Wie es ist, mit Mitte vierzig noch mal Mutter zu werden
Liebe Lina, deine älteste Tochter ist 19, deine zweite Tochter sechs und dein Sohn ist sechs Wochen alt. Wie kam es denn zu diesem großen Altersabstand?
Meine Tochter Klara habe ich mit 26 mit meinem ersten Mann bekommen. Wir haben uns getrennt als sie 2 Jahre alt war. Vor 13 Jahren habe ich dann meine jetzigen Mann kennengelernt. Er wollte sehr gerne Kinder, aber wir hatten ja auch noch Zeit und haben die Zeit ohne eigene Kinder auch sehr genossen. Als wir es dann probiert haben, stellte sich heraus, dass das mit dem schwanger werden nicht so schnell klappen würde, wie in jungen Jahren. Es gingen ein bis zwei Jahre ins Land – und wir fingen an, uns Gedanken zu machen. Sind wir gesund? Kann es überhaupt funktionieren und wie weit würden wir im Zweifelsfall gehen? Ich hatte dann schon ein paar Termine zur Eisprung-Bestimmung beim Frauenarzt. Als ich allerdings gerade schon entnervt mal auf nichts mehr achten wollte… klappte es. Unsere Tochter wurde 2013 geboren.
Und wolltet ihr dann noch ein Kind?
Schon. Also mein Mann auf jeden Fall. Ich war gar nicht so sicher. Ich wusste aber: das wird nicht leichter mit der Zeit und hatte es dann auch nach fünf Jahren fast ad acta gelegt. Auf keinen Fall hätte ich jetzt nochmal eine Kinderwunsch-Behandlung in Betracht gezogen. Da fing ich an, über Verhütung nachzudenken, weil es ja doch immer sein kann und ich schon auch Angst vor Fehlbildungen hatte. Und dann… war ich schwanger.
Mit damals 43! Wie hat sich das angefühlt?
Es hat sich ganz selbstverständlich angefühlt. Aber ich habe es erst an mich rangelassen, als die 12. Woche und die erste Feindiagnostik hinter uns lagen. Es bestand einfach ein hohes Fehlgeburt- und Fehlbildungs-Risiko. Es hat mich überrascht, wie unterschiedlich man selbst ticken kann. Bei meiner zweiten Tochter hätte ich eine Diagnose wie Trisomie 21 in Kauf genommen. Ich habe überhaupt keine Untersuchungen machen lassen und dachte mir damals: das schaffe ich dann schon, wir trauten uns das alle zu. Diesmal wäre es anders gewesen. Das hätte ich mir nicht mehr zugetraut, und auch nicht dem Rest meiner Familie. Mir ist klar, dass man sowieso nur einen kleinen Prozentsatz an Fehlbildungen oder Behinderungen ausschließen kann. Aber mein rationales Ich wollte die größte Gewissheit, die möglich war.
Was für Tests hast du dann gemacht?
Wir haben die Feindiagnostik in der 12 Woche gemacht. Da bin ich mit einem 1:30 Risiko für Trisomie 21 rein – und mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:580 wieder raus. Ich war also mehr als zehn biologische Jahre jünger. Trotzdem habe ich dann noch in einem Pränatest Trisomie 21 abklären lassen. Die anderen Trisomien waren so unwahrscheinlich, die habe ich nicht weiter testen lassen.
Hast du eigentlich bei den Ärzten und so weiter vermittelt bekommen, dass du jetzt eine Risikoschwangere bist?
Nein, eigentlich nicht. Das war in der Schwangerschaft mit 38 nicht viel anders. Außer dem Risiko für eine Fehlbildung hatte ich ja auch nichts. Es kommt schon sehr darauf an, wie fit man ist, mir ging es sehr gut. Diese Schwangerschaft war kein bisschen anders, anstrengender oder auffälliger als die anderen beiden. Ich kann wirklich nicht sagen, dass ich die Schwangerschaft oder Geburt irgendwie schlechter verkraftet hätte. Nur dicker bin ich geworden! Haha!
Und dann hast du das Kind sogar Zuhause bekommen!
Ja! Das war immer ein Traum von mir. Beim ersten Kind war ich im Krankenhaus, das war okay, aber auch stressig und unpersönlich. Beim zweiten Kind war ich im Geburtshaus, super schöne Geburt, keine Verletzungen, allen ging es blendend. Und ich traute mir das zu, mit einer guten Hebamme, zuhause zu entbinden. Zum Glück habe ich eine gefunden und alles passte: Juri kam am Termin, ich habe also nicht übertragen, ich war bis zum Ende gut drauf, alle Werte waren gut. Und die Geburt war dann wirklich traumhaft, vier Stunden, alle waren dabei.
Und wie war das Wochenbett?
