir doch eigentlich in größter Angst um unser Kind sind?
Dann werden Dauerbrenner “übersetzt”. Situationen, die viele Eltern kennen und die sie in den Wahnsinn treiben. Wenn zum Beispiel nach einer Standpauke auch noch frech gegrinst wird.
Und gibt es ein paar einfache Beispiele, die im Alltag helfen können. Den Kindern Zeit und Raum lassen, um zu kooperieren zum Beispiel. Und die Autorinnen geben auch ganz klare Hilfestellungen: Was, wenn mein Kind nicht Treppen steigen will? Sich nicht anziehen lassen will? Nicht ins Bett will? (Dieses Kapitel spielte sich 1:1 so bei uns ab und seit wir den Druck rausgenommen haben, sind unsere Abende SO entspannt!). Oder wenn sich das Kind nicht wickeln lassen will? All diese Situationen, die einen im Alltag regelmäßig fertig machen können. Und jetzt verstehe ich endlich auch, warum Kinder bei den Großeltern immer durchschlafen, zuhause aber ins Elternbett kriechen. Es macht alles so viel Sinn.
Am Ende heißt es noch, dass man die Wutanfälle eigentlich eher feiern sollte. Haha, das ist lustig! denkt ihr. Aber es stimmt ja. Jeder Anfall bringt unsere Kinder ein Stück weiter. Nur so lernen sie, mit ihren Emotionen umzugehen, und wie man angemessen reagiert. Auch wenn es für uns Eltern oft hart ist.
Ich wollte schon lange mal etwas über dieses Buch schreiben, aber ich steckte emotional noch zu sehr in unserem Wut-Kuddelmuddel drin. Seit Wochen ist es hier nun (meistens) ruhig, ich merke langsam, wie ich das Erlebte reflektiere und verarbeite, ich beobachte Quinn, wie sie auch ihre ersten kleinen Wut-Schritte macht. Es ist eigentlich SO interessant, was da passiert!
Wenn auch ihr also oft nicht wisst, was zu tun ist, wenn ihr merkt, dass die altmodischen Klassiker (schimpfen, ausbocken lassen, in die Ecke stellen, drohen, ins Zimmer sperren) sich doof anfühlen oder bei eurem Kind einfach nicht fruchten – holt euch das Buch, versucht’s mal anders — und vielleicht schaffen wir es ja alle irgendwann entspannt durch die Trotzphase.
Anmerkung: ich bin nicht bezahlt worden für diesen Artikel, ich schwöre. Er spiegelt einfach nur meine Dankbarkeit und ehrliche Meinung wider!