Plötzlich Schulkind. Wie sind die ersten Wochen?
Bei meinem Kind lief die Einschulung recht reibungslos und viele Dinge, die ich befürchtet hatten, sind nicht eingetreten. Das mit dem frühen Aufstehen war zum Beispiel wider Erwarten überhaupt kein Problem. Abends war er einfach so erschöpft, dass er viel früher und schneller einschlief, morgens war er so motiviert und aufgeregt, dass alles gut klappte. Ich war allerdings auch vorgewarnt: Die Lehrer:innen hatten im Vorfeld gesagt: “Es kann sein, dass sie ihr Kind nicht wieder erkennen. Nehmen sie sich in den ersten Wochen nicht viel vor am Nachmittag, ihr Kind wird erschöpft sein.” Und so kam es dann auch. Wobei, so halb. Nicht wiedererkannt habe ich mein Kind nicht, es war so drauf, wie es drauf ist, wenn es mit Situationen überfordert, nervös und ängstlich ist. Aber mir berichteten viele Eltern, dass es wirklich so war: dass das Kind plötzlich eine 180-Grad-Wendung machte. In jede mögliche Richtung. Es macht ja auch Sinn: Es passiert so viel in den kleinen Wesen in diesen Wochen. Sie müssen so viel Neues verarbeiten und adaptieren. Ein neues Kapitel Leben beginnt, das spüren sie und dieser Umbruch kann extrem fordernd sein. Viele werden schlagartig und sehr schnell und plötzlich sehr “groß” und vernünftig. Andere sind bockig, weinerlich, schlafen schlecht, sind anhänglich, nicht wenige nässen sogar plötzlich wieder ein. Darauf hatten in unserem Fall sogar auch die Lehrer:innen alle Eltern vorbereitet, sie rieten beim Elternabend, viel Wechselwäsche einzupacken und mit den Kindern auch darüber zu sprechen, was im Fall der Fälle getan werden soll. “Selbst Kinder, die sich noch nie in die Hose gemacht haben, machen das plötzlich wieder in den ersten Wochen”, sagte sie.
Seid also nicht überrascht, wenn euer Kind plötzlich Seiten zeigt, die ihr noch nicht kanntet. Seid verständnisvoll, begleitet. Und freut euch einfach, wenn es den Wechsel in die Schule gelassener nimmt, als erwartet!
“Es kann sein, dass sie ihr Kind nicht wieder erkennen”
Und wir haben dann auch wirklich sehr wenig unternommen in den ersten Schulwochen. Wir haben jeden Nachmittag einfach mal nichts gemacht. Vielleicht ein Eis, vielleicht kurz auf den Spielplatz um die Ecke. Aber keine Verabredungen, keine Treffen, die mit Wegen verbunden sind. Und das war gut so. Wie gesagt. Ich glaube, dass die ersten Wochen schon recht intensiv sind für die Kinder. So viel Neues, die ganzen Eindrücke, so viele neue Gesichter, die neuen Regeln. Es ist einfach viel. Deshalb macht es Sinn, es ruhig angehen zu lassen. Dann wird es für alle leichter. Ich habe eine Freundin, die zwei Wochen vor Schulanfang noch umgezogen ist und parallel einen neuen Job begonnen hat. Auch bei Marie war es ähnlich. Sie ist wenige Wochen vor der Einschulung umgezogen, drei Wochen danach wurde das zweite Kind geboren, sie war also bei der Einschulung hochschwanger. Manchmal ist das Leben so, man kann nicht alles planen. Aber in beiden Familien waren die ersten Wochen mit einem Schulanfängerkind ein ganzes Stück anstrengender als bei uns. Und ich finde ja immer, wenn man das genau so erwartet, also denkt: “Puh, das könnte jetzt anstrengend werden, ich bereite mich mal mental darauf vor”, dann kann man es vielleicht besser ertragen – oder man ist positiv überrascht, weil es vielleicht alles einfacher ist, als erwartet. Und wenn man es planen kann, würde ich persönlich nicht viel planen in diesen Wochen, sondern den Fokus auf “in der neuen Situation ankommen” legen.
Wenig Programm….
Sicher hat das alles auch mit dem Charakter des Kindes zu tun und auch mit dem Alter. Unsere Jungs waren beide fast sechseinhalb – das war genau richtig für sie. Andere Kinder sind erst fünf, manche schon sieben – und jedes Kind ist anders und kommt anders mit all dem Neuen klar. Manche sind schon sehr resilient und meistern das “mit links” – andere sind introvertiert, vorsichtig, ängstlich, brauchen einfach länger. Und dann hängt ja auch noch so viel vom Personal in der Schule ab! Bei uns war dieses, wie man sicher schon rausgehört hat, sehr feinfühlig. Ich kenne aber leider auch Kinder, die wirklich zu knabbern hatten, weil es schwer für sie war am Anfang und Lehrer:innen ihnen eher schroff begegnet sind und ihnen vermittelt haben, “sie sollen sich mal nicht so anstellen”. In solchen Fällen würde ich immer das Gespräch in der Schule suchen – und das Kind natürlich noch mal extra intensiv begleiten.
