Das Leben eben. Acht Bücher über schwierige Themen

Mamaaa, Papaaa, sagt doch mal: Wieso schneit's hier nicht mehr? Was passiert mit Oma, wenn sie tot ist? Und wer ist Corona? In Zeiten wie diesen kann es noch mal extra schwer fallen, Kinderfragen zum Weltgeschehen zu beantworten. Geht euch das auch so? Bücher können dabei helfen, über gefühlt Unsagbares zu sprechen oder schwer Erklärbares ein bisschen bildhafter zu machen. Wir stellen euch aktuelle (und bewährte) Bücher für Kids bis ins Teenageralter vor, die sich komplexeren Themen angenommen haben, ohne mit dem Zeigefinger zu nerven.

Dieser Beitrag wurde von unserer Gastautorin Nina Heitele verfasst. Nina ist Mama zwei kleiner Rabauk*innen (*2016, *2019) und arbeitet von Berlin aus nun schon seit über zehn Jahren als selbstständige Journalistin, Texterin und (Online-)Redakteurin mit Fokus auf Portraits, Interviews und frauenempowernden Beiträgen. Ihr Herz schlägt für besondere Kinderbücher:


Pandemie: “Hallo, ich bin ein Virus!”

Wenn ihr noch keinen Weg gefunden habt, mit den Kids über das Coronavirus zu sprechen, findet ihr im Netz Hilfe bei der kolumbianische Kinderpsychologin und Jugendtherapeutin Manuela Molina. Ganz umsonst und in vielen verschiedenen Sprachen bietet sie mit dem #COVIBOOK ein PDF zum Ausdrucken und Mitmachen, in dem das Virus selbst zu Wort kommt. Kumpelhaft erklärt es das richtige Händewaschen und gibt Kindern die Möglichkeit, Sorgen und Fragen zu äußern, die sie sich bisher vielleicht noch nicht getraut haben zu stellen. Für Eltern super, um etwas über die aktuelle Gefühlswelt ihrer Kinder zu erfahren – und um einfach mal anzufangen mit der Aufklärung!

Hier findet ihr die Übersetzung in deutscher Sprache.

Gier: Was am Ende bleibt …



Die Welt ist groß und weit und wunderbar – der einzelne Mensch dagegen nur ein winziger Punkt auf der Landkarte. Mit wenigen Worten und gewohnt zauberhaften Illustrationen führt uns Oliver Jeffers (ihr kennt sicher “Hier sind wir“…) in “Die Fabel von Fausto” mit seiner Kinderbuchfigur Fausto vor Augen, wie gierig, hochmütig und egoistisch die Menschheit gegenüber der Natur auftritt. Am Ende siegt … na? Ihr wisst es eh. Ein charmanter Reminder für alle, immer wieder das eigene Verhalten zu prüfen und der Erde mit Respekt zu begegnen. Für Kinder ab etwa 4 Jahren.

Kleiner Tipp: Bei Instagram hat Oliver Jeffers zuletzt jeden Abend live eines seiner Kinderbücher vorgelesen – auf Englisch. Für manch größere Kinder könnte das in Zeiten von Homeschooling vielleicht eine tolle Übung sein?

Flucht: auf der Suche nach einem sicheren Zuhause



Während sich in unserer eigenen kleinen Welt gerade wohl die meisten Gespräche um Corona und Co. drehen, warten in den überfüllten Geflüchtetenlagern von Griechenland immer noch tausende Kinder auf Hilfe. Für sie und ihre Familien geht es nicht nur darum, kein Eis essen oder nicht mehr in die Kita zu können, sondern ums Überleben – und am Ende um die Sehnsucht nach einem sicheren Zuhause. Wie das ist, vertrieben zu werden, manchmal sogar ohne die eigene Mama losziehen zu müssen, einen schweren Rucksack zu schleppen und nicht zu wissen, was morgen sein wird, erzählt das Bilderbuch “Marwans Weg“. Darin begleiten wir den kleinen Marwan bei seiner Wanderung durch die Wüste und die Ankunft in einer neuen Heimat auf Zeit. Erschienen ist das Buch bereits 2017, hat aber nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Ab 4 Jahren.

Klimawandel: Wann wird’s mal wieder richtig Winter?



Als die Bilder von Australiens Buschfeuern Ende 2019 durch die Medien gingen, waren wir alle in Schockstarre. Längst ist klar, dass unsere Kinder in einer anderen Welt aufwachsen werden als wir. Schneegestöber zu Weihnachten und wochenlanges Schlittenfahren haben die meisten, die heute drei, vier Jahre alt sind, noch nie erlebt. “Wieviel wärmer ist 1 Grad?” hilft uns Eltern dabei, möglichst einfache Worte für den Klimwandel zu finden, und schon Grundschulkindern zu erklären, was die Erderwärmung für unser Leben bedeutet. Die Auswirkungen umweltschädlicher Produktionsbedingungen kommen dabei genauso zur Sprache wie auch natürliche Klimaveränderungen. Dazu gibt es Tipps, was wir als Einzelpersonen tun können, um unseren Planeten zu schützen.

