Kinderhaben anderswo – Vanessa in Spanien

Vanessa ist 32 Jahre alt, im Juni 2018 wurde ihr Sohn Hugo geboren. Hugos Vater ist Spanier und die kleine Familie lebt in der Innenstadt von Madrid. Derzeit ist sie noch in Elternzeit und genießt das in vollen Zügen. Was sie auch genießt: Madrid! Laut Vanessa eine ganz wunderbare und vor allem kinderfreundliche Stadt. Wie ihr Alltag so aussieht, wie Schwangerschaft und Geburt waren und wie Kinderhaben generell in Spanien ist - erzählt uns Vanessa heute, danke dafür!

Der Umzug

Ich arbeite als Marketing-Beraterin in einem großen Unternehmen und konnte relativ einfach eine Versetzung in das Büro nach Madrid anfragen. Dort arbeite ich auf Englisch und war somit nicht auf fließendes Spanisch angewiesen, was für den Anfang gut war, da mein Spanisch noch ziemlich ausbaufähig war. Nachdem wir eine Zeit lang eine Fernbeziehung zwischen Madrid und Frankfurt geführt hatten, zog ich 2017 also nach Spanien. Mittlerweile spreche ich die Sprache gut und kann unser Leben zwischen Kinderarztbesuchen und Klempner gut bestreiten. Der Anfang war jedoch nicht leicht. Mit meinem Freund spreche ich Englisch, sodass ich weder im Büro noch zu Hause Kontakt mit der spanischen Sprache hatte und mir alles „on the go“ aneignen musste. Da das Englischniveau der Spanier eher durchwachsen ist, je nachdem mit wem man spricht, waren die meisten hier jedoch von Anfang an dankbar, wenn man es auf Spanisch probierte und hatten eine Engelsgeduld, während ich mich am Subjonctivo probierte. Mit unserem Sohn sprechen wir Spanisch und deutsch, kann jedoch gut sein, dass er auch den einen oder anderen Brocken Englisch mit aufschnappt, da das nach wie vor die Sprache ist,  auf der wir uns zu Hause unterhalten.

Wie wir leben

Wir leben in einer schönen 3-Zimmerwohnung mit Dachterrasse in einem Haus aus den 60er Jahren in der madrilenischen Innenstadt. Die Hausgemeinschaft ist bunt gemischt, wobei Hugo den Altersdurchschnitt deutlich gesenkt hat. Wie in fast jedem madrilenischen Haus haben wir einen Portier (Portero), der mir jeden Morgen hilft, den Kinderwagen aus dem mikroskopisch kleinen Aufzug die Treppen herunterzutragen. Was mich von Anfang an an Madrid fasziniert hat, waren die breiten Alleen, der wunderschöne Retiro Park, überall stehen Springbrunnen und alles wirkt so herrlich pompös. Man merkt, dass Spanien nicht zum Opfer des zweiten Weltkriegs wurde. Und natürlich: Das Wetter! Bis auf die sehr heißen Sommer ist das Wetter hier wunderbar und der Himmel in Madrid ist dafür bekannt, immer strahlend blau zu sein. Die Spanier essen für ihr Leben gerne und jede gute Unterhaltung dreht sich mit Sicherheit zu einem bestimmten Zeitpunkt um Essen. Während schon kleine Kinder treffsicher zwischen Cigala, Gamba, Carabinero, Langostino und Gambon unterscheiden, stand ich zu Anfang völlig überfordert neben meinem Freund am Fischstand. Es ist sowieso besser, ihm das Zepter beim Kochen zu überlassen, da er ein sehr guter Koch ist. Hier geht’s zu seinem Instagram-Account!

