50/50 Paare: Hanna und Martin

Hanna und Martin leben mit ihren beiden Söhnen in Hamburg und teilen Erwerbs- und Care-Arbeit von Anfang an 50/50. Das war ihm auch so wichtig, dass er seinen Job gekündigt hat, weil der Arbeitgeber nicht einverstanden war, als er seine Arbeitszeit reduzieren wollte. Hanna arbeitet selbstständig, beide sind mittlerweile recht flexibel, was die Arbeit angeht. Wenn es um Pläne und Aufteilungen geht, sind sie aber sehr streng. Es ist immer wieder schön zu lesen, wie Paare es auf ganz unterschiedliche Art und Weise schaffen, sich gleichberechtigt aufzuteilen. Wie es genau bei Hanna und Martin läuft, lest ihr im heutigen Interview!

Liebe Hanna, was und wieviel arbeitet ihr beide?

Martin arbeitet als angestellter Geschäftsführer + Vertriebsleiter bei „leev“, ein kleines Startup, das sortenreine Säfte produziert und vertreibt, und ich bin noch bis Ende Juli 2020 in Elternzeit-Teilzeit mit unserem zweiten Sohn und arbeite selbstständig als Trainerin und Coach für Frauen und Mütter (spezialisiert auf die Themen Selbstfürsorge, Vereinbarkeit und Karriereplanung). Vor der Elternzeit mit unserem 2. Sohn war ich 50% als Berufsberaterin an einer Schule angestellt und 30% Selbstständig. Nun habe ich mich entschieden, in meiner Anstellung in Elternzeit zu bleiben, währenddessen noch eine Weiterbildung als systemische Beraterin zu machen und erstmal ausschließlich selbständig zu arbeiten. Dadurch, dass Martin und ich praktisch unsere eigenen Chefs sind, können wir sehr flexibel und selbstbestimmt arbeiten. Mein Job an der Schule war natürlich mit Präsenz verbunden, aber dennoch sehr familienfreundlich, was die Zeiten und das Verständnis des Arbeitgebers anging. Als Jonne geboren wurde hatte Martin einen eher familienunfreundlichen Arbeitgeber, der nicht zustimmte, als er von 100% auf 80% reduzieren wollte. Das hat dazu geführt, dass er gekündigt hat und seitdem sehr darauf geachtet hat, dass seine Arbeitgeber seinen Wunsch einer 30 Stundenwoche und eine gewisse Flexibilität unterstützen. Wir arbeiten also jetzt beide circa 80%.

Wie alt sind eure Kinder und gehen sie in eine Betreuung?

Unser großer Sohn Jonne ist 4 Jahre alt und geht aktuell von 9-15 bis Uhr in den Kindergarten. Unser kleiner Sohn Nore wird im Mai 1 Jahr alt, wird aktuell hauptsächlich durch mich betreut und geht ab August ebenfalls in die Krippe, also sehr bald! Aktuell wird er abwechselnd von uns und dem Opa betreut, damit ich insgesamt circa 15 Std/Woche arbeiten kann.

Seid ihr zufrieden mit der Betreuungssituation?

Ja! Wir haben eine super Kita und sind sehr dankbar für die gute Betreuung. Zudem haben wir Großeltern, die sich regelmäßig kümmern, meine Schwester wohnt mit ihrem Sohn direkt nebenan und wir haben ein enges Netzwerk an weiteren Nachbarn, zu denen die Kinder in Engpässen auch mal gehen können.

Wie war es in der Coronazeit für euch?

Die Coronazeit war für uns anstrengend, weil – wie für alle anderen auch – die Betreuung und kleine Auszeiten durch die Großeltern und die Kita wegfiel. Gleichzeitig war es gut, dass wir uns durch das selbstständige bzw. sehr selbstbestimmte Arbeiten, abwechseln konnten mit der Kinderbetreuung. Da Martin für sich und sein Team Kurzarbeit anmelden musste, hat er weniger gearbeitet als vorher und ich konnte mehr arbeiten. So waren wir zeitlich früher wieder bei 50/50 als geplant. Das hat uns gut getan, gleichzeitig waren wir pausenlos beschäftigt, da wir uns meist in der Tagesmitte die Kinder übergeben haben und weg war der-/diejenige, der/die dann mit arbeiten dran war. Das war schon auch kraftraubend – nicht wegen des Arbeitens, sondern weil alles nur auf uns zweien lastete und der finanzielle Druck immer größer wurde. Ich denke nicht so gerne an diese Zeit zurück und es graut mir vor dem Herbst…

Wie habt ihr eure Woche aufgeteilt?

