Als wir euch fragten, welche Themen wir hier mal (wieder) behandeln sollen, war eine Sache ganz weit oben: Abstillen! Und natürlich ist dieser Prozess bei jeder Familie ein anderer, Kinder sind unterschiedlich, Eltern auch. Aber uns geht es oft so, dass wir von Erfahrungsberichten viel mitnehmen – deshalb danken wir heute Helene, die ihre Abstill-Geschichte mit uns teilt!
Little Tipps: (Klein)Kinder und große Brustfans abstillen
Vor dem Abstillen kommt erstmal das Stillen, also ein paar Worte zu unserer Still-Geschichte:
Ich wollte immer Mutter werden, möglichst bedürfnisorientiert, alles ganz natürlich, im Flow und wie es mir eben in den Genen liegt. HAHAHA!!! Ihr könnt euch vorstellen, wie das gelaufen ist.
Dazu gehörte für mich auch, na klar, Stillen. Gerne zwei Jahre lang, weil wegen „das ist das Beste fürs Kind“ usw. Wie das für mich werden könnte und welche unheimliche Belastung Stillen sein kann, daran hatte ich nicht gedacht.
Der Stillstart war dann, wie bei so vielen Müttern, überhaupt nicht im Flow, sondern, ganz ehrlich, scheiße. Mein Sohn verlor rasant an Gewicht, nahm nicht wieder zu und schien eigentlich 24/7 nur schlafen zu wollen (keine Sorge, letzteres änderte sich drei Wochen nach der Geburt drastisch). Also ran an die Pumpe und zwar zusätzlich zum Stillen. Zwischen Pumpen, Stillen und der Flasche blieben dann gerne geschmeidige 30 Minuten Pause und zwar sowohl tagsüber, als auch nachts.
Nach drei Wochen völliger Verzweiflung, die am Ende zu einer knackigen Wochenbettdepression führte, war der Berg überwunden und Stillen unser neuer Teamsport. Im Nachhinein wünsche ich mir, dass ich milder mit mir gewesen wäre und zur Pre-Milch gegriffen hätte, zumindest ergänzend zum Stillen.
Ich habe so verbissen an meinem Still-Plan festgehalten, dass ich dafür das große Opfer meiner mentalen Gesundheit im Wochenbett gezahlt habe. Schade.
Na gut, mein Sohn und ich hatten uns fürs Stillen entschieden und für ihn war das eine Einbahnstraße. Ich habe bis heute keinen größeren Still-Fan erlebt als meinen Sohn. Hunger, Trauer, Müdigkeit, für alles gab es nur eine Lösung: Meine Brüste! Er stillte sich in den Schlaf, aus stundenlangen Schreiattacken heraus und ins Leben hinein. Ich bot stundenlang allerlei Alternativmöglichkeiten zum Einschlafen ein, doch nach Wochen des Dauer-Schreiens gab ich nach und wir verbrachten wunderbare Monate auf dem Bett liegend beim Einschlafstillen. Ja, es war ein Segen. Ich war mir bewusst, dass das wahrscheinlich einen anstrengenden Abstill-Prozess nach sich ziehen würde, aber ganz ehrlich: es war mir egal. Mein dauer-schreiendes High-Need-Baby schlummerte nun friedlich innerhalb weniger Minuten ein und ich hatte viele ruhige Stunden, neben ihm liegend im Bett. Das Stillen war meine Rettung!
Einziger Haken: Stillen konnte nur ich. Was auf der einen Seite die Rettung und ein Segen war, machte auf der einen Seite meinen Sohn und mich völlig untrennbar. Nach ein paar Monaten konnte ich mal 2-3 Stunden weg, mehr ging aber nicht. Ich war also Tag und Nacht für ihn verantwortlich und es gab wenig Pausen. Eine Flasche brüllte er auch nach wochenlangem Versuchen nur an – keine Chance.
Mit der Beikosteinführung nach 6 Monaten änderte sich: NICHTS. Unser Sohn schaute das liebevoll zubereitete Essen fröhlich an, dachte aber gar nicht daran, es als Mahlzeit zu werten. Sowohl Brei als auch BLW, nein danke. Selbst die Taktik, dass ich mehrere Stunden die Wohnung verließ und der Papa das Füttern übernahm, fruchtete nicht. Unser Sohn hungerte lieber den halben Tag und bediente sich dann glücklich an der Brust. Ich nahm sogar eine Ernährungsberatung wahr, kaufte unzählige Beikost-Bücher, nichts half. Bis heute (er ist knapp 3,5 Jahre alt) ist Essen für unseren Sohn mehr Pflicht als Kür – und ein Übel, das man im Alltag eben so unterbringen muss.
Also stillte ich weiter und weiter und weiter. Ich hatte geplant, 18 Monate in Elternzeit zu gehen (bedürfnisorientiert und so), ich war als Ernährerin also sowieso immer frei zur Verfügung. Juchhu!