Schwangerschaft

Im Geburtsvorbereitungskurs im örtlichen Gesundheitszentrum war ich mit 32 eine der jüngsten werdenden Mütter. Das liegt vor allem daran, dass Spanien neben Italien zum einen die wenigsten Kinder im EU-Vergleich bekommt, und zum anderen sind die Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes überdurchschnittlich alt. Die Familienplanung wird in Spanien, insbesondere in der Hauptstadt, später und vorsichtiger angegangen. Rational nämlich: nachdem man sich finanziell abgesichert hat und emotional: nachdem man sich noch einige Jahre hedonistisch dem Ausgehen, guten Essen und sozialen Leben hingegeben hat. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote bei etwa 15%, während der Schuldenkrise lag sie teilweise bei 26%. Viele Spanier ziehen daher auch erst mit 30 von zuhause aus, Wohnen – insbesondere in den großen Städten – ist teuer, sodass ein Kind in dem Alter noch keine großen Reize ausübt. Beim Kinderkriegen suchen sich Paare hierbei auch oft Hilfe. Rein subjektiv sieht man hier sehr viele Zwillingskinderwägen auf den Straßen und Kinderwunschkliniken finden sich an jeder Ecke. Fruchtbarkeitsbehandlung ist zwar kein Thema, mit dem man ein Gespräch beginnt, wird aber auch nicht tabuisiert. Paare gehen relativ offen mit der Tatsache um, sich Hilfe geholt zu haben.

Schinken (Jamón) spielt hier eine große Rolle. Ich wurde im ersten Trimester darauf getestet, ob ich schon einmal Toxoplasmose hatte. Da der Test negativ war, musste ich also aufpassen und hatte Schinkenverbot. Schwierig war das vor allem beim Mittagessen auf der Arbeit, da eigentlich überall Jamón drin ist! Bevor ich im Büro gesagt habe, dass ich schwanger bin, wurde ich von meinen Kollegen deshalb sehr kritisch beäugt. Eine Deutsche die den geliebten Jamón verschmäht ist erst mal suspekt. Irgendwann habe ich dann gesagt dass ich Jamón eigentlich super finde, aber schwanger bin und die Freude war groß!

Zur Geburt hat mir die Mutter meines Freundes dann feinsten Jamón de Bellota mit ins Krankenhaus gebracht, Schinken als Geschenk zur Geburt ist hier Tradition.

Gesundheit

Das öffentliche Gesundheitssystem hier ist gut, aber wir haben trotzdem noch eine private Zusatzversicherung, die uns mehr Flexibilität gibt. In der Schwangerschaft zum Beispiel war es unmöglich, öffentliche Frauenarzttermine außerhalb meiner Arbeitszeiten zu bekommen, sodass ich einen privaten Frauenarzt und eine öffentliche Hebamme hatte.

Die Hebamme des Gesundheitszentrums war toll. Sie war einfühlsam, ruhig und liebenswert, hier hatte ich wirklich Glück. Sie übernahm nach der Geburt auch die Kontrolle, auch wenn das in Spanien bedeutet, dass man selbst im Wochenbett das Haus verlassen muss, um 500 Meter zum nächsten Centro de Salud zu laufen. Mich störte das nicht, aber ein wenig neidisch war ich schon auf meine deutschen Freundinnen, die mir von Hausbesuchen im Wochenbett erzählten.

Schockiert hat mich, dass mir viele (gebildete) Frauen mir mitteilten, dass ich ruhig auch mal ein Glas Rotwein in der Schwangerschaft trinken könnte. Für mich kam Alkohol nicht in Frage, aber immer wieder hörte ich, dass „una copa“ schon nichts anrichte. Die Kinder dieser Frauen sind zwar alle wohl geraten, aber ich traute mich trotzdem nicht.

Auch die Geburt an sich, so finde ich, wird in Spanien etwas pragmatischer gesehen. Während viele meiner deutschen Freundinnen nicht auf eine PDA zurück griffen, so kam in der Geburtsvorbereitung immer wieder die Frage, an welchem Punkt genau man denn dann endlich die PDA bekäme. In Spanien gehört die PDA zur Geburt dazu. Mich stimmte das etwas nachdenklich und als ich meinte, ich würde gerne abwarten, ob ich eine PDA als notwendig empfinde, erntete ich mehr als einen komischen Blick – am großen Tag der Geburt habe ich mich dann letztendlich doch dafür entschieden.