Was mir auch auffiel: Plötzlich bekommt man so wenig mit von dem Kind! In der Kita hatte man bei uns morgens und nachmittags immer noch mal mit den Erzieher:innen gesprochen, man wusste, wie der Tag so war, wer die Spielpartner:innen des Kindes sind, wie und was gegessen wurde – und so weiter. Kaum kommen sie in die Schule, wird das rasant weniger. Die ersten Tage bringt man sie vielleicht noch bis zum Klassenzimmer, bald nicht mehr. Bei uns wurde zumindest eindringlich darum gebeten, das möglichst bald nicht mehr zu machen – und bloß nicht, “hinter dem Baum zu lauern und heimlich ins Klassenzimmer zu schauen!” Da musste ich sehr lachen, das ist wohl wirklich schon vorgekommen. So schwer fällt es Eltern, die Kinder loszulassen! Aber selbst für mich, die ich mich in der Hinsicht für entspannt halte, war genau das auch nicht einfach. Ich gab das Kind morgens am Tor ab, holte es am Nachmittag im Hort. Die Lehrer:innen sah ich also nie. Und ich erfuhr wenig bis nichts von meinem Kind. Er erzählte NICHTS. Ich fragte mich: Mit wem spielt er? Was isst er? Wie läuft es mit dem Lernen? Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, in diesen Wochen abends mit viel Zeit das Gespräch zu suchen. Nicht mit den klassischen Fragen: “Und wie war’s?” (“Gut”), sondern mit Fragen wie: “Was war heute das Schönste, ist auch was Doofes passiert? Gibt es jemanden, den du besonders magst, gab es etwas, wovor du Angst hattest?” So habe ich langsam aber sicher bruchstückhaft ein Bild davon bekommen, wie es meinem Kind so geht, den ganzen Tag über. Und das hat mich enorm beruhigt und mir das “Loslassen” mit der Zeit viel leichter gemacht. Dazu kamen Elternabende und Emails der Lehrer:innen. Was auch gut war: sich mit anderen Eltern austauschen. So merkt man meist, dass Problemchen und Ängste normal sind – und das tut immer gut.
Freiheit? Überbewertet…
Und ansonsten? Ich hatte die Jahre vor der Einschulung auch immer sehr Respekt vor den Einschränkungen, die das für uns Erwachsene bedeutet: Reisen nur noch in den Ferien. Und in der Schule kann man eben auch nicht einfach mal so “blau” machen, wie in der Kita. Wir sind früher öfter mal gerne spontan zur Oma gefahren, oder haben mal ausgeschlafen und sind an den See, anstatt in die Arbeit und in die Kita gefahren. Die Privilegien der Selbstständigen, ihr wisst. Auch jeden Morgen ohne wenn und aber um 8 Uhr wo sein müssen, machte mir Angst, das entspricht nicht meinem Naturell und ich fühlte mich meiner Freiheit beraubt. Ein bisschen war es dann auch so. Aber es ist mir gar nicht aufgefallen. Tatsächlich fehlt mir das alles jetzt fast nie. Nur im Februar, wenn der Winter in Berlin schier unerträglich wird, wollte ich manchmal nach Thailand, wie früher. Aber das geht jetzt eben nicht mehr. Und es ist ja auch irgendwie nicht mehr zeitgemäß, um die Welt zu jetten. Insofern kam bei uns die Einschulung zu einem guten Zeitpunkt. Mir war klar, dass wir von da an weniger und eher innerhalb Europas reisen würden. Völlig okay so. Auch die anderen Einschränkungen haben mich selten mal gestört: Ich fand es meistens gut, dass ich nun schon so früh am Schreibtisch saß und früher ins Bett musste. Ich fand es okay, dass es von da an eben keine Ausnahmen mehr gab, sondern jeden Tag das gleiche Programm. Routine eben – das tut auch gut! Und bald kam ja dann auch Corona und es wurde eh alles anders, aber auch die ersten Monate “Normalbetrieb” habe ich nicht als einschränkend in Erinnerung.
Denn der Eintritt in die Schule hat ja auch so viele schöne Seiten: Die meisten Kinder lernen gerne, finden neue Freund:innen. Und man wächst ja auch so sehr daran, sich in einem neuen Umfeld zurechtfinden zu müssen, auf neue Menschen zu zugehen und sich an neue Regeln anpassen zu müssen. Das zu beobachten macht Freude. Und ich bin jeden Tag fast geplatzt vor Stolz und Rührung, wenn mein Kind, das eben noch so klein und bedürftig war, aufrechten Hauptes alleine mit diesem riesigen Ranzen in die Schule stolziert ist. Mir kamen regelmäßig die Tränen! Denn ich erinnere mich selbst noch so gut an meine Grundschulzeit. Und weiß noch, wie verwirrend und überwältigend das manchmal war – man ist halt doch noch so klein. Aber ich weiß auch, was ich in diesen Jahren alles gelernt und geschafft habe. Das mit den Kids wieder zu erleben, sie dabei zu beobachten und zu begleiten – das ist es alles wert, finde ich.
Für alle, die es schon hinter sich haben: wie habt ihr die erste Zeit nach der Einschulung wahrgenommen? Krass? Oder alles halb so wild…?