Nach neun Monaten Dauer-Stillen, Tag und Nacht war ich am Ende. Also (Trommelwirbel)…
Abstillversuch Nr. 1: Ich wurde zu dem Zeitpunkt in der Nacht ungefähr jede Stunde geweckt zum Nuckeln und ging auf dem Zahnfleisch. Ich belas mich also (Google…) zum nächtlichen Abstillen und entschied folgende Taktik: Sohn und Papa im Schlafzimmer im großen Bett, ich im Gästezimmer. Da unser Sohn erst neun Monate war und bis zu dem Zeitpunkt ca. 10 Mahlzeiten nachts einnahm, sollte die Entwöhnung etwas entradikalisiert laufen. Mein Partner durfte zweimal pro Nacht mit unserem Sohn zu mir kommen, ich würde ihn stillen und anschließend wieder zum Papa ins Bett legen.
Das Ganze war ein Reinfall. Nach etwa zwei Wochen Dauer-Schreien, in denen keine(r) von uns Schlaf bekam, gaben wir auf, ernüchtert.
Tatsächlich gab es aber dennoch einen Teilerfolg zu verzeichnen: War unser Sohn vorher jede Stunde gekommen, meldete er sich nun eher alle 2-3 Stunden. Ich fühlte mich wie im Spa! Als er dann mit eineinhalb Jahren in die Kita kam, lebte er noch immer zu mindestens 50% von meiner Milch. Das war tatsächlich mit dem Kita-Alltag easy zu vereinbaren. Gestillt wurde eben vor und nach der Kita und (noch mal! Juchhu!) nachts.
Also starteten wir Versuch Nr. 2: Dieses mal belegte ich einen Online-Kurs zum Thema „Kleinkinder abstillen“ (den ich nicht besonders dolle fand und deswegen nicht namentlich erwähne) und fand mich bestens vorbereitet. Ich beschloss, den Versuch dieses Mal ohne meinen Partner durchzuziehen. Es war die Stillbeziehung zwischen meinem Sohn und mir, also würden wir beide diese auch beenden. Ich erklärte ihm lang und breit, schon Tage vorher, dass ab jetzt nur noch im Wohnzimmer gestillt werden würde und nicht mehr im Schlafzimmer. Das Stillen tagsüber störte mich deutlich weniger, als die durchwachten Nächte, also beschloss ich, ersteres zunächst beizubehalten und die Nächte in Angriff zu nehmen. Das Stillen zu 100% zu beenden, erschien mir sowohl für meinen Sohn als auch für meine Brüste etwas zu radikal. Ich hatte von meinen Freundinnen die Information bekommen, dass wir drei harte Nächte vor uns hätten und, sollte ich konsequent bleiben, danach das Abstillen vollendet wäre.
Mein Sohn sah das anders. Vier Wochen lang „zog ich durch“, trug ihn stundenlang nachts auf dem Arm durchs Zimmer, bot ihm warme Hafermilch und Joghurt an (seine Leibspeise), redete ihm gut zu, schunkelte, sang, lag kuschelnd mit ihm im Bett, nur damit er nach 30 Minuten Schlaf wieder erwachte und das gleiche von vorne begann. Wir stillten tagsüber ausgiebigst, der Bindungstank (ein persönliches Hass-Wort meinerseits) wurde bis zum Überlaufen gefüllt, es war alles egal. Ohne Brust kein Schlaf. Nach einem knappen Monat mit ungefähr zwei Stunden Schlaf pro Nacht warf ich das Handtuch. Mein Sohn stürze sich freudig auf die Brust und wir schlummerten seligst ein.
Versuch Nr. 3 des nächtlichen Abstillens folgte dann ein paar Monate nach seinem 2. Geburtstag. Dieser war nun gar nicht aus der Schlaf-Not geboren, denn zu diesem Zeitpunkt weckte mein Sohn mich nur noch 2-3-mal pro Nacht, was mir herrlich erschien.
Eines morgens wachte ich auf und wusste einfach: Ich bin fertig! Danach gab es kein Zurück mehr.
Ich teilte meinem Sohn die Entscheidung mit und pfiff dieses Mal auf wochenlange Vorbereitung: Heute Nacht würde es keine Brust mehr geben, fertig. Ich las ihm abends kuschelnd vor, trug ihn aber nicht im Zimmer herum oder schunkelte ihn auf meinem Arm.