Die Geburt

Nach einer gesunden und unkomplizierten Schwangerschaft kam die Geburt von Hugo für mich wie ein Schock: Wir hatten uns das Gregorio Marañon Krankenhaus des öffentlichen Gesundheitssystems im Zentrum Madrids ausgesucht und dort auch die geführte Tour gemacht, um uns mental auf den großen Tag von Hugos Geburt vorzubereiten. Ich hatte ein gutes Gefühl, hatte einen wunderbaren Geburtsvorbereitungskurs im örtlichen Gesundheitszentrum belegt, mich mit dem Thema Hypnobirthing beschäftigt und fühlte mich bereit, unser Baby endlich in den Armen zu halten. Als wir im Krankenhaus unserer Wahl am Tag der Geburt mit Wehen im Abstand von 7 Minuten aufkreuzten, wurde ich zwar erst aufgenommen, irgendwann kam jedoch eine Ärztin, die mir mitteilte, die Geburtsstation sei überbelegt und man hätte keinen Kreissaal für uns, sodass man mich in ein anderes Krankenhaus in Madrid verlegen würde. 

Ich wurde also mit Krankenwagen und Blaulicht in die Uniklinik La Paz verlegt, während ich die Wehen mittlerweile alle 3 Minuten veratmete. Nachdem ich endlich einen Kreissaal hatte, war dann vorerst alles okay. Jedoch kam ein Punkt, an dem unser Sohn zu lange im Geburtskanal lag und beschlossen wurde, dass er per Zange geholt werden musste. Mein Freund durfte nicht dabei sein, da wir schnell vom Kreissaal in den OP wechseln mussten und das Protokoll vorsah, dass nicht sterile Personen nicht dabei sein dürften. Hugo hatte während dieser Zeit zu wenig Sauerstoff bekommen und ich bekomme noch heute Gänsehaut, wenn ich an den Moment denke, als wir die möglichen Folgen eines Sauerstoffmangels googelten. Merke: Niemals Google zu Rate ziehen! 

Er lag für 2 Tage im Brutkasten auf der Neonatologie und ich erinnere mich an diese zwei Tage nur wie in Trance. Man versicherte uns, dass es ihm gut ginge und der Brutkasten eine reine Vorsichtsmaßnahme sei, aber das half mir nur bedingt. Im Geburtsvorbereitungskurs wurde ich auf Haut an Haut und gemeinsames Kuscheln vorbereitet, jedoch nicht auf eine Zangengeburt, unnötiges mehrfaches Kristellern und vor allem nicht darauf, dass man mir mein Kind nicht auf die Brust legen würde und wir die ersten Stunden getrennt voneinander verbringen müssten. 

Das spanische Gesundheitssystem ist per se gut, jedoch gibt es hier die gleichen Probleme in der Geburtshilfe wie auch in Deutschland: Hebammenmangel, zu wenig Zeit für Erstgebärende, zu viele Interventionen, zu wenige Kreissäle. Die Rose Revolution übrigens wurde von einer Spanierin ins Leben gerufen und hier merkte ich auch irgendwann, dass ich wohl nicht die Einzige bin, die an der Geburt zu knabbern hat. Schon alleine zu wissen, dass einige Sachen objektiv nicht gut laufen und auch das Niederlegen einer Rose im Klinikum haben mir geholfen, über dieses Kapitel hinweg zu sehen und mich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist: Unser zum Glück kerngesundes und unfassbar süßes Baby. Auf der Station hatten wir dann ein Zweibettzimmer für uns alleine und die Schwestern kümmerten sich rührend. Sie merkten, dass es mir nicht gut ging, sorgten dafür, dass ich das Zimmer mit niemandem teilen musste, sprachen mir gut zu und zeigten mir, wie man Milch abpumpt. Mein Freund brachte jeden Tag selbstgekochtes Essen und verbrachte die Nächte mit mir auf dem Zimmer, bis wir Hugo nach zwei Tagen nach Hause bringen durften.

