Ist Stillen unfeministisch?

Die Antwort ist: natürlich nicht! Im Gegenteil. Den Kampf um die Berechtigung in der Öffentlichkeit zu stillen, empfinde ich zum Beispiel als ausgesprochen feministisch.

Und dennoch musste auch ich manchmal nicken, als ich den Text von Mareice Kaiser von vorgestern gelesen habe. Und ich finde ihn auch wirklich wichtig, wenn ich auch nicht alles aus dem Text zu 100 Prozent unterschreiben kann.

Die heilige Kuh

Stillen ist ja ein bisschen die heilige Kuh. Man darf dagegen eigentlich nichts dagegen sagen. Aus gutem Grund: Stillen ist gesund, natürlich, schützenswert. Viele wissen das nicht mehr, aber es gab eine Zeit, da wurde kaum ein Kind in diesem Land gestillt und das hatte insbesondere mit der aggressiven Werbepolitik von einigen Großkonzernen zu tun. Dass jetzt wieder gestillt wird, empfinde ich als eine sehr gute Sache. Dass Stillen viel mit Privileg zu tun hat, mit guter Betreuung, die nicht jeder hat – finde ich schade und nicht okay.

Was hat sie denn nun, wo sie doch so pro Stillen ist? Naja, ich kann es nicht so ganz erklären. Aber mich hat dieses #stillenistliebe auf Instagram auch aufgewühlt. Es implizierte so sehr: Nicht-Stillen ist nicht Liebe. Mir waren die Busen-Bilder auch irgendwann zu viel. Nicht ob der Busen-Bilder an sich. Ich sehe sogar sehr gerne dabei zu, wenn sich Babies genussvoll an der Brust satttrinken. Das ist immer so ein schönes, friedliches Bild. Nein, auf eine Art und Weise fand ich es auch so absurd, dass so ein Hype um etwas so Normales gemacht wird. Warum profiliert man sich damit, dass man stillt? Verstehe ich nicht. Und es ist ein Unterschied, ein kuscheliges Stillfoto zu posten und zu sagen: Schöner Moment und #normalizebreastfeeding, als mehrere, sehr nackte und sehr direkte Bilder zu posten mit Untertiteln wie: “Stillen ist eine Frage des Wollens!” “Breast is best” oder “Jede Frau kann stillen” und eben #stillenistliebe. Muss man so nicht machen. Das stößt mir auf, genau wie dieser Zeigefinger. Wer andere Frauen (auch subtil) ausgrenzt, macht einen Fehler, finde ich. Und ja, das ist auch unfeministisch. Zudem: wenn wir gleichberechtigter werden wollen, wenn wir all das haben wollen, was Männer haben, ist es dann sinnvoll sich durch so etwas Normales, Profanes, wie das Stillen hervorzuheben bzw. sich zu profilieren? Ich weiß nicht…

Gleichberechtigung vs Stillen

Doch zurück zur Ausgangsfrage. Mareice hat sich ja auch viel damit beschäftigt, dass Stillen die heteronormative Familienform hervorhebt, dass es anti-Gleichberechtigung sei und Frauen in die stille Ecke drängt. Nun. Ich finde das ein kleines bisschen überzogen, aber ein etwas ist auch dran, oder?

Kann man feministisch sein und stillen? Na sicher. Man kann sogar gleichberechtigt sein und lange stillen. ABER: es ist schwerer. Das ist schon wirklich so. Aber es geht!

Die Phase in denen Babies gefühlt andauernd an der Brust hängen, ist ja meistens nicht sehr lange: ein paar Monate maximal. Danach kann man sich wieder wunderbar abwechseln, man kann abpumpen, man kann irgendwann zufüttern. Und wenn man von Anfang an Aufgaben geteilt hat, dann geht das auch ganz von selbst. Auch die Nächte lassen sich aufteilen. Ich kenne viele Familien, in denen der Vater die Nächte übernimmt und das Baby nur zum Stillen zur Mama bringt (oder rüberreicht). Und auch ich habe damals oft gesagt: Ich kann stillen. Aber mein Mann kann viel besser rumtragen und beruhigen – also hat er das gemacht. Genauso wie er gewickelt, Essen gekocht, Wäsche aufgehängt und eingekauft hat.

Man kann auch berufstätig sein und lange stillen. Man muss ein Kind nicht abstillen, wenn es in der Betreuung eingewöhnt wird. Man kann arbeiten und weiterstillen, es gibt heute viele Möglichkeiten. Ja, wer (lange) stillt, läuft vielleicht eher Gefahr, in klassische Rollen gedrängt zu werden, aber man kann das umgehen. Ist es nicht vielleicht auch ein altmodisches Bild des Stillens, das wir haben? Dass das Kind dann IMMER NUR an der Mutterbrust hängt? So ist es ja nicht. Die meisten Kinder werden im zweiten Lebensjahr nur noch wenige Male pro Tag gestillt. Etwa: morgens, nach der Kita und zum Einschlafen. Das kann man ziemlich gut mit einem aktiven und gleichberechtigten Lifestyle vereinbaren.