Denn, was auch immer die neue Einschlagbegleitung wird, es muss etwas sein, das man stundenlang durchhalten kann, ohne halb umzufallen. Wir lasen und lasen und lasen also, ein Buch nach dem anderen. Mein Sohn wurde natürlich sauer, beschwerte sich lautstark. Ich erklärte, dass das Stillen nachts beendet sei, weil ich das so wolle. Ich hatte nicht das Bedürfnis weitere Gründe zu nennen. Ich wollte nicht mehr, fertig. Ich war sehr klar. Das Einschlafen dauerte bestimmt zwei Stunden, aber es war geschafft! Nachts gab es viele laute Tränen, das war unheimlich anstrengend. Ich hatte mich aber entschieden: das Stillen war vorbei. Ich kuschelte meinen Sohn also, las ihm auch nachts vor, nahm ihn ganz fest in den Arm und nach Stunden schlief er wieder ein. Ein paar Mal stieg er aus dem Bett aus und lief wütend durchs Zimmer. Ich holte ihn dann wieder ab und kuschelte mich mit ihm ins Bett. So ging es dann einige Nächte weiter, wurde aber jedes Mal einfacher. Nach einer Woche waren die neuen Rituale akzeptiert. Es dauerte dennoch einige Wochen, bis das nächtliche Abstillen eine wirkliche Erleichterung bedeutete. Also, bis das abendliche Einschlafen und nächtliche Wiedereinschlafen mit der gleichen Leichtigkeit von Statten gingen, wie mit dem Stillen.
Irgendwann brauchten wir dann nur noch ein Buch abends und das nächtliche Aufwachen beschränkte sich auf höchstens ein Mal. Das Abstillen tagsüber ging dann tatsächlich „von selbst“. Ich reduzierte hier und da, lenkte ab, bot stattdessen Essen an. Das Stillen nach der Kita blieb lange noch, fast bis zum dritten Geburtstag und wurde dann durch Kuscheln mit Brust anfassen ersetzt. Als ich wenige Wochen später schwanger wurde, beendete ich das „Brust kuscheln“ genauso klar und konsequent, wie das Stillen zuvor.
Mein Sohn ist noch immer der größte Brust-Fan, den ich kenne. Steige ich nackt aus der Dusche oder ziehe mich um, so läuft er zu mir und versucht mich anzufassen. Gestern noch sagte er zu mir „Mama, wenn ich mal groß bin, möchte ich auch so schöne Brüste wie du haben“ :)
Meine zusammengefassten Tipps für das Abstillen von großen Brustfans:
-Sich von niemandem den Zeitpunkt vorgeben lassen, als von sich selber! Weder von Freundinnen (bei denen es ganz easy geklappt hat), noch von der Familie, vom Partner, der Kita oder dem Kinderarzt. Die Entscheidung muss man selbst treffen, ist man sich unsicher, so hat man nie die Klarheit, die man (vor allen nachts) seinem Kind gegenüber braucht.
-Sich genau überlegen, warum man abstillen möchte! Als ich merkte, dass ich keine Nacht länger mehr, alleine die Verantwortung für unseren Still-Meister tragen kann, hatte ich die nötige Energie, um das anstrengende Abstillen zu schaffen.
-Sich nicht von gescheiterten Versuchen entmutigen lassen! Ich habe aus allen Abstillversuchen etwas gelernt. Manchmal passt der Zeitpunkt evtl. auch nicht und schon 1-2 Monate später klappt es. Es ist kein Versagen, einen Schritt zurückzugehen und noch mal anzufangen.
-Sich selber belohnen! Ich habe mir in der Abstillzeit viel gegönnt. Für mich hieß das Massagen,
Pediküre, lange Treffen mit Freundinnen. Das Abstillen ist auf allen Ebenen anstrengend und um die Kraft zu haben, tut es gut sich zu verwöhnen.
-Neue Einschlafrituale suchen und schaffen, auf die man Lust hat. Bei uns war es das Vorlesen,
denn das mache ich unglaublich gerne. Mir war es hier wichtiger, dass ich darauf Lust habe, als dass mein Sohn es super toll findet. Wäre es nach ihm gegangen, so hätte er wahrscheinlich rumgetragen oder im Buggy rumgefahren werden gewählt, aber das hätte ich eben nicht stundenlang „durchziehen“ können.
-Stolz auf sich sein! Durch die vielen gescheiterten Versuche und aufgrund der Tatsache, dass man als Langzeitstillerin ja doch meistens eher alleine ist im Freundes- und Bekanntenkreis kamen bei mir viele negative, ja sogar Schuld- und Versagensgefühle bzgl. des Stillens auf. Also, dass ich früher hätte Abstillen sollen, dass es allein meine Schuld sei, dass mein Sohn so an mir hängt, usw. Dabei hatte ich ganz vergessen, dass ich die letzten Monate und Jahre eine tolle Leistung erbracht hatte und unheimlich stolz auf mich sein konnte!
Anfang nächsten Jahres erwarten wir unser zweites Kind. Zwischen „ich stille dieses Mal gar nicht“ und „ich stille wieder 2 Jahre lang“ waren bisher schon alle Gedanken und Gefühle dabei. Insgesamt möchte ich nicht noch einmal so lange stillen, da es ein unheimlicher Kraftakt war und ich dadurch viel von mir (auf)gegeben habe.
Aber: ich fühle mich freier in der Entscheidung, habe kein schlechtes Gewissen.
Flasche? Toll! Kurz Stillen? Toll! Lange Stillen? Toll! Abstillen? Schaffe ich!
Foto: Helena Lopes