“Oh Gott ihr Armen!” – Über Zwillingsschwangerschaften

Vor Kurzem war ich dann auch mal live dabei: Sobald das Wort “Zwillinge” fiel, verfinsterte sich das Gesicht der anderen Mama, ihr Kinn klappte nach unten, ihre Augen schauten entsetzt und sie rief: “Oh mein Gott!”. Zusammen mit der Frage, ob man denn “nachgeholfen” hätte. Nun weiß ich gar nicht genau was ich schlimmer finde: Die offensichtlich so negative und harte Reaktion oder die Indiskretion.
Besonders der Spruch: “Oh Gott ihr Armen!” Ein Ausruf, der Emphathie vorheuchelt, bei dem aber eben doch vor allem eines mitschwingt: Die Erleichterung, dass es dem anderen passiert ist. Diese Bekannte erzählte aber auch, dass solche Reaktion vor allem in Deutschland kommen, im Ausland reagiere man eher mit Freude, anstatt gleich die Hände über dem Kopf zusammen zuschlagen. Liegt das immer noch daran, dass Kinder eher als Belastung denn als Geschenk gesehen werden? Und dann gleich zwei davon, herrjeh! Das wirft die wunderbare Planbarkeit des Lebens total über den Haufen. “Wie wollt ihr das denn schaffen?” “Ihr müsst ja total verrückt sein!”
Das doppelte Wunder
Wie unglaublich schade finde ich das. Anstatt das Wunder des Leben zu feieren, sich zu freuen für die Schwangere! Und vor allem auch sensibel zu reagieren: Als Zwillingsmama macht man sich bestimmt schon genug Sorgen, wie alles funktionieren soll – braucht man dann noch in Schockstarre verweilende Bekannte? Diese eine Bekannte erzählte auch, dass sie sich sehr gefreut hätte, als sie erfahren hatte, dass da zwei kleine Minis in ihrem Bauch waren. Sie schwankte zwischen Euphorie und einer Prise Panik. Es waren dann viel mehr die Reaktionen der anderen, die sie verunsichert haben. Die Angst der anderen. Und das ist doch eigentlich das letzte, was man in dieser Zeit braucht.
Eine richtige Großfamilie
“Manchmal habe ich das Gefühl, da guckt gleich ein Fuß aus mir raus!” erzählte sie mir neulich. Es sei schon alles sehr eng und schwer im Bauch mit den beiden. Es macht ja auch Sinn: Die Schwangerschaft mit zwei Babys ist eben auch einfach doppelt so anstrengend: Alle Symptome, die sie bei der ersten Schwangerschaft mit einem Kind hatte, seien bei zwei Kindern doppelt so stark. Klar, der Hormonwert ist ja auch doppelt so hoch bei Zwillingen! Man schlafe auch mehr, irgendwie logisch, denn der eigene Körper produziert ja sogar zwei kleine, neue Lebewesen! Sogar Supermum Taza hat vor Kurzem geschrieben, dass sie sehr erschöpft ist während ihrer Zwillingsschwangerschaft, und dass sie manchmal ganze Tage verschläft.
Ihre Kinder sehen sie gerade wenig, so ist es bei meiner Freundin auch. Und auch sie fühlt sich manchmal schuldig, weil die Kinder, die schon da sind, weniger von ihr sehen. Dennoch: Freuen tut sie sich trotzdem ganz schön über die beiden, die noch kommen. Und sie merkt jetzt schon, dass der Junge etwas aktiver ist als seine Bauchschwester. Sie freut sich, dass mit der Geburt der Zwillinge die Familie komplett ist: Eine richtige Großfamilie sind sie dann plötzlich – sie kann es immer noch nicht fassen. Ein Haus voller Kinder!
Auch ich sehe natürlich die Tücken einer Zwillingsschwangerschaft: es ist anstrengender und ich kann mich noch gut erinnern, wie herausfordernd ich ein Baby fand – das mal zwei ist schon wow. Aber es ist doch so ein Geschenk! Wie wundervoll ist es, zwei gleichaltrige Kinder, die dennoch unterschiedlich sind, groß werden zu sehen. Als Kind fand ich Zwillinge immer toll (und nicht nur die in Barbies Bauch). Mir kam es vor, als hätten die automatisch den besten Freund oder Freundin immer dabei. Von Anfang an. Wem man mit jemanden so lange und eng im Bauch gekuschelt hat, kann das doch gar nicht anders kommen oder? Buddies for life eben. Das ist doch wunderschön, so eine Verbindung zu schaffen.
Ich würde mir also wünschen, dass wir uns mal locker machen und auch Zwillings-Mamas gratulieren, sie unterstützen und nicht das Gegenteil. Oder was sagt ihr?
Habt ihr eine Zwillingsstoriy? Wie war eure Zwillingsschwangerschaft?