Zeckenplage 2023 – Impfen oder nicht?

Sommer, warme Temperaturen, viel Zeit draußen verbringen. Die Kinder laufen durchs Gras, spielen im Wald. So schön! Aber: abends immer unbedingt die Körper absuchen, denn es lauern in diesem Jahr so viele Zecken wie noch nie. Und diese wurden nicht nur sehr früh gefunden – es sind wohl auch immer mehr infizierte Zecken unterwegs, die richtig schlimm krank machen können.  Neben der Borreliose ist FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) die größte Gefahr. Eine Karte der FSME Risikogebiete des RKI zeigt an, wo es besonders gefährlich ist. Was tun? Impfen? Wir haben Dr. med. Snjezana-Maria Schütt, die ihr sicher als Kinderherztin auf Instagram kennt, gefragt.

Liebe Snjezana, dieses Jahr gibt es wesentlich mehr Zecken als sonst – warum ist das eigentlich so?

Dadurch, dass 2022 ein sehr warmes Jahr und zusätzlich auch der Winter recht mild und regnerisch war, hatten Zecken quasi perfekte Bedingungen für die Familienplanung 😉 Außerdem war 2022 ein sog. Mastjahr der Buche, in dem sich die Wild- und Nagetiere an besonders vielen Bucheckern sattfuttern, somit vielen Zecken üppige Blutmahlzeiten bescheren und für den Winter stärken konnten. In solchen Fällen gehen Expert:innen sogar für zwei Folgejahre von einer besonders hohen Zeckenanzahl aus.
Ich selbst hatte erst kürzlich nach der Gartenarbeit einen ungebetenen Zeckengast mit unangenehmer Lokalreaktion an der Haut.

Das kennen wir auch. Und die Borreliose Gefahr kennen die meisten, sie wissen, wie man reagieren soll. Was unterscheidet eine FSME Infektion? 

Ja, erfreulicherweise kennen die meisten Menschen die Borreliose-Gefahr nach einem Zeckenstich. Tatsächlich ist die Borreliose auch die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung und wird durch Bakterien verursacht, die beim Stich übertragen werden können. Mit Borrelien infizierte Zecken kommen bundesweit vor und da die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung mit zunehmender Saugdauer der Zecke steigt, sollte die Haut nach dem Aufenthalt in der Natur gründlich abgesucht und Zecken so schnell wie möglich entfernt werden. Falls es nach einem Stich zu einer Wanderröte, d.h. einer sich ausbreitenden Hautrötung, um die Einstichstelle kommt, sollte man unbedingt ärztlichen Rat einholen. Da die Borreliose durch Bakterien verursacht wird, gibt es die Möglichkeit der gezielten antibiotischen Therapie. Allerdings können wir einer Borrelien-Infektion nicht mit Hilfe einer Schutzimpfung vorbeugen.
Anders sieht es bei der FSME aus. Diese wird durch Viren verursacht, die über den Speichel der Zecke übertragen werden. Ist die Zecke also mit den Viren infiziert und schafft es, sich an unsere Haut zu heften bzw zu stechen, dann können die Viren recht schnell übertragen werden.

Wie läuft eine FSME Infektion ab?

Die Folge einer Infektion mit FSME-Viren kann die sog. Frühsommer-Meningoenzephalitis sein, d.h. eine Entzündung der Hirnhäute bzw des Gehirns. Charakteristisch ist ein zweiphasiger Krankheitsverlauf, bei dem es kurz nach dem Stich zunächst zu grippeähnlichen Symptomen, wie zB Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen kommt. Daran schließt sich meist ein beschwerdefreies Intervall von etwa einer Woche an, bevor es in der zweiten Phase zu einer Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute, des Gehirns oder Rückenmarks kommen kann. Schwere Krankheitsverläufe kommen bei Erwachsenen häufiger vor, als bei Kindern und können auch noch Monate später mit schwerwiegenden neurologischen Beeinträchtigungen, wie zB Lähmungen oder Krampfanfällen, einhergehen. In etwa 1% der Fälle verläuft die Erkrankung tödlich. Da es bei einer FSME-Infektion, im Gegensatz zur Borreliose, keine ursächliche Therapie gibt, kommt der Schutzimpfung, die gegen FSME zur Verfügung steht, eine besondere Bedeutung zu.

