Die Welt auf Links: Wenn das Kind (wahrscheinlich) Linkshänder ist

Processed with VSCO with f2 preset
In letzter Zeit muss ich öfter an den Beitrag von Katharina denken, indem sie über unsere Kinder als Optimierungsmasse schrieb. Denn besonders, wenn das Kind mal aus der Reihe tanzt, sich ein wenig "anders" entwickelt als andere Kinder, gehen ganz schnell die Schubladen auf - und zu. Ich versuche das gerade nicht zutun. Glaube aber schon, dass wir ziemlich genau auf die Schublade "Linkshänder" zu steuern.

Mein Sohn konnte relativ schnell einen Stift halten, der wanderte aber meist von der Rechten zur Linken und wieder zurück. Alles ganz normal. Als er zwei Jahre alt war, hatte ich öfter das Gefühl, dass er nicht rechtshändig ist. Aber wer weiß das schon in diesem Alter! Deshalb wollte ich ihn natürlich in keinster Weise beeinflussen und habe, klar, gar kein Thema daraus gemacht. Jetzt mit vier Jahren ist das schon etwas anderes. Es gab ein Gespräch in der Kita und eigentlich ist klar: Er ist Linkshänder. Uneigentlich weiß ich das natürlich noch nicht so genau. In unserer individualistischen Welt, wo jeder etwas Besonderes sein muss, habe ich mich fast ein bisschen gefreut, so nach dem Motto: Aha, mein Sohn, der ist anders! Was natürlich Quatsch ist. Denn Kinder sind natürlich alle auf ihre eigene Art und Weise besonders.

Was mache ich also jetzt? Ich will ihn ja nicht in eine Richtung drängen. Nun ist es aber schon so, dass ich mich natürlich frage: Was bedeutet das für ihn genau? Muss ich jetzt sofort in den Laden rennen und Linkhänder-Equipment kaufen? Wie fühlt es sich an in einer Welt, in der die meisten rechtshändig sind, etwas anderes zu sein (immerhin sind wohl nur 10 bis 15 % Linkshänder) ?

Vor allem nachdem ich vor Kurzem ein Radio Bericht gehört habe, in dem Menschen, die umerzogen wurden oder es gar nie wirklich mitbekommen haben, dass sie eigentlich ein versteckter Linkshänder sind, erzählen, dass sie ihr Leben lang unter Depressionen und verminderter Leistungsfähigkeit gelitten haben – bis sie endlich anfingen, ihre Linkshändigkeit zu leben. Zum Glück sind wir heute schon lange davon weg, Linkshänder umzuerziehen, ein Vorhaben, das für die Betroffenen so tragisch wie unmöglich ist: Wenn ein Mensch linkshändig ist, wird eine andere Gehirnhälfte mehr benutzt: In diesem Falle dann rechte, statt die linke Hälfte, wie es bei Rechtshändern der Fall ist. Wenn mein Sohn nun seinen Namen mit der rechten Hand schreibt (bzw. es versucht), dann schreibt er spiegelverkehrt. Wohl auch ein Zeichen dafür, dass er Linkshänder ist. Und noch etwas: Spontane Handgriffe werden dann auch mit der linken Hand vollzogen.

Ich werde vorsichtshalber aber schon mal folgende Dinge besorgen, und einfach mal schauen was passiert:

  • eine Linkshänderschere
  • Linkshänderanspitzer
  • Ein Buch mit weiteren Hilfsanleitungen, wie man Kinder im Vorschulalter unterstützen kann: Linkshändige Kinder. Besonders nett, wenn die Linkshändigkeit für das Kind schon ein Thema ist, können sie durch kleine Abbildungen und Zeichnungen erkennen, welcher Text auch für sie interessant sein könnte. Und den kann man dann vorlesen. Eine schöne Art und Weise dem Kind zu helfen, mit der Linkshändigkeit umzugehen.
  • Eine Schreibunterlage für Linkshänder, gibt es übrigens im einzigen Online-Shop, der eine große Auswahl an Utensilien für Linkshänder hat: lafueliki (keine Werbung!)
  • eventuell: geschliffenes Brotmesser

Außerdem wird empfohlen, bei Eltern, die wie ich noch unsicher sind, Gegenstände immer mittig vor das Kind zu legen und nichts direkt in die rechte Hand zu geben. Das gilt zum Beispiel auch für das Trinkglas am Tisch! Wenn klar ist, dass das Kind wohl linkshändig ist, sollten Gegenstände so ausgewählt sein, dass man sie mit beiden Händen bedienen kann. Und die Fahrradklingel sollte auf die linke Seite! Auch beim Schleifenbinden-Lernen sollte darauf geachtet werden, dass der Vorgang seitenverkehrt gezeigt wird, so gerät das Kind nicht durcheinander. Ähnlich sieht es mit Bewegungen beim Tanzen oder beim Sport aus: Linkshändige Kinder führen diese oft spiegelverkehrt zu Rechtshändern aus, korrigieren sollte man so etwas auf keinen Fall.

Ich bleibe trotz aller Vorbereitung aber erst einmal wachsam, ohne zu lenken. Wichtig ist mir nur, ihn nicht “unbewusst” zum Rechtshänder zu erziehen, indem ich seine rechte Hand bevorzuge, und das passiert eben doch oft unbemerkt.

Wie spannend es doch immer wieder ist, wenn sich das Kind Schritt für Schritt zeigt, mit all seinen Eigenschaften und Besonderheiten! Ob nun links- oder rechtshändig.