Wie gesagt: unser kleiner Sohn wird jetzt bald in die Kita eingewöhnt, beim ersten Kind hat Martin das gemacht, jetzt bin ich dran. Und danach hat jeder von uns zwei lange Arbeitstage. An zwei Tagen holt Martin die Kinder am Nachmittag, ich an 3 Tagen, weil ich regelmäßig auch samstags arbeite. Martin hat zudem Jonne immer morgens in die Kita gebracht, mal sehen, wie wir das zukünftig machen. Abends bringt jede/r gerade ein Kind ins Bett. Als ich noch gestillt habe, war Martin nachts für Jonne zuständig und ich für Nore, wobei wir uns in schlechten Nächten mit Nore auch abgewechselt haben, damit ich zum schlafen kam. Jetzt entspannt sich das Schlafen wieder und wir kommen ohne feste Aufteilung aus – juchuu!

Organisiert ihr euch spontan oder macht ihr einen Wochen- Monatsplan?

Oh, da sind wir sehr strikt.
Wir besprechen uns jeden Sonntagabend und machen eine Wochenplanung. Wir gleichen alle Termine im Kalender ab und besprechen Engpässe oder anstehende Termine. Zudem machen wir gemeinsam eine Essensplanung für die Woche und eine Einkaufsliste. Wir schauen, was neben unseren fest aufgeteilten Aufgabenbereichen, noch an extra Aufgaben ansteht und überlegen, wer was macht.

Welche Tools nutzt ihr? 

Wir haben einen gemeinsamen Google Kalender und sehen auch die Termine des jeweils anderen.
Zudem nutzen wir Bring! als App für die Einkaufsliste und unsere Essens- und Aufgabenplanung machen wir analog mit Zettel und Bleistift – das funktioniert für uns am besten. An unserer Schlafzimmertür hängt immer ein Zettel, auf den schreiben wir, was uns so einfällt, was „man“ mal machen müsste – Stichwort Mental Load: Wollanzug flicken, Geburtstagsgeschenk für xy besorgen, den Balkon aufräumen, Brille Jonne reparieren lassen usw. Das sind Aufgaben, die wir dann sonntags verteilen.

Würdet ihr sagen, dass die Organisation des Alltags sehr zeitaufwendig ist und klappt sie gut? 

Ja, die Organisation des Alltags braucht klare Absprachen und kostet Zeit. Gleichzeitig entlastet uns die Planung und wir wollen es eben so. Aktuell setzen wir uns jeden Sonntagabend zusammen, gehen alle Termine der kommenden Woche durch, verteilen anfallende Aufgaben rund um den Haushalt und die Kinder und machen eine Essensplanung. Das ist aufwendig, funktioniert für uns aber gut und es ist es uns wert Zeit zu investieren, um damit die Absprachen unter der Woche zu minimieren. Es gehen selten Termine verloren, aber natürlich missverstehen wir uns auch mal. Da wir in vielen Bereichen versuchen, zu routieren (wie z.B. bei den Abholungszeiten von der Kita oder im Haushalt), ist es auch schon einmal passiert, dass wir beide dachten der/die andere würde das Kind aus der Kita holen. Aber erst ein Mal!

Habt ihr einzeln Hobbies, oder macht Sport? 

Jede/r hat einen festen Abend für Sport. Zudem wohnen wir in einem selbstverwalteten Wohnprojekt, in dem wir ein regelmäßiges Plenum und andere Verpflichtungen haben, die ab und zu abends stattfinden. Alle anderen Termine, wie Freude treffen usw., finden an den restlichen Abenden statt, wir schauen, dass wir beide etwa gleich viel Zeit für Freizeit – abends oder am Wochenende – bekommen.

Was ist mit Paar-Zeit?

Es ist uns sehr wichtig unsere Beziehung zu pflegen! Wir versuchen, einen Abend als Date zuhause zu verbringen und uns bewusst Zeit füreinander zu nehmen um zu reden – und damit meinen wir nicht den sonntäglichen Orga-Abend. Und wir haben uns vorgenommen, jetzt da Nore langsam stabiler schläft, abends mindestens einmal im Monat wieder auszugehen – und wenn es nur ein Wein in der Kneipe um die Ecke ist.

