Geburtsbericht: Warum ich meinen im Krankenhaus angefordert habe

"Erste Nacht im Krankenhaus. Ich liege neben meiner Zimmernachbarin wach. Ihr Kind schreit viel und ich schlafe wenig, die ersten Stunden der Nacht ziehen sich."

Das sind die ersten Sätze, mit denen die Geburtsgeschichte meines Sohnes beginnt. Ich habe diese Worte in jenen Stunden seines Geburtstages in mein Handy getippt, als ich noch nicht ahnte, dass er nun bald bei mir sein würde. Ich finde im Nachhinein immer wieder erstaunlich, wie ahnungslos ich tatsächlich um 1 Uhr in dieser Nacht auf dem Bett neben meiner Zimmernachbarin auf der Wöchnerinnenstation saß und annahm, ihr Neugeborenes sei es, das mich vom Schlafen abhielt und nicht so recht realisieren wollte, was eigentlich los war: Geburtswehen.

Die Erinnerungen verblasst, zurück bleiben die Momente

Nun soll das hier kein ausführlicher Geburtsbericht werden. Ich kann euch so viel sagen: Ich habe in dieser Nacht (und nachdem ich 13 Tage über den ET im Krankenhaus eingeleitet worden war) erst drei Stunden nach der ersten “richtigen” Wehe realisiert, dass es notwendig sein könnte, Julius’ Papa aus der Nacht in den Kreißsaal zu beordern. Die Stunden zwischen Handynotiz zur Schlaflosigkeit und seiner Ankunft habe ich auf dem Flur der Wöchnerinnenstation verbracht. Und zwar mit einer Wärmflasche im Rücken rhythmisch auf einem Stuhl vor dem Schwesternzimmer wippend, um die Wehen zu veratmen. Die kamen, seitdem ich das Zimmer verlassen hatte, von jetzt auf gleich alle zwei bis drei Minuten. Als ich zwei Stunden später aus meiner Stuhltrance fiel und mich im Kreißsaal meldete, war mein Muttermund schon auf 7cm geöffnet.

Julius’ Geburt war wirklich eine schöne Geburt. Auch wenn sie ganz anders war, als ich mir das zuvor abseits des Krankenhauses vorgestellt hatte (dazu, also wenn die Geburt anders verläuft als geplant, hat auch Susanne vom geborgen-wachsen-blog übrigens gerade auch ein paar Gedanken formuliert). Es sollte eigentlich eine Hausgeburt werden. Ich habe sie wohl vor allem in guter Erinnerung, diese Geburt, weil sie ein einziger Trip war. Ich bin teilweise, meine ich, so abgedriftet, dass ich nicht viel vom Geschehen um mich herum mitbekam. Ich winselte mich durch die Wehen und kann nach all der Zeit eigentlich nur noch einen Moment sehr genau visualisieren: Wie Julius seinen noch so kleinen Körper ein letztes Mal wandt, als sein Kopf schon geboren war und er mir nur eine Wehe später von der Hebamme auf die Brust gelegt wurde.

Letztlich und darin können mich sicher die allermeisten von euch bestätigen, vergisst man all die Details einer Geburt dann doch viel zu schnell, verschwimmen die vielen Eindrücke zu einem Teich an wirren Emotionen, aus denen hier und da Momente wie Treibholz herausragen.

Der Geburtsbericht des Krankenhauses als Fakten-Beiwerk meiner Erinnerung

Ich ärgere mich bis heute sehr, aber ich habe Julius’ Geburt nie so detailliert aufgeschrieben, wie Isabel das bei Xaver und Quinn getan hat. Es gibt hier und da versprengt Fragmente, aber irgendwie habe ich mich immer wieder zu sehr mit diesem Text verkünstelt, lag der Anspruch zu hoch. Ich hätte ihn einfach mal runter schreiben sollen.

Stattdessen habe ich ein paar Wochen nach Julius’ Geburt einen Geburtsbericht im Krankenhaus angefordert (Hätte ich aber auch so oder so gemacht). Darauf hat man als Frau, ja, als Patient hierzulande einen Rechtsanspruch und zwar gemäß dieses Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch: §630g BGB – Einsichtnahme in die Patientenakte. Die Krankenhäuser sind also angehalten, die Geburtsunterlagen auf Wunsch der Eltern in Kopie herauszugeben. In der Rechtspraxis genügt dazu übrigens eigentlich schon ein Anruf. Aber mein Krankenhaus wollte zum Beispiel einen schriftlichen Antrag.

Ich habe den Eindruck, die allerwenigsten Eltern wissen darum. Vielleicht interessiert die meisten ein solcher Geburtsbericht auch nicht oder erst, wenn es zu Komplikationen während der Geburt kommt und eine Klage gegen das Krankenhaus erwogen wird, ein Anwalt zur Einsicht in die Unterlagen rät.

Ich fand wiederum schlichtweg spannend, mir das sogenannte Partogramm – also die Notizen der Hebamme – und das CTG als Kopie nachhause schicken zu lassen. Vielleicht auch, weil ich die Dinge teilweise nur entrückt wahrgenommen habe. Aus dem Geburtsverlaufsbericht der Klinik lässt sich im Nachhinein abbilden: So rund wie ich die Geburt erlebt habe, war sie zuweilen wohl gar nicht: Julius’ Herztöne waren teilweise und zum Ende sehr schlecht. Ich lag deshalb die letzten Stunden durchgängig ans CTG gefesselt auf dem Bett im Kreißsaal. Irgendwann wurde der Chefarzt gerufen, der Julius (noch in meinem Körper steckend) zwei Mal Blut am Kopf abnahm und der mich ob der dann doch stabilen Werte, die dabei herauskamen, nicht in den OP karrte. Aber es stand wohl Spitz auf Knopf.

Nun habe ich eine vergleichsweise reibungslose Geburt erlebt, wenn ich das Mal mit dem vergleiche, was ich alles schon gehört und gelesen habe. Ich kann mir aber vorstellen, dass es gerade, wenn das nicht so war, so ein Geburtsbericht sehr aufschlussreich sein kann. Ja, einem vielleicht sogar dabei helfen kann, eine schwierige Geburt aufzuarbeiten. Am besten sicherlich mit einer Hebamme an der Seite, die einem die vielen Fachtermini des Partogramms erklären kann.

In jedem Fall aber ist so ein Geburtsverlaufsbericht eine Erinnerungsstütze abseits der eigenen und im Nachgang aus der Emotion vielleicht zu irrational beschriebenen Erinnerung. Kurzum: ein gutes Faktenkorsett, um daran die einzelnen Stationen der Geburt (auch Jahre) danach noch nachzuvollziehen.