Sind denn auch wirklich mehr mit FSME infizierte Zecken unterwegs?

Ja. Während 2021 die Anzahl der FSME-Infektionen rückläufig war, stieg sie 2022 um 30% an (Daten des RKI im Januar 2023).

Es gibt ausgewiesene Risikogebiete. Wenn ich dort lebe, sollte ich mich also impfen lassen?

Ja, die STIKO empfiehlt allen Personen, die in Risikogebieten leben oder dort Urlaub machen sowie einigen Berufsgruppen, eine entsprechende Schutzimpfung. Von den 2022 erfassten FSME-Erkrankten war die Mehrzahl (98%) gar nicht oder unzureichend geimpft.

Für Kinder läuft die Infektion meist harmloser ab. Diese trotzdem impfen?

Ja. Auch bei Kindern, die in Risikogebieten leben oder dort Urlaub machen, empfiehlt die STIKO eine Schutzimpfung. Ab einem Jahr ist die Impfung mit einem für Kinder zugelassenen FSME-Impfstoff möglich.

Was, wenn ich nur eine Woche Urlaub im Gebiet plane. Würdest du auch da eine Impfung empfehlen?

Leider richten sich die Zecken bei der Wahl ihres neuen Wirtes nicht nach dessen Aufenthaltsdauer.

Das heißt, Kinder können auch schon an Tag Eins des Urlaubs ungewollt in Kontakt mit einer Zecke kommen, zumal sie durch das Spielen im Freien grundsätzlich auch gefährdeter sind. Und auch wenn eine FSME-Infektion bei Kindern meist „harmloser“ verläuft, ist dies doch keine Garantie, so dass in Risikogebieten die Empfehlung für Kinder und Erwachsene gleichermaßen gilt.
Ich persönlich finde die Schutzimpfung wichtig und würde sie – in Anlehnung an die Empfehlung der STIKO – auch empfehlen. Ich finde, dass Impfungen ähnlich sind, wie Versicherungen. Wir schließen sie für Situationen ab, in denen ein gewisses Risiko besteht und wir uns oder die Kinder vor einem potenziellen Schaden schützen möchten.

Wie läuft die Impfung überhaupt ab und zahlen die Kassen?

Die Impfung erfolgt mit abgetöteten Erregern in drei Gaben. Da es eine gewisse Zeit braucht, bis ein vollständiger Impfschutz aufgebaut ist, sollte die erste Impfung am besten schon in den Wintermonaten erfolgen. Die zweite Impfung erfolgt 1-3 Monate später. Bereits nach der zweiten Impfung besteht ein gewisser Impfschutz, allerdings ist dieser noch unvollständig und hält nur kurze Zeit an. Daher sollte 5-12 Monaten später die dritte Impfung erfolgen.
Es gibt auch die Möglichkeit einer Schnellimmunisierung. Damit lässt sich innerhalb weniger Wochen ein saisonaler, also deutlich kürzerer, Impfschutz aufbauen. Bei Bedarf wird euch der Haus- oder Kinderarzt vor Ort darüber informieren.
Und ja, für die Impfungen von gefährdeten Bevölkerungsgruppen werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen.

Trotz Impfung sollte man aber dennoch jeden Abend absuchen und Zecken entfernen, oder? 

Ja, auf jeden Fall. Denn indem wir der Zecke den Zugang zur Haut erschweren bzw sie schnell beseitigen, verhindern bzw mindern wir am effektivsten die Übertragung von Krankheitserregern und das Risiko einer Infektion.

Danke!

Foto: Erik Karits