Stillen

Auch hier ist es in Spanien wie in Deutschland: In allen öffentlichen Gesundheitszentren hängen Plakate der Kampagne „Dale lo mejor“ („Gib ihm das Beste“) aus. Krankenhäuser positionieren sich klar Pro Stillen, in der Geburtsvorbereitung wird das Stillen als die ideale Ernährungsweise vermittelt und ich war mir natürlich sicher dass ich meinen Sohn auch stillen möchte. Womit ich nicht gerechnet hatte war, dass dabei Probleme auftauchen könnten. Ich konnte Hugo 3 Monate voll stillen und plötzlich, mit zunehmendem Hunger wurde er jedes Mal ungeduldiger. Ich suchte mir Hilfe bei der Hebamme, meinem Frauenarzt, der Kinderärztin, keiner konnte helfen. Die Kinderärztin riet uns zuzufüttern, das wollte ich nicht. Mein deutscher Starrkopf ließ die Option nicht zu, mein Kind mit der Flasche zu ernähren. Niemand wusste, wo das Problem lag, das einzige das wir sahen, war dass Hugo nicht genug zunahm und so begann eine Odyssee, die ich mir rückblickend auch zum Wohle meines Kindes nicht noch einmal antun würde. Zwischen Milchpumpe und hungrigem Kind blieb mir kaum Zeit, das Haus zu verlassen. Über die La Leche League fand ich eine Stillberaterin, die letztendlich feststellte, dass unser Sohn ein starkes Zungenbändchen hatte und mit zunehmendem Alter und Hunger immer weniger effizient trinken konnte. Das Zungenband wurde zwar geschnitten, jedoch war Hugo schon zu groß, um sich eine neue Trinktechnik anzueignen, sodass wir schlussendlich doch auf die Flasche umstellen mussten. Die Hebamme, die zwar nicht feststellte, was das Problem war, war wenigstens einfühlsam und bat mich, mich selbst vom Haken zu lassen und an der Stelle dankbar zu sein, dass man heutzutage Möglichkeiten hat, sein Kind auch anders zu ernähren. Übersetzt meinte sie zu mir: „Wir empfehlen zwar Muttermilch als primäre Ernährungsform, aber das Wichtigste ist, dass dein Kind eine Mutter hat, die gesund ist und präsent“, sodass wir beschlossen, das Stillen Stillen sein zu lassen und entschieden uns für die Flasche. Auch wenn es mich heute noch wurmt, denke ich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und das auch, weil meine Hebamme vor Ort das Gesamtbild gesehen hat und natürlich mein Freund unterstützend zur Seite stand und jede Entscheidung respektierte. Generell sind die Menschen hier sehr offen, was das Stillen angeht und ich habe an allen möglichen Orten gestillt und wohlwollende Blicke von Frauen erhalten.