 Empfohlen ab 7 Jahren – aber es geht definitiv auch schon früher!

Körper: Wir sind viele!

Samstag ist Schwimmbadtag! Für Mila bedeutet das: zum ersten Mal ganz alleine ins große Becken springen, Papas verloren gegangene Badehose zurückerobern und in der Umkleide, dem Whirpool oder der Sauna nackte Körper entdecken. Kleine, runde und dellige Popos gibt es dort, große, hängende, spitze, wild hüpfende Brüste und nicht zuletzt ganz unterschiedliche Vulven – eine sogar so haarig wie Milas schwarze Katze Lakritz.

Überall Popos” vermittelt durch den neugierigen Blick eines kleinen Kindes komplett unverkrampft und dabei auch noch irre lustig, dass jeder Körper ein bisschen anders ist und Haare sprießen dürfen, wo sie wollen. Perfekt, um Kids schon früh mit auf den Weg zu geben: Dein Körper muss in keine Schablone passen. Ab 4 Jahren.

Eine ähnliche Message hat “Wie siehst du denn aus?” von der ehemaligen “Missy”-Chefredakteurin Sonja Eismann und der Illustratorin Amelie Persson. Das Buch richtet sich mit dem Sachbuchcharakter und wesentlich tieferen Inhalten aber an schon etwas ältere Kids. Mit einem Blick auf weltweit verschiedene Konventionen nähern sie sich unter anderem der Frage an, wo, wann und warum manche Körper “schöner” oder “normaler” als andere empfunden werden. Dazu gibt es spannende Anekdoten zu einzelnen Körperteilen und tolle “Was wäre wenn”-Gedankenspiele, die den Raum für Diskussion öffnen. 

Ab 10 Jahren.

Feminismus: “Ich fühl’s nicht”

Die Schwedin Liv Strömquist (“Der Ursprung der Welt“) ist eine Königin, wenn es darum geht, Popkultur mit wissenschaftlichen Fakten über Liebe, Beziehungen und Geschlecht zu verbinden und dadurch einen ganz modernen Feminismus zu formen. Da sie das mit angenehm schnodderig formulierter Graphic Novels tut, sind die Wissenshäppchen trotz komplexer Themen nie zu groß. Ihre Bücher kann man nur verschlingen, sich dabei scheckig lachen und gleichzeitig jede Menge Basiswissen bunkern. In ihrem aktuellsten Buch “Ich fühl’s nicht” geht es unter anderem darum: Wie funktioniert Verliebtsein in einer von Narzissmus geprägten Gesellschaft und welches grandiose Beispiel liefert dafür Leonardo DiCaprio? Was macht dieses Verlieben mit uns? Und wie können wir uns von schlechter Liebe befreien? Die Strömquists-Comics geben Power und Stoff zum Nachdenken, bieten Orientierung und Raum für selbstkritische Reflexion. Nicht zuletzt deshalb würde ich sie jedem Teenager zum Lesen geben – und den Eltern gleich mit, um Heranwachsende in dieser herausfordernden Zeit bestmöglich begleiten zu können. Ab 14 Jahren.

Sterben: Durchs Leben mit dem Tod



Selbst unter Erwachsenen ist der Tod für viele ein Tabuthemen. Über das Sterben sprechen? Lieber nicht! Wie soll man das dann schaffen, wenn Kinder anfangen nachzufragen? Am besten man übt schon, bevor ein Großelternteil oder ein anderer geliebter Mensch verstirbt. “Ente, Tod und Tulpe” ist bereits aus dem Jahr 2007, aber immer noch eines der wunderbarsten (Kinder-)Bücher, wenn es um eines der schwersten Themen überhaupt geht. Eine Ente lernt darin den Tod kennen. Gemeinsam gehen sie eine Weile durchs Leben, klettern auf Bäume, betrachten den Teich. Mal schenkt die Ente dem Tod eine Umarmung, um ihn zu wärmen. Mal zeigt er ihr einen anderen Blickwinkel auf ihre Welt. Sie werden Freunde – bis es Zeit ist, zu gehen. An der Geschichte ist selbst für kleinere Kinder nichts Unheimliches. Der Tod trägt normale Kleidung, spricht freundlich, ist null aufdringlich. “Eigentlich war er nett, wenn man davon absah, wer er war – sogar ziemlich nett”, sagt sogar die Ente. Das schafft eine Art Versöhnlichkeit und bietet Trost. Der Tod ist nun mal da, die ganze Zeit über, begleitet einen mit etwas Abstand. So ist das Leben.

 Ab 6 Jahren.