Hypnobirthing – Die Geburt als Erlebnis?
Hallo alle zusammen. Seid doch so lieb und stellt euch kurz selber vor.
Mein Name ist Susanne Henzler und ich arbeite seit 18 Jahren als Hebamme und Stillberaterin, freiberuflich und angestellt im Diakoniekrankenhaus in Freiburg. Letztes Jahr habe ich die Ausbildung zur HypnoBirthing-Kursleiterin absolviert und wende viele Elemente in der Geburtsvorbereitung sowie bei der Betreuung von Frauen unter der Geburt an. Als Klinik wollen wir die Elemente von HypnoBirthing besser integrieren und einige meiner Kolleginnen werden in nächster Zeit mit der Ausbildung beginnen.
Ich bin Bianca Maria Heinkel, Heilpraktikerin für Psychotherapie in eigener Praxis, seit 30 Jahren Geburtsbegleiterin und seit 2009 vom HypnoBirthing Institut USA zertifizierte Kursleiterin. 2014 habe ich das Institut für Hypnobirthing Deutschland gegründet.
Mein Name ist Jhari Gerlind Kornetzky, ich bin HypnoBirthing-Kursleiterin sowie NLP Mastercoach. Ich arbeite gemeinsam mit Bianca an einem Buch zu dem Thema, welches aktuell und auf unseren Kulturkreis zugeschnitten ist und wir haben auch einen entsprechenden HypnoBirthing Kurs konzipiert.
Liebe Jhari und Bianca, was ist HypnoBirthing überhaupt?
Bianca: Es ist ein Weg, das eigene Kompetenzerleben des Paares in Bezug auf die Geburt zu stärken. HypnoBirthing arbeitet dabei mit Elementen, die jeder unbewusst bereits im Alltag nutzt – Atmung, Entspannung, Visualisierung, Selbsthypnose – und setzt diese in einen konstruktiven Zusammenhang um eine bewusste, gute Geburtserfahrung wahrscheinlicher zu machen.
Wieso denkt ihr, boomt HypnoBirthing gerade jetzt so enorm?
Jhari: Es hat 30 Jahre gebraucht bis HypnoBirthing von den USA nach Europa kam. Seit der Übersetzung des Buches “HypnoBirthing” von Marie F. Mongan im Jahr 2008, verbreitet sich diese Methode immer mehr im europäischen Kulturkreis. Es ist ganz klar eine Gegenbewegung zur Technisierung der Geburt und eine Tendenz, wieder mehr Verantwortung für die Geburt zu übernehmen.
Was spielt der Partner für eine Rolle im HypnoBirthing?
Susanne: Bei einer klassischen Geburt haben Männer keine Aufgabe im Kreißsaal und dadurch fühlen sie sich oft hilflos und verloren. Bei HypnoBirthing spielen sie, wie auch im Kurs, eine zentrale Rolle, und das dann auch in der Klink.
Bianca: Die Paare werden bei HypnoBirthing eingeleitet miteinander zu arbeiten, neu miteinander zu sprechen. Dies ist auch eine Implikation über den Kurs hinaus.
Was ist der Unterschied zu einem klassischen Geburtsvorbereitungskurs?
Bianca: Die Fokussierung im klassischen Geburtsvorbereitungskurs liegt eher auf Pathologie, Schmerz, Risiken und ungünstigen Verläufen. Ich habe viele Kursbesucherinnen, die beide Kurse belegt haben und oft den klassischen Kurs abbrechen und beschreiben, dass sie dort eine ganz andere Sprache und Haltung erfahren.
Susanne: Die klassische Geburtsvorbereitung hat die Aufgabe, Informationen zur Geburt zu vermitteln und Frauen auch über Risiken aufzuklären. Beim Vorgespräch in der Klinik im müssen Frauen im Zweifelsfall auch Risiken unterschreiben. Nach dem Gedanken: „Erzähle ihr von den Risiken, dann kommt sie besser damit zurecht, wenn die Situation eintritt“. So wird das schon in der Ausbildung vermittelt.
Jhari: Wenn du dem Risiko begegnest, kannst du besser damit umgehen, weil du es kennst, aber es suggeriert auch, dass es kommen wird.
Susanne: Ja, das ist ein rechtliches Dilemma.
Bianca: Jeder hat Angst. Mediziner haben Angst aufgrund der rechtlichen Implikation und dass sie zur Verantwortung gezogen werden. Die Angst der Hebamme, die zwischen zwei Stühlen sitzt. Die Angst der Gebärenden, was kann schief gehen. Angst ist ein Grundelement in diesem Feld. Es wird versucht in einem rechtlichem Überbau etwas zu kontrollieren, was nicht kontrollierbar ist.
Wie erlebt ihr die Frauen, die sich mit HypnoBirthing vorbereitet haben im Verhältnis zu denen, die einen normalen Geburtsvorbereitungskurs gemacht haben innerhalb der Geburt?
Susanne: Frauen, die sich mit HypnoBirthing vorbereitet haben sind autarker. Die sehen es als Aufgabe und schöpfen aus eigener Kraft. Sie haben das Selbstbewusstsein auf ihren Körper zu vertrauen. Frauen, die sich klassisch, oder weniger vorbereiten, machen sich mehr abhängig von dem Personal, Umständen, Klinik oder von einer Hausgeburtshebamme.
