Rhythmus, Konsequenz und Rituale – echt SO wichtig?

Immer wieder freitags… posten wir einen Artikel aus dem Archiv! Dieser ist fünf Jahre alt – aber immer noch aktuell. Denn für viele Eltern sind die Themen Rhythmus und Rituale (und diese konsequent durchziehen) essenziell. Aber muss es sein, wenn es nicht sein muss? 

Ich bin mittlerweile seit vielen Jahren Mutter und obwohl unser Alltag meistens recht reibungslos läuft und unsere Kinder ziemlich entzückend und vorzeigbar sind, gibt es immer noch Themen, die mich unruhig machen, die mich zweifeln lassen.

Es steht zum Beispiel wirklich ÜBERALL geschrieben, man müsse oder solle seinen Kindern möglichst früh einen anständigen Schlafrhythmus angewöhnen, sollte jeden Abend das gleiche Bettritual durchziehen und in jedem Fall konsequent sein. Das würde den Kindern Sicherheit geben und dann würde es für alle Beteiligten einfacher werden. Da denke ich immer: haben wir nie gemacht. Nie. Bei beiden Kindern nicht!

Mir war beim ersten Kind zwar Rhythmus noch wichtiger, ich habe immer versucht, ihn ungefähr zur gleichen Zeit zum Schlafen zu bringen. Als Baby ging das auch noch ganz gut. Später war mir vor allem wichtig, dass er überhaupt schläft – und am liebsten war es mir, wenn er das ganz selbstverständlich überall tat. Hat er auch meistens. Im Buggy, am Strand, im Auto, auf meinem oder Papas Arm. Wir waren nie um 12 Uhr mittags für den Mittagsschlaf zuhause – und wenn, dann klappte es meistens genau an dem Tag nicht. Wie oft habe ich mich gestresst, wenn das Kind nicht mittags schlafen wollte. Manchmal bin ich extra noch mal zwei Runden um den Block gelaufen, damit es einschläft. Um es dann nach einer halben Stunde wieder (unter Protest natürlich!) zu wecken, denn eigentlich war es ja wieder zu spät. Irgendwann hörte ich einfach damit auf.

Schlafen, wenn man müde ist

Bei Kind Nummer 2 habe ich erst gar nicht damit angefangen. Dieses Kind hat einfach von Anfang an geschlafen, wenn es müde war. Ich schaute nie auf die Uhr, nur auf das Kind. Wenn es müde wirkte, oder überreizt, dann habe ich es in den Schlaf geschuckelt. Morgens und abends und zwischendurch auch.

Irgendwann in der Zwischenzeit sind auch unsere Einschlaf-Rituale durcheinander geraten. Damit habe ich es am Anfang ebenfalls noch sehr genau genommen: jeden Abend das Gleiche…: Baden, Schlafanzug, Zähne putzen, Vorlesen, Kuscheln… Spätestens mit dem zweiten Kind war hier auch der Wurm drin: Es wurde wirklich jeden Abend was anderes gemacht – und so ist es bis heute. Gut, die Zähne werden immer geputzt und die Schlafanzüge angezogen auch, wir sagen uns immer, dass wir uns lieb haben und die Kinder werden – wenn gewünscht – in den Schlaf begleitet. Aber sonst? Manchmal lese ich beiden Kindern was vor, manchmal Papa dem einen und ich dem anderen Kind. Manchmal lese ich fünf Bücher, manchmal nur eins. Manchmal auch keins und es gibt ein Hörspiel, manchmal dürfen sie Sandmann schauen, manchmal auch zwei Folgen. Das Gute: sie waren immer so flexibel dadurch! Wenn es mal anders lief als zuhause, zum Beispiel im Urlaub oder bei den Großeltern, war das nie ein Thema. Das Schlechte: wenn irgendwas blöd lief: ein Kind schlecht schlief oder schlecht einschlief, dann dachte ich immer: Hätten wir das konsequenter durchgezogen, wäre es vielleicht anders. Aber ich werde natürlich nie herausfinden, ob das überhaupt stimmt…