Habt ihr Hilfe?

Wir haben zum Glück sehr einsatzfreudige Großeltern und können uns innerhalb des Wohnprojekts, die Kinder tagsüber auch mal gegenseitig abnehmen. Zudem kann man – wenn die Kinder ein gewisses Alter haben – das Babyphone auch problemlos zu den Nachbarn bringen und die Zeiten, in denen die Kinder bei Freunden übernachten kommen ja noch!
Vor Nores Geburt hat Jonne etwa einmal im Monat 1-2 Nächte bei meinen Eltern übernachtet. Das wollen wir – wenn Nore alt genug ist – wieder einführen. Das war großer Luxus und hat uns immer sehr viel Energie gegeben um als Paar verbunden zu sein, auszuschlafen, auszugehen, aber auch um einfach mal liegengebliebene Dinge zu schaffen ohne gestört zu werden.

Habt ihr das Gefühl, genug Zeit mit den Kindern zu verbringen?

Auf jeden Fall! Wir haben das Gefühl, dass wir beide die Zeit mit den Kindern bewusst genießen!
Wenn wir zu viel arbeiten fehlen uns die Kinder, wenn wir zu wenig arbeiten, leidet die Qualität der Präsenz mit den Kindern darunter. Wir haben unsere Balance darin gefunden beide 80% zu arbeiten. Das ist für uns ideal!

Sprechen wir über den Haushalt: wie teilt ihr euch hier auf?

Oh ja, im Haushalt sind wir auch recht streng in der Verteilung. Wir haben ursprünglich mal alle Aufgabenbereiche aufgeschrieben und fest verteilt (wobei das auch sonstige Familienaufgaben umfasst). Also z.B. Wäsche machen, Betten regelmäßig beziehen, Kita-Orga, Kinderklamotten besorgen/sortieren, diverse Putzaufgaben, …usw.
Ab und zu besprechen wir, ob wir noch happy mit der Verteilung sind, oder etwas ändern wollen. Zudem sind wir mittlerweile so eingespielt, dass sich Vieles von alleine ergibt, weil wir beide ein Auge für anfallende Aufgaben haben und zum Glück beide so gestrickt sind, dass wir sie einfach machen.

Gibt es Aufgaben, die einer von beiden typischerweise immer übernimmt? 

Ja, dadurch, dass wir die Aufgaben verteilt haben. Ich kümmere mich meistens um die Wäsche und die Kinderklamotten, Martin ums einkaufen, Bad putzen und Betten beziehen. Kochen tun wir beide.

Wer hat die Orga in der Hand?

Wir beide!
Wobei ich vermutlich immer noch an mehr Sachen denke. Aktuell gibt es ja die feste Verteilung vieler Aufgaben und was sonst noch anfällt schreiben wir auf den Zettel an der Schlafzimmertür und verteilen es bei unserem sonntäglichen Planungstreffen. Vor einem Kindergeburtstag machen wir eine Liste, was alles zu tun ist und teilen dann wieder auf. Dabei geht es uns vor allem darum, wer was besonderes gerne macht und dann erst darum, dass es etwa 50/50 aufgeteilt ist.

Seid ihr beide zufrieden mit eurem Haushaltssystem?

Ja, mittlerweile sind wir eingegroovt. Das war mit dem 2. Kind noch mal herausfordernd und wird sich sicher auch immer mal ändern.

Habt ihr hier Hilfe? 

Seit circa einem Jahr haben wir eine Putzhilfe, die alle 2 Wochen kommt, was super ist, weil uns das total entlastet. Gleichzeitig finden wir es auch wichtig, einen Teil des Haushalts mit den Kindern zusammen bzw. in ihrer Gegenwart zu machen und damit sie lernen, dass es sich nicht von alleine putzt.

Wie habt ihr die Finanzen geregelt?

Wir teilen auch bei den Finanzen 50/50. Unsere Einkommen gehen auf ein gemeinsames Konto, von dem alle Fix- und Haushaltskosten abgehen. Zudem hat jede*r ein eigenes Konto, auf das wir uns monatlich vom gemeinsamen Konto das gleiche „Taschengeld“ überweisen. Um unsere Altersvorsorge haben wir uns erst letztes Jahr gekümmert. Wir haben nun jede*r einen Riestervertrag und wollen uns auch noch um weitere private Vorsorge kümmern.

