Gründer Mums: Judith Springer von FINE

Deodorant ist für Judith Springer das wichtigste Körperpflegeprodukt. Und so entsann die Mutter von zwei Töchtern kurzerhand für das bislang eher stiefmütterlich behandelte Deo eine natürliche Rezeptur und ein modernes Design. Heute, zwei Jahre später, gibt es ihr Deodorant Fine in fünf verschiedenen Duftrichtungen und es war von Anfang an schneller ausverkauft, als die selfmade Gründer Mum je zu hoffen gewagt hatte.

Wie schafft man das, so ein Unternehmen hochzuziehen? Und nebenbei noch die Familie zu schaukeln? Sehr gespannt treffen wir Judith zum Interview in einem kleinen Supperclub im Winskiez. Sie wirkt aufgeräumt und energetisch zugleich und ist beschäftigt mit dem Relaunch ihrer Website. Man merkt: Diese Frau ist bei sich angekommen und will vieles vorantreiben.

Wie kamst Du auf die Idee, dich mit Deodorants zu beschäftigen?

Ich war lange auf der Suche nach einem Deo, das funktioniert aber trotzdem nicht schädlich ist. Eine Freundin meinte dann: Das kannst Du ganz einfach selbst machen. Mit einem Grundrezept aus dem Internet habe ich in meiner Küche angefangen zu experimentieren. Aus dieser Küchenidee wurde dann innerhalb eines Jahres ein echtes Produkt, das im Laden steht. Eigentlich komme ich aus dem Kunstbereich und bin Yogalehrerin, habe mich aber immer für Kosmetik und Gesundheitsthemen interessiert.

Wie wurde aus dieser Küchenidee ein echtes Produkt?

Ganz konkret war es so, dass ich das Deo eigentlich in einer Küche herstellen wollte und beim Gesundheitsamt angerufen habe, um nachzufragen, was ich beachten muss. Deren Credo war dann: Wir kennen uns in dem Bereich gar nicht aus und schlagen vor, Sie machen erst mal eine Ausbildung zur Chemikerin. Stattdessen habe ich mir einen Hersteller gesucht, der mein Rezept für mich perfektioniert und produziert hat. Das Design und Packaging entstand als Tauschgeschäft gegen Yogaunterricht.

Was ist dein Rat an eine Mutter, die sich mit einer Idee selbstständig machen möchte?

Da bin ich ganz bei Sheryl Sandberg: Die wichtigste Karriereentscheidung ist die deines Partners. Mit meinem Mann gibt es kaum Diskussionen. Wir teilen uns gut auf und dafür bin ich sehr dankbar. Er ist Musiker und tagsüber viel da, dafür weniger abends und am Wochenende. De facto mache ich mehr mit den Kindern, ich nehme die einfach gerne überall hin mit, das macht er zum Beispiel eher weniger, aber mir macht das auch Spaß. Wir haben natürlich aber auch eine Flexibilität in unserer Planung, die andere vielleicht nicht haben.

Mein zweiter Rat: Arbeite an Dir selbst. Wenn Du weißt, wer Du bist und was Du willst – wenn Du das klar hast, dann klappt das. Frage dich, ob Du dich in der Situation, in der Du steckst, wohl fühlst. Und zieh dann Konsequenzen. Und wenn es trotzdem nicht klappt, dann war es vielleicht auch nicht das Richtige. Das ist in jenem Moment hart, aber wenn man später zurückblickt, ist man oft froh, dass dieses oder jenes, was man sich so gewünscht hat, doch ganz anders gekommen ist.

Und: Sicherheit ist eine Illusion. Es gibt keine Sicherheit. Die einzige Sicherheit bist Du.

Viele Mütter haben Ideen für ein Business, aber oft scheitert es an der Umsetzung. Wie hast Du es geschafft, deine Idee zu verfolgen und wahr zu machen? 

Fine ist aus viel Lebenserfahrung entstanden, das verlief nicht linear. Und aus einer Reife heraus, die mit dem Alter kommt. Ich habe schon immer einen Überfluss an Ideen gehabt und recht aktionistisch Dinge gemacht. Manchmal ganz und manchmal auch nur halb (lacht)… Und ich hatte noch nie Angst vor dem Scheitern.

Vor allem aber habe ich meine Lebenseinstellung in den letzten zehn Jahren verändert. Früher hatte ich eine ganz genaue Vorstellung darüber, wie mein Leben ablaufen soll: Ich studiere den Studiengang, um diesen Job zu bekommen und will dann in dem Bereich arbeiten. Letztendlich hat aber so vieles, was ich mir vorgestellt habe, nicht geklappt. Das war sehr frustrierend. Und gleichzeitig kannte ich Leute, bei denen hat immer alles funktioniert: Die haben die beste Wohnung bekommen, den tollsten Typen und ich dachte: das gibt’s doch nicht! 2004 habe ich mit Yoga und Meditation begonnen – ich weiß, es klingt klischeehaft, aber dadurch hat sich vieles verändert. Ich habe aufgehört, mir Druck zu machen und so viel zu erwarten. Das war ein Riesenstück Arbeit an mir selbst. Fine ist daraus entstanden, dass ich nun die Dinge auf mich zukommen lasse. Ideen formen sich, nehmen Gestalt an und man sendet das aus. Und plötzlich entsteht etwas. Diese Erfahrung mache ich immer wieder.