HypnoBirhting suggeriert in dem Buch von Marie Mongan, dass das Klinikpersonal gegen die natürliche Geburt, somit gegen die Frau und ihr ungeborenes Baby arbeitet. Seht ihr dies als veraltet an?
Susanne: Eine Sectiorate von durchschnittlich 50% (wie sie in Deutschland in manchen Kliniken anzutreffen ist) ist natürlich extrem viel. Solche Kliniken arbeiten primär nicht gegen die Frauen, haben aber eine andere Einstellung zum Thema Geburt. Trotzdem vertreten sie auch in Tat, dass sie das Beste wollen, eben nur mit einem anderen Hintergrund. Aktuell erleben wir aber schon, dass HypnoBirthing sehr auf Konfrontation mit den Kliniken geht und so einer Zusammenarbeit mit den Kliniken teilweise im Weg steht.
Bianca: Das Buch ist auf den amerikanischen Markt und amerikanische Verhältnisse ausgelegt und 30 Jahre alt. Oft müssen wir erst Druck rausnehmen, wenn Frauen das Buch von Marie Mongan gelesen haben, da die sie sonst mit einer enormen Angst in die Klinik gehen.
Jhari: Darüber gibt es große Diskussionen unter den Kursleitern. Die grundsätzliche Haltung ist leider noch vertreten, doch in den Kursen selbst fast kein Thema mehr. Deswegen arbeiten wir an einer Neufassung.
Wie gehen nicht auf dem Feld des HypnoBirthing ausgebildete Hebammen mit HypnoBirther innerhalb der Geburt um?
Susanne: Personal, das keine Erfahrung mit HypnoBirthing hat, kann natürlich eine Gebärende mit einem Satz komplett aus dem Konzept bringen. Wenn man im falschen Moment den falschen Satz sagt, kann eine ganze Geburt anders verlaufen. Es ist spannend zu sehen, dass bei der Nachbetreuung diese Sätze eine so intensive Rolle spielen.
Im HypnoBirthing Buch wird dazu angewiesen einen Geburtsplan vorzubereiten und in der Klinik abzugeben. Was haltet ihr Grundlegend von Geburtsplänen?
Susanne: Es gibt viele HypnoBirther, die mit Geburtsplänen bei uns vorsprechen. Was vielleicht nicht förderlich ist. Frauen kritisieren oft, durch die veraltete Aufklärung im HypnoBirthing Buch, diese Verfahren in Krankenhäusern, die schon längst nicht mehr so umgesetzt werden. Das ist dann wie ein schlechter Start in ein gemeinsames Arbeiten.
Bianca: Der Geburtsplan fundiert als Mittel, Gedankenimpulse zu setzten und die Kommunikation erst einmal innerhalb des Paares zu stärken. Es sollte als Gesprächsgrundlage mit dem Klinikpersonal und nicht als Vorgaben dienen.
Susanne: Vielleicht ist das Wort Plan auch das falsche Wort. In unserer klinikinternen Kommunikation gibt es den Begriff Geburtswünsche.
Was hältst du, als klassische Hebamme, von der HypnoBirthing Ausbildung?
Susanne: Ja, das ist ein schwieriges Thema. Es gibt viele Kursleiterinnen, die keinerlei Erfahrung haben mit dem Thema Geburt und oft durch ihr eigenes positives Geburtserlebnis beschließen Kursleiterin zu werden. Die Ausbildung dauert nur 4 Tage. Der Hypnoseteil nimmt zwei Tage in Anspruch und der Geburtshilfebereich die anderen zwei. Das ist ein riesen Manko an dieser Ausbildung. Ich als Geburtshelferin müsste eigentlich HypnoBirthing ablehnen. Es ist nicht in Ordnung, wenn da an irgendwelchen Stellen falsches Wissen weitergegeben wird.
Was unterscheidet euer Buch von dem alten?
Bianca: Es gab bei Erscheinen von Marie Mongans Buch viele der heute zur Verfügung stehenden Informationen und Forschungsergebnisse noch nicht. Unser Ziel ist, die eigenen Kompetenzen der Frauen (und Männer) wieder erfahrbar zu machen und daher konzentrieren wir uns auf die Vertiefung von Körperwahrnehmung sowie die Arbeit mit dem Geist. Frau kann lernen, ihren Geist so zu lenken, dass Körper und Geist sich bestmöglich während des Geburtsprozesses entspannen können.
Würdet ihr sagen es gibt Frauen, bei denen es nicht funktionieren kann?
Bianca: Je körperlicher eine Frau ist, desto mehr hat sie davon. Umso verkopfter eine Frau ist, desto schwieriger wird es, weil der Versuch innewohnt, die Geburt selbst zu machen. Es findet eine Angstkompensation über Tun und Hoffen statt. “Wenn ich das mache, ist das Ergebnis, dass es schmerzfrei und sanft ist.” Das ist eine riesige Illusion, die über ein Werkzeug wie HypnoBirthing etwas kontrollierbarer wird.
Interview: Saskia Nadi