Wie seid ihr selbst aufgewachsen? 

Martin ist mit sehr traditionellen Rollenbildern aufgewachsen: Sein Vater hat Vollzeit gearbeitet, seine Mutter war 18 Jahre lang zuhause.
Meine Eltern haben mir etwas ganz anderes vorgelebt: Meine Mutter hat immer gearbeitet. Als ich geboren wurde, haben meine Eltern gerade zusammen den Familienbetrieb meines Opas übernommen und beide 3 Tage die Woche gearbeitet. Den überschneidenden Tag war ich, als ich 6 Monate alt war, bei einer Tagesmutter. Auch später, im Kindergarten und in meiner Grundschulzeit, war mein Vater an zwei Nachmittagen zuhause.
Das hat mich auf jeden Fall sehr geprägt und dazu geführt, dass ich das Thema Rollenverteilung schon mit Martin besprochen habe, bevor ich schwanger wurde.

Findet ihr euer System gerecht, seid ihr glücklich damit?

Ja, total! Wir freuen uns immer wieder darüber, wie viel wir beide beruflich in den letzten Jahren seit der Geburt von Jonne erreicht haben. Und das ist nicht auf Karriere im klassischen Sinne bezogen, sondern eher in Bezug auf unsere persönliche Erfüllung. Davon profitieren wir alle, weil wir beide sehr gerne arbeiten und trotzdem viel Zeit mit unseren Kindern verbringen können. Das macht uns glücklich!

Was würdet ihr euch vom Staat, von eurem Umfeld, vom Arbeitgeber wünschen?

Wir finden es nicht mehr zeitgemäß, dass der Staat mit dem Ehegattensplitting eine traditionelle Rollenverteilung fördert und den Pay- und Caregap zementiert. Um die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen und moderne Lebensentwürfe zu fördern, wäre es viel sinnvoller, wenn das Ehegattensplitting abgeschafft würde und es stattdessen steuerliche Vorteile für Familien oder grundsätzlich Menschen mit Kindern gäbe. Das würde auch Alleinerziehenden viel mehr helfen.
Zudem muss sich die Qualität der Kinderbetreuung in Deutschland dringend verbessern. Es braucht mehr Kita-Plätze, mehr Erzieher*innen, die besser bezahlt werden und einen besseren Betreuungsschlüssel!

Was kommt immer zu kurz?

Aktuell unsere Paarzeit. Das ist allerdings auch dem Alter des Babys geschuldet und weil wir beide gerade viel Zeit in Arbeit stecken. Das wird sich wieder ändern!
Grundsätzlich haben wir das Gefühl, dass durch 50/50 für beide am wenigsten zu kurz kommt – jede*r hat von allem etwas: Care-, Haus-, Erwerbsarbeit und Zeit für sich.

Und was klappt aber eigentlich ziemlich gut?

Unsere ganze Familienorga, die Aufteilung der Care- und Hausarbeit und dass wir beide immer wieder Raum für uns (jede*r für sich) bekommen. Wir vertrauen uns 100% und können uns darauf verlassen, dass wir uns gegenseitig immer unterstützen und Pläne des/der anderen, die vielleicht Herausforderungen für die Vereinbarkeit darstellen, immer möglich machen wollen. Wir sind extrem lösungsorientiert und stolz darauf, wie wir in den letzten 4 Jahren Familie und Beruf vereinbart haben. Wir waren sind nie davon ausgegangen „dass das ja eh nicht geht“, sondern haben Wege gesucht, wie es so geht, wie es für uns gut ist. Dadurch haben wir viel erreicht und möglich gemacht und ich möchte behaupten, dass wir beide beruflich und privat viel erfüllter sind, als vor den Kindern.

Was stresst euch im Alltag am meisten?

Die Pausenlosigkeit, die ein Alltag mit Kindern eben bedeutet. Man kann nie sagen, „ ich bin raus“, man ist stets gefordert und 24 Std. „im Dienst“.

Und was macht am meisten Freude?

Gemeinsam zu lachen, zusammen zu verreisen, abends zusammen am Esstisch zu sitzen und unsere schönsten Erlebnisse des Tages zu teilen – das ist eins unserer Rituale.

Danke, Hanna!