Unterwegs mit Kind

Auch wenn ich gedanklich am liebsten schon sehr viele Hände aus dem Kinderwagen gezogen hätte, weiß ich die Aufgeschlossenheit und das Verständnis gegenüber Kindern und deren Eltern sehr zu schätzen. Hugo war gerade auf der Welt, als unsere ältere Nachbarsdame klingelte, um mir mitzuteilen, wie sehr sie sich freue, ihn weinen zu hören, endlich sei mal wieder Leben im Haus. Das hätte ich mir in Deutschland nur schwer vorstellen können. Befremdlich finde ich es jedoch nach wie vor, wenn an der Bushaltestelle mal eben Hugos Hände von zwei älteren Damen einer Temperaturmessung unterzogen werden, um mir mitzuteilen, dass die Temperatur okay sei – muchas gracias, ich hatte jedoch noch nicht um eine Temperaturmessung gebeten. Gerade am Anfang habe ich die Keime förmlich gesehen, die auf Hugo übergingen, wenn ihm mal wieder jemand im Gesicht rumfummelte. Irgendwann habe ich aber auch gelernt, höflich zu fragen, ob es den Leuten etwas ausmachen würde, vielleicht eher die Füßchen als in das Gesicht zu fassen. Das wurde zwar mit einem komischen Blick quittiert, aber respektiert. Ich werde auch regelmäßig auf der Straße mit dem Kinderwagen gestoppt, damit man mal eben reinsehen kann! Ich habe mich mittlerweile dran gewöhnt und Hugo gefällt die Aufmerksamkeit, die er auf sich zieht.

Das spanische Sozialsystem

Das Sozialsystem auf der anderen Seite ist hier leider weniger kinderfreundlich. Lange habe ich nicht in Madrid gelebt, bis ich schwanger wurde und musste mich relativ schnell damit anfreunden, statt des deutschen Elternzeitjahres ganze 16 bezahlte Elternzeitwochen, sowie 3 Mutterschutzwochen zu haben. Die Elternzeit habe ich seit Monat 4 unbezahlt verlängert bis Hugo 15 Monate alt ist. Ich weiß sehr wohl, dass das ein Privileg ist, so lange auf sein Gehalt verzichten zu können und sehe im spanischen Bekanntenkreis, dass es auch funktioniert, sein Kind schon sehr früh in fremde Hände zu geben. Aber für uns fühlte es sich nicht richtig an.

Wohin mit dem Kind?

Dadurch, dass viele Mütter tatsächlich 4 Monate nach Geburt wieder an den Schreibtisch zurückkehren, stellt sich die Frage, was mit dem Kind ab dem 5. Monat passiert. Viele Familien haben eine Hilfe zu Hause, die auf das Kind aufpasst und den Haushalt bewältigt, während die Eltern arbeiten. Auch Kitas nehmen Kinder ab 4 Monaten. Einen Kitaplatz hier zu bekommen ist übrigens nicht so schwer wie in Deutschland, viele private Träger bieten einigermaßen bezahlbare Plätze an und man erhält auch etwas staatliche Unterstützung, wenn man sein Kind bei einem privaten Träger anmeldet. Womit ich große Probleme hatte, war Hugo im ersten Halbjahr bei überhaupt irgendjemand anderem als seinem Vater zu lassen. Die Spanier, so scheint es mir, freuen sich zwar über ihren Nachwuchs, wollen auf der anderen Seite jedoch ihr sehr aktives soziales Leben nicht vernachlässigen und haben viel weniger Probleme, auch schon jüngere Babys bei Verwandten, Bekannten oder Babysittern zu lassen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die meisten tatsächlich nur die vom Staat finanziell unterstützten 4 Monate Elternzeit in Anspruch nehmen und sich eher trauen müssen, ihr Kind in fremde Hände zu geben. Hugo war 6 Wochen alt, als wir das erste Mal den Ratschlag erhielten,  wir sollen uns einen Babysitter suchen und als Paar schön ausgehen. Das haben wir das erste Mal geschafft als er 4 Monate alt war: zwei Stunden, in denen wir Fotos von ihm anschauten und über ihn redeten.

Familie in Spanien

Familie hat in Spanien einen hohen Stellenwert: Wie gesagt, erst mit 30 zuhause auszuziehen ist keine Seltenheit. Ebenso wird der Kontakt zur Familie eng gehalten, man trifft sich meistens ein Mal pro Woche am Sonntag zum Essen und führt Generationen zusammen.

