Kleine Jahre, große Fragen: Wie kann ich mein Schreibaby beruhigen?

"Entspannte Eltern haben entspannte Kinder." Dieser unsägliche Satz steht gleich im ersten Kapitel von Andrea Zschochers Buch "Wie du dein Schreibaby beruhigst: Die besten Tipps und Strategien für zufriedene Babys und gelassene Eltern". Und ich merkte beim Lesen, wie ich Puls bekam. Was habe ich diesen Satz gehasst, noch immer löst er Scham in mir aus. Ich war ja auch irgendwann nicht mehr entspannt. Wie soll man auch entspannt sein, wenn man den ganzen Tag angebrüllt wird und zerfressen ist vor lauter Sorge, Anstrengung und "Funktionieren"? Hach, es war eine schwere Zeit. Ich habe hier schon ein Mal darüber geschrieben, wie der Alltag so war mit diesem sehr herausfordernden Baby, der Beitrag ist immer noch einer der am meisten gelesenen hier. Ich habe mich übrigens für das selbe Foto entschieden. Es passt einfach so gut und es ist so ein schönes Bild, das in einer wirklich schweren Zeit entstanden ist.

Nun war das mein zweites Kind (auch das erste war schon kein Anfängerbaby, schrie aber wenigstens nicht ganz so viel…), Andrea, die ihr vielleicht auch von ihrem Blog Runzelfüsschen kennt, hatte tatsächlich sogar drei Schreibabies. “Ich war so naiv, ich dachte jedes Mal wieder, das passiert nicht noch mal. Aber dann war es doch wieder so”, erzählt sie. Das dritte Kind beschreibt sie trotz der großen Herausforderungen heute als eine erlösende Erfahrung: “Denn dann war klar: es liegt nicht an uns.”

Das ist es ja, was Eltern und besonders Mütter am meisten belastet. Dass alle wissen wollen, was los ist. Und weil irgendjemand schuld sein muss daran, dass das Baby so viel schreit, sind es natürlich meist die Eltern. Sind eben nicht entspannt genug. Haben vielleicht zu viel unternommen in der Schwangerschaft. Der Stress überträgt sich auf das Baby, ist ja ganz klar.

Irgendjemand muss ja schuld sein!

Dabei ist dem natürlich nicht so! Genauso, wie es leider auch wenig wirklich gute Strategien gibt, Schreibabies dauerhaft zu beruhigen. Das ist es ja gerade: diese Babies lassen sich nicht beruhigen. “Überall habe ich gehört, man muss die Signale der Kinder lesen lernen und auf sie eingehen, dann würden sie ganz zufrieden sein”, erzählt Andrea im Gespräch. “Und es hat eine Weile gebraucht, bis ich verstanden habe, dass es da um “normale” Babies geht. Die, die immer schreien fallen komplett aus dem Raster.”

In ihrem Buch geht es deshalb auch eher ganz viel um die Eltern, weniger um die Babies. Natürlich werden auch Strategie aufgezeigt, die helfen können, das Kind zu beruhigen. Aber weil das meiste immer nur kurz hilft, ist die Message vor allem: Durchhalten. Gut und gesund durch diese Zeit kommen, denn sie wird irgendwann vorbei sein. “Bevor du anfängst, dein Baby ins Auto zu setzen, such dir lieber andere Strategien, wie du das Schreien ertragen hast.” schreibt Andrea zum Beispiel. Und ich kann aus Erfahrung berichten, dass “Autofahren” wirklich keine sehr gute Strategie ist. Welche es aber ist, das muss jeder für sich herausfinden. Und das ist dann vielleicht nicht immer mit den Vorgaben zu sicherem Babyschlaf vereinbar oder auch mit dem 100% achtsamen Umgang. Kind in die Trage und Ohrstöpsel rein, das habe ich manchmal gemacht. Und irgendwann habe ich auch herausgefunden, dass meine Tochter den Schnuller nimmt, wenn ich Sab Simplex darauf träufele und den Fön anmache. Sehr achtsam war das nicht, aber es funktionierte…

Der Neid auf die entspannte Babyzeit…

Im Podcast sprechen wir sehr offen über diese belastende Zeit. Bei mir war sie kurz und knackig, Andreas Kinder haben bis zu einem Jahr geschrien. Ich muss sagen, dass ich heute noch neidisch bin auf Eltern, die entspannte Babyzeiten haben. Die shoppen und Kaffee trinken können und das Baby schläft einfach. Das hatte ich gefühlt nie. Ich war immer so erschöpft, immer in Angst, dass das Brüllen gleich wieder losgeht und ich es nicht stillen kann. Trotzdem habe ich mich nicht abgeschirmt, ich bin raus gegangen, habe Freundinnen getroffen, habe es immer wieder gewagt. Andrea hat auch viele Freundinnen eingeladen, das Kind war dann während dieser Zeit sogar ruhig. Danach kam natürlich die Quittung – so sind Babys ja oft. Am Abend schreien sie alles raus, was sie den Tag über erlebt haben, als ob sie schreiend das Erlebte verarbeiten würden. Sie hat sich dann andere Strategien überlegt und wir waren uns einig: alles besser, als alleine durch diese Zeit gehen!

“Wenn ich daran zurückdenke, verschwindet alles in einem Nebel aus Geschrei”, erzählt Andrea. Und trotzdem konnte sie auch viel Gutes aus dieser Zeit ziehen. Vor allem hat es sie und ihren Partner stark gemacht. Und das kann ich auch unterschreiben. Am Ende bin ich begeistert davon, dass ich das so gut geschafft habe. Auch wenn ich immer noch ein kleines Trauma habe.

Es ist ein sehr offenes Gespräch geworden, wir sprechen auch über Tabu-Gedanken, die Eltern von Schreibabies haben. Darüber, dass es so wichtig ist, sich Hilfe zu holen. Ich habe mir damals vielleicht zu wenig Hilfe geholt… Andrea hat auch viel dazu recherchiert, ob Schreibabies einen “Schaden” davontragen, ob sie auch im späteren Leben irgendwie auffällig sind. Denn das ist ja auch etwas, was Eltern in dieser Phase quält. Sie denken nicht nur: “Warum schreit das Baby?” Und “Wann wird das aufhören?” Sie denken auch: “Was soll bei diesem schreienden Baby nur für ein Kind rauskommen?”

Und wir kommen beide zu dem Schluss, dass Kinder anstrengend und fordernd sein dürfen. Und dass es vielleicht auch Quatsch ist, sich ein schlafendes und leises Kind zu wünschen, das nicht “stört” und immer nur nebenher läuft. Gibt es solche Kinder überhaupt? Das ganze Gespräch könnt ihr jetzt hier nachhören. Gibt es natürlich auch bei Spotify, iTunes und überall, wo es Podcasts gibt. Und noch ein super Tipp: Auch Andreas Buch gibt es als Hörbuch zu hören. Plus: auf Instagram verlosen wir drei Exemplare!!!

Danke, liebe Andrea, für das schöne Gespräch!