Wie lange hat es gedauert von der Idee bis zum Produkt?

Ein Jahr. Viele sagen, das sei kurz, mir kam es vor wie eine Ewigkeit. Als es dann wirklich vor mir stand, bin ich auf mein Fahrrad gestiegen und zu den Läden gefahren, wo ich es unbedingt platzieren wollte. Von den zehn Läden haben es dann zwei direkt gekauft. In meinem eigenen Onlinestore war ich innerhalb von sechs Wochen ausverkauft. Dadurch, dass ich so schnell ausverkauft war, hat sich dann ein richtiger Hype gebildet. Hinzu kamen Interviews in der FAZ und der Süddeutschen, so habe ich meinen Kundenkreis stark vergrößert – auch bei Personen, die keine typischen Onlinekunden sind. Ich würde sagen, es ist das erste Mal in der Geschichte des Deodorants, dass es plötzlich zu einem Geschenk avanciert ist. Das Weihnachtsgeschäft läuft sehr gut bei mir.

Ein großes Thema: Arbeit & Familie als Mutter so gedeichselt bekommen, dass keins von beiden leidet. Schaffst Du das, und wenn ja, wie?

Der richtige Partner kann wie gesagt Wunder bewirken. Was mir aber auch auffällt: Was vielen Müttern abgeht, ist auch mal an sich selbst zu denken. Die negieren sich richtig in dieser Zeit. Deshalb appelliere ich ganz klar an Mütter, nicht alles für das Kind aufzugeben. Wofür zwei Jahre nicht gut schlafen? Das ist aus meiner Sicht eine falsch verstandene Rolle. Das tut keinem gut. Aber man kann die Rolle sehr gut nutzen, um sein Leben auf den Prüfstand zu stellen und sich zu fragen: was ist mir wichtig? Das Tolle am Muttersein ist doch: Man setzt ganz andere Prioritäten und macht ganz viel Komprimierungsarbeit.

Wie alt waren deine Kinder, als Du Fine gegründet hast?

Sie waren sechs und sieben Jahre alt. Aus dem “Gröbsten” raus, aber natürlich immer noch sehr bedürftig, das hört ja nie auf.

Zeitmanagement ist ein großes Thema für Familien – wie sieht ein normaler Tagesablauf bei Euch aus? 

Ich stehe um 6.30 auf, zusammen mit meinem Mann. Er bereitet das Frühstück vor und die Brotbox für die Kinder, ich helfe den Mädels beim Anziehen und mache sie schulfertig. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, übe ich Yoga und fahre danach ins Büro bis 15/16 Uhr. Die Kinder sind bis 16 Uhr im Hort oder kommen jetzt auch mal früher nach Hause. Gegessen wird mittags in der Schule. Je nachdem wer da ist, bringe entweder ich oder mein Mann die Kinder ins Bett. Abends wird noch Yoga gemacht oder meditiert. Mich fragen immer alle: Wie kriegst du denn noch 1.5h Yoga in deinem Tag unter? Ich glaube: Wenn man will, geht das. Man muss Prioritäten setzen. Ich habe zum Beispiel seit einem Jahr eine Assistentin, das hilft sehr. Meditieren kann man zum Beispiel auch ganz gut machen, wenn das Kind noch nicht einschlafen will und man sich neben das Bett setzt.

Wie geht deine Familie mit dem neuen „Baby“ um?

„Es geht immer nur um Fine“ sagen meine Töchter oft. Ich sitze natürlich zuhause auch oft am Computer oder vor dem Handy, wenn ich arbeite und das können sie nicht so gut verstehen. Aber grundsätzlich sind beide Töchter sehr stolz, wenn sie mein Produkt in einem Laden sehen und benutzen das Deo auch selbst.

Es klingt immer so toll, wenn man Erfolgsstory wie deine liest. Ich hoffe es ist nicht zu persönlich, aber: Kannst Du auch davon leben? 

Ja, ich könnte theoretisch davon leben. Ich hatte am Anfang ein kleines Erbe, mein Mann hat mich auch unterstützt und ich war im Prinzip nicht darauf angewiesen, sofort damit Geld zu verdienen. Jetzt verdiene ich Geld, re-investiere aber alles wieder in das Unternehmen. Und ich ernähre meine Assistentin (lacht).

Wie hat dich persönlich dein Fine Business verändert?  

Ich bin noch viel dankbarer. Ich habe so viel Zwischenmenschliches gelernt, der Umgang mit Kunden, wie Menschen ticken. Es ist das erste Mal in meinem Leben das alles läuft und ich mir kein Bein ausreißen muss, um irgendwas anzuschieben. Das ist wahnsinnig angenehm.

Danke, Judith!