Let’s talk about … #happyfamilylove auf Instagram
“Du bist das Beste, was mir je passiert ist! Mit dir bin ich komplett! The best part of me is you! Liebe meines Lebens! Love you to the moon and back!” – so oder so ähnlich klingen sie, Liebeserklärungen auf Instagram. Moment, Moment, die Rede ist hier nicht von Heiratsanträgen, Eheversprechen und sonstigen Gefühlsduseleien, die möglicherweise mit dem Partner zu tun haben. Was ich meine, sind Liebesbekundungen von Eltern an ihre Kinder. Und wenn ich Eltern sage, meine ich Mütter. Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich wohl eher Mutti-Bloggern und anderen Frauen folge.
Virtueller Liebes-Overload
Na jedenfalls sind sie es, die herzzerreißende Worte unter die (perfekten) Bilder ihrer Kinder schreiben. Garniert mit jeder Menge Herzen, Sterne und allem, was sonst noch an kleine, wahnsinnig “liebenswerte Engel” erinnert. Und jedes Mal erwische ich mich dabei, wie ich versuche, den Sinn dieser Postings zu verstehen. Muss man natürlich nicht. Kann man auch einfach so stehen lassen oder abtun mit „Soll doch jede(r) machen, wie er mag!“ Wieso finde ich also diese Art von öffentlicher Liebe so befremdlich? Bin nur ich das, oder bleiben auch andere Mütter mit einem großen Fragezeichen beim Betrachten dieser Posts zurück? Wieso scheint es so verdammt wichtig, die unendliche Liebe zu seinem Kind öffentlich zur Schau zu stellen? Ist es nicht selbstverständlich, dass wir alle unsere Kinder lieben und wahnsinnig stolz auf sie sind?
Erst vor einigen Tagen las ich bei einer Insta-Mutter in der Story folgenden Satz: “You are the reason why i do all this” – so oder so ähnlich muss der Wortlaut gewesen sein, darüber ein Foto der kleinen Tochter. Die Mutter hat einen coolen Job, teilt ihr Leben hier und da auf Insta und erwähnt besonders häufig, dass sie in ihrer Tochter „die große Liebe ihres Lebens“ gefunden hat. Und obwohl ich die Muddi-Influencerin sympathisch finde und ihren Style mag, ist mir diese ganze Liebe einfach too much. Genau so, wie bei Paaren, die ständig erwähnen oder zeigen müssen, wie glücklich sie doch sind. Da werde ich meist dass Gefühl nicht los, dass da ganz dringend irgendetwas kompensiert werden muss. Anderen unbedingt beweisen, wie toll und einfach doch alles ist? Hand aufs Herz – wir Mütter wissen doch alle viel zu gut, dass es oft auch einfach nur anstrengend und nervig sein kann. Dazu wiederum liest man eher selten.
Instagram versus Real Life – mehr als ein Hashtag
Sind diese Liebesbekundungen also vielleicht gar nicht für andere, sondern auch ein Stück weit für einen selbst? Ein romantisches Szenario, was man sich beim Posten schafft, um sich selbst bei Laune zu halten? Das Bild vom letzten Wochenende aus dem Tierpark, als die Sonne noch schien, das Kind glücklich, die Arbeit nicht im Kopf, sondern im Büro auf dem Schreibtisch… sind das Erinnerungen, die schwierige Tage einfacher werden lassen? Schwarz-weiß Filter drüber, Herz drauf, Hashtag drunter und ab die Post. Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung. Zumindest die virtuelle. Nur so oder so ähnlich kann ich es mir erklären. Oder vielleicht auch eine Art schlechtes Gewissen, wenn der Job mal wieder die Oberhand ergriffen hat und man gleichzeitig weiß, dass die Zeit im Office total gut tut und angenehm ist. Weg vom Kind und für einige Stunden bei sich sein. Höchste Zeit für einen Post, es soll schließlich niemand denken, dass ich mein Kind für meinen Job vernachlässige. Geht es am Ende auch bei diesem Thema mal wieder nur um Vereinbarkeit?
The pressure is real
Weiter oben schreibe ich, dass ich solche Posts nur von Müttern kenne und je mehr ich mich auf Instagram und Facebook durchscrolle, wird meine Vermutung bestätigt. Männer müssen die Liebe zu ihren Kindern nicht beweisen. Warum? Weil an sie gar nicht solch eine große Erwartung gestellt wird, dass sie ihre Kinder so bedingungslos lieben müssen, wie wir Mütter es tun. Das klingt hart, sehr hart sogar. Liegt aber leider immer noch in der Natur der Sache und an sozialen Konstrukten, die abzulegen wir gerade noch lernen. Wenn der Vater sein Kind noch nie von der Kita abgeholt hat oder die ganze Woche bis spät abends arbeitet, würde sich niemand ernsthaft Sorgen über das Verhältnis zwischen Vater und Kind machen. Schließlich ist die Mutter ja da und fängt das alles auf. Mit ganz viel Liebe.
Andersherum leider immer noch unvorstellbar. Eine Mutter, die wochenlang auf Geschäftsreise ist und vielleicht sogar auch an den Wochenenden nicht zu Hause… „Wie kann sie das ihrem Kind nur antun? Vermisst sie ihren kleinen Schatz denn gar nicht?“ Würde ich leider auch denken. Traurig, aber wahr. Zusammenfassend kann man also sagen, dass der Druck für Mütter nicht nur größer ist, wenn es um Haushalt, Kindergeburtstage, Kita-Stuff, soziale Kontakte mit anderen Kindern und so weiter geht, sondern dass sie offensichtlich auch mehr lieben müssen. Am besten so offensichtlich, dass andere ein Like darunter setzen können.
Macht es wie eure Mütter
Sind Liebes-Postings also nur ein weiterer selbstauferlegtes Ritual für Mütter, die alles richtig machen wollen? Um selbsternannte Unzulänglichkeiten charmant zu kaschieren? Während ich diesen Artikel schreibe, merke ich wie aus Unverständnis langsam Wohlwollen wird. Die sozialen Netzwerken sind doch irgendwie auch nur ein weiterer Punkt auf unserer „Ich bin eine gute Mutter“-To-Do-Liste. Noch etwas, das wir richtig machen wollen, weil es schon fast zum guten Ton gehört.
Es ist aber noch nicht zu spät, sich von den virtuellen Mutterpflichten abzuwenden und die Liebe zu den Kids einfach in den eigenen vier Wänden zu zelebrieren. So wie unsere Mütter zum Beispiel! Die konnten ihre Liebe zu uns doch schließlich auch nicht mit der Welt da draußen teilen. Ich finde, das ist ein wahnsinnig schöner und entspannter Gedanke: Dass meine Mutter nicht ständig am Smartphone gehangen hat, um den perfekten Moment beim gemeinsamen Plätzchen backen einzufangen. Die schönen Erinnerungen daran sind mir schließlich auch so geblieben.