Also, Juri ist toll. Endlich mal ein ganz entspanntes Baby, das nur quakt, wenn es Hunger hat oder schlafen will. Die ersten Tage waren dann auch okay, allerdings hatte ich eine wahnsinnige Angst um mein Kind, eine vollkommen überzogene Angst vor plötzlichem Kindstod und wilde Assoziationen bei allem Scharfkantigen in seiner Nähe, irgendwann habe ich selbst die Schlittschuhe meiner Tochter aus dem Zimmer geräumt… Das hat mich sehr aufgewühlt, es waren wohl die Hormone… Und dann gab es nach ein paar Tagen auch tatsächlich ein Problem: Das Baby nahm nicht zu und trank schlecht. Die Milch blieb bald weg, ich musste pumpen, Ostheopath, Brusternährungsset, das ganze Prozedere.
Ich war darauf so gar nicht vorbereitet. Nach zwei Kindern, die ohne weiteres tranken und zunahmen, hatten weder ich noch die Hebamme am Anfang so richtig darauf geachtet. Und wenn es dann erst schief gelaufen ist, ist der Wurm drin.
Die Hebamme hatte Tipps, die nicht halfen („richtig“ anlegen), der Kinderarzt empfahl sofort Pre aus der Flasche, keine weitere Diskussion. Die Stillberatung hatte Tipps, die so einigermaßen halfen (wie genau halten, wie genau anlegen und wechselseitig…).
Es war zwischendurch unglaublich anstrengend. Körperlich und seelisch. In der Zeit ist es keine Option, über den Dingen zu stehen, das ging einfach nicht mehr.
Am Ende fand ich es am hilfreichsten, auf mein Gefühl zu hören mit allen Tipps und Tricks im Hinterkopf, alle Gadgets wie Waage und Pumpe und was nicht alles zur Hand. Nicht auf die Angst und die Sorge hören, sondern auf das Gefühl. Durchhalten, aber auch nicht zu lange.
Zwischendurch habe ich mit einem Schläuchlein über eine Spritze abgepumpte Milch zugefüttert, um ihn nicht an die Flasche zu gewöhnen. Das kann dann auch der Papa mit dem sogenannten „Finger feeding“ machen. Mittlerweile funktioniert es besser, ich hatte mir drei Monate Frist gesetzt. Er trinkt jetzt ca. 70% an der Brust und den Rest pumpe und füttere ich mit Flasche. Das mache ich jetzt noch so lange, wie es mir nicht zu stressig wird. Und der Rest der Familie freut sich, dass sie auch mal Füttern können!
Oh wow, das klingt anstrengend. Denkst du manchmal so etwas, wie: wie alt bin ich dann, wenn er Abi macht?
Ich bin 62 wenn er 18 ist – und ja, solche Gedanken habe ich. Sogar, dass ich hinten raus nicht mehr so viel Zeit mit ihm habe, dass ich vielleicht seine Kinder nicht mehr miterlebe. Dass ich von 26 bis 62 immer ein minderjähriges Kind im Haus haben werde – das ist schon verrückt. Aber ich habe ja noch meine große Tochter, sie ist jetzt 19 – und die 6-Jährige, die halten mich jung und ich versuche auch generell, mich da nicht reinzusteigern. Wir werden eventuell alle schrecklich alt werden und man kann eh nicht alles planen. Außerdem ist vieles bei diesem Kind jetzt auch so schön, wie noch bei keinem vorher. Kein Kind wurde hier bisher in so ein kinderfreundliches Ambiente reingeboren. Wir sind beide voll bei uns und nicht mehr mit Selbstfindung beschäftigt, wir sind genug gereist und ausgegangen und vermissen da nichts mehr. Da ist eine Ruhe und Gelassenheit, die gab es vor ein paar Jahren noch nicht. Und wir sind beruflich gut aufgestellt und natürlich auch finanziell. Ich will jetzt viel zurücklegen, damit ich Juri auch später den gleichen Standard bieten kann, wie den beiden anderen Kindern jetzt – denn sowas denke ich auch: wenn er dann in der Pubertät ist: verdiene ich dann so viel, dass ich ihm einen Auslandaufenthalt bezahlen kann? Ich bin dann ja schon Ende 50!
Und wie geht es deinem Mann mit allem?
Auch total gut. Er kann dieses Mal Elternzeit nehmen und flexibler arbeiten. Beim letzten Kind war er noch fest angestellt in einer Agentur mit entsprechenden Arbeitszeiten. Dass er jetzt noch mal so viel Zeit mit einem Kind von Anfang an hat, das genießt er sehr. Und auch sonst: wir sind beide noch total fit, wir stecken das ganz gut weg. Klar waren viele Dinge viel einfacher damals bei Klara mit Mitte 20. Aber jetzt sind andere Dinge einfacher geworden – und das ist auch schön!
Danke, Lina!
Fotos: Privat. Lina fährt den Bugaboo Fox aus der neuen Mineral Edition, sie hat sich für die Farbe Taupe entschieden.