Auch wenn Väter die Möglichkeit haben, Elternzeit zu nehmen, bzw. sich die 4 staatlich unterstützten Monate mit der Mutter zu teilen, bleibt die Mutter klassischerweise zu Hause. Die Väter die ich hier sehe und kenne, nehme ich als sehr engagiert und interessiert wahr. Der Geburtsvorbereitungskurs zum Beispiel richtete sich explizit an das Paar und wurde auch größtenteils von beiden wahrgenommen. Da ich an einem Abend einen wichtigen Termin bei der Arbeit hatte, ging mein Freund alleine und erntete viel positives Feedback seitens der Hebamme und der anderen Paare. Mein Freund ist ein liebevoller Vater und unterstützt wo er kann. Das Klischee des südländischen Machos kann ich also nicht bestätigen.

Deutschsein in Madrid

Ein mal pro Woche treffen wir uns mit einer Gruppe deutscher Mütter in einem Gemeinderaum in der Kirche in Madrid. Während ich vorher Deutsche zum Beispiel im Urlaub gemieden habe, so freue ich mich hier, Anschluss zu finden und vor allem deutsch zu sprechen. Es gibt eine große internationale Gruppe an Müttern die sich per Whatsapp in den verschiedensten Gruppen zusammentun. Es gibt Mum&Baby Yoga auf Englisch, Sprachkurse mit Baby, Babyschwimmen, Kindermusik, etc. – das Angebot ist groß.

An einigen Punkten merke ich nämlich schon, dass ich deutsch bin: Zum Beispiel was Kinderernährung und Babyprodukte angeht. Der spanische Markt ist überflutet von Kinderprodukten, die mit Stärke, Stabilisatoren und vor allem Zucker versetzt sind. Also kochen wir Brei selbst, backen Babykekse und bestellen die teure Bionahrung eines bekannten deutschen Herstellers, der sich die Verfügbarkeit auf dem spanischen Markt einiges kosten lässt. Oder ich fliege mit einem halben Koffer voller Bio Windelcremes und Babynahrung von Deutschland nach Spanien.

Ich war außerdem schockiert, als man mir kurz vor der Geburt einen Korb mit Babyprodukten schenkte und darin eine Flasche Baby-Parfüm war: Wer schon mal an einem neugeborenen Baby gerochen hat, weiß dass das der beste Geruch überhaupt ist. Aber Parfüm für Babies ist in Spanien völlig normal.

Was sonst noch typisch spanisch ist

Kinderkleidung könnte ich hier jeden Tag kaufen: Die Spanier haben einen tollen Geschmack, wenn auch teilweise etwas traditionell angehaucht. Die Kinder sehen hier alle wunderschön hergerichtet aus, obwohl die Outfits nicht so wirken, als ob man damit auch mal im Dreck spielen kann.

Second Hand kauft hier nur, wer muss. Ich kann somit aus dem Vollen schöpfen und für mich hat Second Hand viele Vorteile, ich kaufe viele Sachen bei Humana, einem Oxfam-Verschnitt.

Mädchen tragen hier traditionell Ohrringe, die wenige Wochen nach der Geburt gestochen werden – zum Glück wussten wir früh, dass wir einen Jungen bekommen und mussten uns darüber keinen Kopf machen.

Kinder sind hier sehr lange draußen und wach, auch wenn die meisten bei den ganz Kleinen einen relativ strikten Plan an den Tag legen. Aber Kinder mit zwei Jahren abends um 11 auf einer Terraza sieht man tatsächlich sehr oft.

Bleiben wir?

Ich freue mich jeden Tag dass wir so ein breites Angebot an Aktivitäten haben, dass die Menschen hier so nett und kinderlieb sind, dass wir gute Freunde um uns haben, dass wir lecker essen können, dass die Sonne scheint, ich könnte ewig so weitermachen!

Also, wir finden es hier toll: Wetter, Essen, Leute und die Stadt sind wunderbar und wir können uns sehr gut vorstellen, hier alt zu werden – Rückzugspläne nach Deutschland gibt es jedenfalls keine.