Die Akademiker-Hölle

Aber: es ist wirklich wichtig, jeder Familie ihren Weg zuzugestehen. Und das ist vor allem in Akademiker-Kreisen und in der Instagram-Welt eben nun mal leider nicht selbstverständlich. Ich weiß nicht woran es liegt, aber es wird immer noch so viel bewertet, dabei sind sich doch eigentlich alle einig. Wer abstillen will, aus welchen Gründen auch immer: lasst sie doch. Wer gar nicht erst anfangen will: so lasst sie doch. Wer lange über das erste Jahr hinaus stillen will: so lasst sie doch! Meine Freundin ist schwanger und das, was sie am meisten beschäftigt, ist nicht die Geburt, nicht diese neue Mutterrolle, nein es ist das Stillen. “Ich habe Angst, dass es nicht klappt. Ich will es so sehr. Es ist so wichtig für das Kind.” Ich kann nicht umher, zu sagen: “Das ist es nicht. Das Wichtigste ist, dass es euch gut geht. Wenn es nicht klappt – dann eben nicht. Auch Flaschenkinder werden groß, gesund und glücklich. Du wirst als Mama genau richtig gut genug sein!!”

Es drängt sich eben doch ab und zu der Verdacht auf, dass viele Frauen Dinge aus einem gesellschaftlichen Zwang heraus machen. Dass sie sich selbst auf die Schulter klopfen: “So lange habe ich durchgehalten. Monatelang abgepumpt. So viel geopfert”. Ich werde nie vergessen, wie die Tochter meiner Freundin ihr unmittelbar das T-Shirt hochgeschoben hat und ihren Busen herausgezogen hat. Sie sah nicht glücklich dabei aus und ich meinte: machst du das überhaupt noch gerne? Und sie: “Nein. Aber es ist eben das Beste. Je länger je besser.” Da steige ich aus. Keine Frau muss Dinge mit ihrem Körper machen lassen, auf die sie keinen Bock hat. Auch nicht, wenn es dem Kindeswohl vermeintlich zugute kommt. Auch den Umgang der Hebammen im stillfreundlichen Krankenhaus, den Mareice beschreibt, kenne ich und finde ihn unmöglich. Übergriffig. Frau hat zu stillen, ihre Brüste sind Allgemeingut. Manchmal tut das eben weh, da muss man durch, ist ja gut fürs Kind. Muss nicht sein, oder?

Auf der anderen Seite ist es eben auch so, das sich Krankenhäuser “stillfreundlich” auf die Fahne schreiben, weil es leider nicht selbstverständlich ist. Immer noch werden Eltern nach ein paar Tagen mit der Werbepackung Pre-Milch nach hause geschickt. Wenn dann ein Mal was schief geht, ist es halt vorbei mit dem Stillen. Das darf nicht sein. Wie gesagt: stillen ist schützenswert.

Alles in allem fand ich es vielleicht auch einfach erfrischend, mal etwas Kritisches zu diesem Thema zu lesen. Wie gesagt, heilige Kuh und so. Auch erhellend. Ich habe hier ja auch schon mal meinen Senf dazugegeben, ist schon so eine Sache mit dem Stillen! Ich möchte an dieser Stelle auch auf diesen Deutschland-Beitrag hinweisen: Nicht-stillende Mütter – ein verheerendes, gesellschaftliches Tabu. Auch hier argumentiert eine Erziehungswissenschaftlerin, dass dahinter ein „sehr konservatives Frauenbild“ und Ignoranz gegenüber veränderten Familienkonzepten stehe. Ich unterschreibe das nicht. Aber ich finde es total gut, sich darüber mal Gedanken zu machen!

Was ich mit diesem Artikel sagen will, ist wahrscheinlich das, was ich schon so oft gesagt habe: Liebe Frauen, habt den Mut, genau das zu machen, was für euch gut und richtig ist. Und urteilt nicht über andere. Und bitte bleibt ein bisschen pragmatischer, gerade wenn es ums Stillen geht. Es ist eine wundervolle Sache, es ist das Gesündeste, was man seinem Kind geben kann, aber es ist eben auch nur Stillen. Machen Frauen seit Millionen von Jahren. Es sollte das Natürlichste der Welt sein. Nicht mehr, nicht weniger.