Let’s talk about: Wie lange sollte man zusammen sein, bevor man Eltern wird?
Keine Ahnung, woher diese ausgedachte Theorie kam – und zum Glück bin ich heute schlauer. Trotzdem merke ich, wie ich immer noch zusammenzucke, wenn frisch verliebte Paare nach kurzer Zeit ihre Schwangerschaft verkünden. Seid ihr euch sicher? Kennt ihr euch denn wirklich schon gut genug? Und wieso genießt ihr denn die Zeit zu zweit nicht erst mal in vollen Zügen? Das spreche ich natürlich nicht laut aus. Aber wie lange sollte man denn nun am besten zusammen sein, bevor man ein Kind plant? Ich bin hin- und her gerissen…
Positiver Schwangerschaftstest als Urlaubs-Souvenir
Auf dem Weg zum Erwachsenwerden habe ich die wildesten Geschichten miterleben dürfen: Der gute Freund, der ein hübsches Mädchen völlig spontan mit in den Urlaub nimmt, weil er sie schon immer toll fand – und sich auf zwei Wochen unverfänglichen Spaß freut. Den Spaß bekam er, inklusive sonnengebräunter Haut und einem positiven Schwangerschaftstest. Upsi. Beide sind nicht gerade begeistert von ihrem Urlaubs-Souvenir, wollen es aber gemeinsam probieren und ziehen zusammen. Schon kurz nach der Geburt zeichnet sich ab: Das wird nicht gut gehen. Mittlerweile läuft die Kommunikation nur noch über das Jugendamt. Mehr als eine körperliche Anziehung gab es zwischen den beiden nicht. Werte und Vorstellungen lagen sehr sehr weit auseinander. Unglaublich schade. Aber es geht auch anders, wie die wunderbare Geschichte einer Freundin zeigt. Karneval vor ca. zehn Jahren. Sie hat Liebeskummer und möchte sich nur ein bisschen ablenken, nimmt einen Mann im Matrosenkostüm mit nach Hause und wird in der selben Nacht noch schwanger. Das Entsetzen ist groß, schließlich weiß sie noch nicht mal, wie er ohne aufgemalten Schnurrbart aussieht. Die Freundin ist damals Mitte 30 und es gibt keinen Grund für sie, das Kind nicht zu bekommen. Beste Entscheidung ever – mittlerweile sind die beiden verheiratet und haben noch ein zweites Kind bekommen. Manchmal passt es eben doch, noch bevor man sich überhaupt richtig kennt. Aber ist das nicht doch eher die Ausnahme als der Regel?
Hilft die rosarote Brille gegen Müdigkeit?
Vorspulen, zehn Jahre später, ich bin seit 2,5 Jahren Mutter und meine Meinung hat sich nur bedingt geändert. Mein Freund und ich waren knappe acht Jahre zusammen, als unser Sohn zur Welt kam. Jetzt sind es also schon über 10 Jahre. Ich dachte, wir haben die besten Vorraussetzungen: Wir kennen uns besser als jeden anderen, haben schon ganz andere Kinder geschaukelt (Krankheiten, Seitensprünge bzw. den Wechsel zur offenen Beziehung, finanzieller Kram, Family Stuff usw.) und können ganz wunderbar über alles miteinander reden. Und trotzdem hat uns die Realität ganz schön hart getroffen. Über die klassischen Stolpersteine im ersten Jahr habe ich bereits hier geschrieben. Wieso wirft einen das Leben mit Kind dann doch noch mal so ins kalte Wasser? Liegt das nur an uns – oder geht das allen so? Und spielt es am Ende eine Rolle, wie lange und gut man sich kennt, oder werden die Karten eh noch mal komplett neu gemischt?
Vielleicht hilft ja tatsächlich die rosarote Brille dabei, über ganz vieles hinweg zu sehen, was den Alltag und somit auch die Beziehung an manchen Stellen killen kann. Scheinbare Unzulänglichkeiten, schlechte Laune durch Müdigkeit, Unstimmigkeiten in der Erziehung – alles nur halb so wild, wenn man zusammen mit dem gemeinsamen Kind auf Wolke sieben schwebt? Ist der Absturz, von da oben etwa viel weicher und wohlwollender? Ist man weniger streng und vorsichtiger miteinander, wenn man sich noch nicht in- und auswendig kennt?
Wie gut muss man sich für ein „für immer“ kennen?
Ich bin dennoch eher pessimistisch, wenn mich Schwangerschafts-News von Paaren erreichen, die sich gar nicht mal so lange kennen. Am liebsten würde ich laut schreien: „Nein, stopp! Ihr seid doch gerade noch so schön frisch verliebt! Wartet doch noch mit dem Kinder kriegen! Danach wird alles anders sein, die Leichtigkeit ist weg, die sogenannte Romantik auch erst mal und überhaupt ist alles anders. Geht feiern, fliegt irgendwohin, genießt eure Freiheit. (Zumindest wenn das irgendwann wieder möglich ist)“ Aber ich halte natürlich meinen Mund. Wem hilft meine Klugscheißerei schon? Zumal ich den Impuls, ein gemeinsames Kind zu kriegen, wenn man so richtig doll und frisch verknallt ist, natürlich total verstehen kann. Man möchte sich fortpflanzen, sich so nah sein, wie es geht. Aus Zwei Drei machen, eine Familie sein, ein „Für immer“ draus machen. Aber da sind wir wieder am Ausgangspunkt: Sollte man sich für dieses „Für immer“ nicht doch etwas besser kennen?
Eine Antwort wird es auf diese Frage ziemlich sicher nicht geben. Dafür sind wir zu unterschiedlich. Vorstellungen, Ansprüche, Ziele gehen bei diesem Thema weit auseinander. Zum Glück! Es gibt eben keine Richtlinie und jeder darf selbst entscheiden, wann er bereit dafür ist, Eltern zu werden. Zumal es bei einigen Paaren, wie oben beschrieben, kleine Unfälle gibt, die das ganze Prozedere beschleunigen. Andere Paare wiederum müssen ein paar Jährchen extra Runden drehen, weil es mit dem Kinder kriegen eben doch nicht direkt so klappt, wie gedacht. Das Leben mit Kind wird wohl so oder so immer eine Herausforderung sein. Egal, wie lange man vorher zusammen war.
Ich sollte einfach aufhören, mir Gedanken für andere zu machen und den Impuls, einen Herzensmenschen „warnen” zu wollen, komplett ignorieren. Ihr wollt Kinder? Großartig, go for it! Macht eure Erfahrungen selber!
Aber sagt am Ende nicht, ich hätte euch mal besser warnen sollen;-)