Spät ins Bett…

Im letzten Sommer ist auch das mit den Schlafenszeiten völlig aus dem Ruder gelaufen: Die Kinder waren ohne Witz selten vor 22 Uhr im Bett. Wir fanden das aber gar nicht schlimm: In Berlin ist es im Juni und Juli bis nach 22 Uhr hell, so konnten wir wenigstens lange mit den Kindern draußen bleiben, sie waren oft bis in die Puppen im Restaurant und bei Freunden im Garten mit dabei, und weil sie das ja gewohnt sind, haben sie das auch gut mitgemacht. Nach solchen langen Abenden gab es übrigens meistens gar kein Ritual mehr, die Kinder sind im Auto eingeschlafen oder todmüde ohne Geschichte ins Bett gefallen. Morgens konnten wir sie schlafen lassen, unsere Kita ist recht entspannt, wir können bis 9:30 bringen. Es ging uns allen immer gut dabei und heimlich dachte ich sogar manchmal: Was für ein Quatsch, das mit dem Rhythmus. Mit meinen Kindern kann man ausschlafen, abends am Leben teilhaben… Ich habe die Eltern, deren Kinder um acht Uhr müde werden, und die aber auch morgens immer um sechs wach sind, kein bisschen beneidet.

Aber gewurmt hat es mich trotzdem: weil man das ja so macht, weil so viele darauf bestehen, dass es so sein muss und weil eine Stimme im Kopf immer sagte: Die Schule! Bald geht die Schule los!!

Aus dem Bekannten- und Familienkreis kamen bissige Stimmen: “Das wird euch auf die Füße fallen.” “Ihr habt das sechs Jahre lang vernachlässigt, das lernt der jetzt nicht mehr, das wird RICHTIG schlimm werden mit dem frühen Aufstehen.” Ich hatte wirklich Angst und dachte auch oft: Viele Dinge habe ich gut hinbekommen mit den Kindern, das mit dem Rhythmus und den Ritualen habe ich total verbockt.

Muss man nicht sechs Jahre lang üben!

Es kam die erste Schulwoche (mittlerweile haben wir bereits einige hinter uns) und siehe da: NÖ. Man muss das nicht sechs Jahre lang lernen. Mein Kind war nun abends einfach früher müde, die Schule ist ja auch anstrengend. Wir rissen uns zusammen, aßen früher zu Abend, Kinder um acht ins Bett – fertig. Kein Problem morgens gehabt. Passenderweise begann die kleine Schwester genau zeitgleich, den Mittagsschlaf zu streichen, auch sie ging nun abends früher uns Bett und schlief vor allem sehr schnell ein. So hat sich das ganz von selbst eingependelt, völlig ohne Druck und ohne irgendjemandem etwas gegen dessen Naturell aufzudrücken. ICH war allerdings etwas platt in dieser ersten Woche, die Anspannung fiel von mir ab – und naja – ein bisschen früher ist es eben doch, plus der Druck morgens pünktlich zu sein, der stresst mich etwas.

Aber dennoch lautet mein Fazit: Rituale und Rhythmus sind super. Wenn sie der Familie gut tun, sind sie sicher auch für die Kinder eine tolle Sache. Wenn nicht, dann nicht. Wir ticken einfach anders, wir mögen es gerne flexibel, arbeiten auch so und sind eher Eulen statt Lerchen. Jede Familie findet ihren Weg, und wir sind immer wunderbar ganz ohne festen Rhythmus ausgekommen. Ich kenne viele Eltern von kleinen Kindern, die sich so dermaßen stressen wegen des RHYTHMUS und Pläne haben und Zeiten einhalten (siehe dieser Plan, die Amis sind ja – wie immer – noch ein bisschen krasser). Wenn das gut klappt und Sicherheit gibt, dann ist das toll, aber wenn es eigentlich eher stresst: Muss es denn unbedingt sein? Etwas anderes ist es natürlich, wenn beide Eltern früh im Büro oder auf der Arbeitsstelle sein müssen und man die Kids eben auch Punkt 8 oder früher in der Kita abgegeben werden müssen – dann ist mehr Rhythmus wichtig.

Jetzt, wo diese Routine dank der Schule notwendig ist, fällt sie uns aber auch nicht schwer. Unserem Kind übrigens auch nicht und ja, ich gebe zu: es ist auch ganz schön, mal früh Feierabend zu haben und morgens schon um 8:30 im Büro zu sitzen. Ich mag unser neues Leben, auch wenn ich noch manchmal tagsüber müde bin.

Aber ich bin auch dankbar dafür, dass ich das alles viele Jahre lang flexibler halten konnte…

Wie seht ihr das? Haltet ihr konsequent Zeiten ein oder eher nicht so?