Let’s talk about: Hausverbot für die Zahnfee?
Vor einigen Tagen ist es soweit gewesen: Mein Großer, 6 Jahre und einen Monat alt, hat seinen ersten Milchzahn verloren. Und das sehr überraschend – ganz ohne Wackelankündigung. Unsere Zahnärztin musste den Zahn ziehen. Das Zahnfleisch hatte sich entzündet, weil sich der neue Zahn schon auf den Weg gemacht hatte und ihm der alte im Weg stand. Also machte sie kurzen Prozess – mit Einwilligung meines Sohnes natürlich und – zack! – war der weiße Winzling raus.
Und mein Großer hat nun endlich seine lang ersehnte Zahnlücke, die all seine Kumpels bereits haben. Umso stolzer präsentierte er sein Zahnloch nach dem Arztbesuch in der Kita. Samt Zahn im Röhrchen. Und was sagte seine Erzieherin da zu ihm? „Na mal sehn, was die Zahnfee dir da heute Nacht bringt?“ Ich war gerade dabei, das Kita-Gelände zu verlasen, hörte diese Frage aber noch – und augenblicklich begann es in meinem Hirn zu arbeiten: „Die Zahnfee?!? Die hatte ich ja gar nicht auf dem Schirm! Gehört hab ich schon davon, aber aus Mangel an Wackelzähnen hab ich mir da noch nie Gedanken drüber gemacht… Was bringt so eine Zahnfee denn? Geld…? Das find ich blöd! Besser ein kleines Spielzeug oder ein Buch… Aber wann soll ich das besorgen? Ich muss dringend an den Schreibtisch und arbeiten. Und der Mann hat heute auch keine Zeit für einen Besuch im Spielzeugladen? Aber Moment mal: Mein Kind hat 20 Milchzähne. Muss diese ominöse Zahnfee da wirklich nach jedem Zahn kommen? Nee, oder!?! Und wir haben ja noch einen Sohn. Ich kann doch nicht 40 Geschenke besorgen! Dazu kommen ja noch die Geburtstage, Weihnachten, Ostern Nikolaus. Und die Schuleinführungen… Da sind wir ja irgendwann komplett pleite. Also doch lieber eine 50-Cent-Münze für jeden verlorenen Zahn? Oder besser noch einen Schokotaler! Ach nee, da ist ja Zucker drin. Das wär ja reichlich kontraproduktiv… Okay, nochmal neu nachdenken!… Und was sage ich überhaupt, wenn mein Kind mich fragt, wie die Zahnfee aussieht? Wo sie herkommt? Wie sie heißt? Und lässt sie immer auch einen Brief da?… Ach du liebe Güte, wer hat sich diesen Zahnfee-Quatsch überhaupt ausgedacht? Obwohl, irgendwie ist es ja auch niedlich… Ach, ich weiß doch auch nicht!“
So viele widersprüchliche Gedanken!
Das Zahnfee-Gedankenkarussell überforderte mich komplett. Auf der Fahrt von der Kita zurück ins Home-Office hielt ich kurz bei dem Supermarkt, der an der Strecke liegt, und kaufte – auch aus Mangel an brauchbaren Alternativen – ein Rätselheft. Vor dem Schlafengehen platzierte mein Großer sorgfältig seinen Zahn unter‘m Kissen und nahm sich vor, so lange wach zu bleiben, bis die Zahnfee kommt. Eine Stunde hielt er durch, dann ratzte er weg. Ich nahm mir das Zähnchen und legte das Heft vorsichtig unter sein Kissen. Als ich im Milchzahnalter war, gab es die Zahnfee noch nicht. Ich durfte mir lediglich die Zange aus dem Werkzeugkasten meines Papas aussuchen, mit der er mir dann den Wackelzahn rauszog, den ich dann in ein Röhrchen zu den anderen, bereits gezogenen Zähnen, packte, um dann noch stolz für ein weiteres Zahnlos-Foto zu posieren. Mehr Bohei wurde darum nicht gemacht. Es ging ja schließlich nur um einen Zahn, einem winzigen Etwas aus Kalzium und Phosphat, das noch ein wenig Eiweiß und Wasser enthält.
Als die Kinder schliefen, recherchierte ich erstmal: Genau wie Halloween schwappte die Zahnfee-Sage irgendwann in den späten 90ern bzw. frühen Nuller-Jahren aus dem angloamerikanischen Raum zu uns nach Deutschland rüber. Befördert wurde dieser Hype auch durch Hollywood-Filme wie „Die Zahnfee“ mit Kirstie Alley (1997) oder „Zahnfee auf Bewährung“ (2010) mit dem sonst eigentlich so coolen Dwayne Johnson, der hier jedoch mit glitzernden Feenflügeln und hellblauem Ganzkörperanzug auftritt.
Ich griff zum Handy und rief meine Freundin an, um zu erfragen, wie sie zum Thema „Zahnfee“ stünde. Sie hat ebenfalls zwei Jungs, die schon mehrere Milchzähne verloren haben. Sie stöhnte sofort, als ich sagte, worum es ging. Sie habe, so sagte sie, die Besuche der Zahnfee nach dem jeweils dritten verlorenen Zahn gecancelt. Ihren Söhnen habe sie versichert, die Zahnfee komme zu jedem Kind nur drei Mal, weil sie alles andere zu sehr erschöpfen würde. Ihre Nachbar hätte seinen Kindern aber nach jedem verlorenen Zahn etwas unters Kissen gelegt. Mal ein Geldstück und mal ein kleines Geschenk. Am Ende müssen alle Eltern selbst entscheiden, wie sie mit dem Zahnfee- Hype umgehen. Sie habe diesen, nur auf Kommerz ausgerichteten Hype, aber irgendwann satt gehabt… Ja, dachte ich, sie hat ja irgendwie recht, aber der Valentinstag ist im Grunde nichts anderes – und trotzdem freue ich mich, wenn der Liebste mal dran denkt und ich an diesem Tag ein paar Blumen oder eine andere kleine Nettigkeit bekomme. Ist das verwerflich?
Ein Rätselheft also…
Ein paar Stunden später wurde ich von freudigem Quieken aus dem Tiefschlaf gerissen. Mein Sohn stand neben meinem Bett, das Rätselheft in der Hand und rief: „Sie war wirklich da, Mami!“ Ich blickte zum Wecker, er zeigte 4:58 Uhr. Augenblicklich verfluchte ich die vermaledeite Zahnfee. Nicht nur, dass sie uns in den Ruin treiben wird – sie raubt einem auch noch den Schlaf. Ich muss ihr wirklich Hausverbot erteilen. Ich hievte mich hoch und blickte zu meinem Sohn, wie er da mit breitem zahnlosen Glücksgrinsen vor mir stand – und mein Herz wurde sofort wieder weich. Unglaublich, wie viel Freude ein Rätselheft unter‘m Kopfkissen bei einem Kind auslösen kann. Ich muss das mit dem Hausverbot vielleicht doch nochmal überdenken. Möglicherweise findet sich ja ein Kompromiss. Noch wackelt kein weiterer Zahn, ich gewinne also zum Glück noch etwas Zeit…
Wie handhabt ihr das mit der Zahnfee? Ignoriert ihr den Hype? Oder besucht sie euch? Und wenn ja, was bringt sie mit? Geld oder ein Sachgeschenk? Und nach wie vielen Zähnen ist Schluss damit? Ich freu‘ mich über eure Meinungen und Anregungen!