“Einfach furchtbar” – Sissi Rasche über die Hebammen-Zukunft

Das Hebammendilemma ist seit Monaten in aller Munde. Leider hat sich bisher nicht viel getan, deshalb kann man es wohl nicht oft genug wiederholen! Wir haben die liebe Sissi zum Thema befragt – sie ist als freischaffende Hebamme selbst betroffen. Wenn nichts passiert, muss sie ihren Beruf aufgeben! Ich persönlich kann überhaupt nicht fassen, dass die Politik nicht reagiert.Ach ja, und: es gibt mittlerweile Unmengen von Petitionen, diese Petition ist die, die wir euch dringend ans Herz legen, denn sie geht direkt an den deutschen Bundestag. Und das heißt: Bei Erfolg gibt es definitiv eine Anhörung im Parlament dazu! Bitte macht mit! Warum? Lest weiter….

Sissi, worum genau geht es in der Diskussion um deinen Berufsstand?

Die große Herausforderung ist unsere Berufshaftpflichtversicherung. Die Gebühr steigt seit Jahren dramatisch.
Trotz leicht rückläufiger Schadensfälle in der Geburtshilfe steigen die Kosten pro einzelner Schadensfall drastisch an (und wie oft fälschlicherweise dargestellt, reden wir hier nicht von Schadensfällen bei außerklinischen Geburten, sondern von allen Geburten). Dazu zählen sowohl die Aufwendungen für die medizinische, pflegerische als auch die soziale Versorgung und lebenslange Einkommenssicherung der Geschädigten. Hohe Prozess- und Anwaltskosten kommen hinzu. Der Anstieg dieser Kosten lässt die Haftpflichtprämien für alle in der Geburtshilfe Tätigen – Hebammen und Ärzte – in die Höhe schnellen.
Daher kam es im Jahr 2010, ohne eine angepasste Steigerung der Hebammenvergütung, zu einem Anstieg der Haftpflichtprämien von 55.6%. Und auch wenn immer wieder gerne behauptet wird, dass sich die Sätze der Hebammen ja auch erhöht hätten, so dürfte jedem klar sein, dass eine Proportionalität natürlich keineswegs gegeben ist.
Ich habe die Entwicklung der Haftpflichtprämien zum besseren Verständnis mal aufgeschrieben:

1981 – 30,68 Euro
1992 – 178,95 Euro
2003 – 1352,56 Euro
2009 – 2370,48 Euro
2010 – 3689 Euro oder 4611,25 Euro (ohne bzw. mit Vorschaden)
ab Juli 2012 – 4242,45 Euro bzw. 5302,64 Euro (ohne bzw. mit Vorschaden)
2013 – seit Juli Anstieg für die Hebammen des BFHD um 10% auf 4.480 Euro

Ab 1. Juli 2015 hat mir meine Versicherung die Berufshaftpflicht gekündigt und ohne Versicherung kann ich meine Arbeit als freiberufliche Hebamme nicht mehr ausführen.

Im schlimmsten Fall – wie würde sich das Kinderkriegen hierzulande dann verändern?

Leider wird es dann für uns Frauen, wenn der Ernstfall eintrifft und es ab 1. Juli 2015 keine Berufshaftpflichtversicherung mehr für uns Hebammen gibt, nicht mehr möglich sein, eine individuelle Entscheidung über den Geburtsort zu treffen. Das heißt, keine Hausgeburten, keine Geburtshausgeburten und auch was viele vergessen, keine Beleggeburten mehr. Frauen müssen dann in die Klinik, treffen auf die jeweils Diensthabende Hebamme und haben keine Möglichkeit einer 1 zu 1 Betreuung. Nicht nur aus meiner professionellen Brille betrachtet, sondern vor allem als zweifache Mutter empfinde ich diese Vorstellung als einfach furchtbar.
Die Vergangenheit hat immer wieder ,wie wichtig es ist die Frauen unter der Geburt gut zu betreuen. Dabei hilft natürlich, dass sich die Frau und die Hebamme bereits Wochen oder im Idealfall Monate vorher kennengelernt haben und einen engen Bund aufbauen konnten. Ich könnte mir nicht vorstellen, 3 Frauen unter Geburt gleichzeitig zu betreuen, was leider in den Kreißsälen oft Alltag ist. Meine Kolleginnen in der Klinik haben wirklich oft ein hartes Los, weil man natürlich niemanden gerecht wird und die Frauen mitunter viel alleine sind. Ich kenne Erfahrungsberichte von Frauen, die ich nur im Wochenbett betreue und die mir dann berichten, dass keiner Zeit für sie hatte, weil es in den anliegenden Kreißsälen schwierige(re) Fälle gab. Ich bin dann immer sehr traurig, weil ich mir wünschen würde, jede Frau könnte eine kontinuierliche Betreuung unter der Geburt bekommen, egal ob zu Hause im Geburtshaus oder in der Klinik. Dann würde es meiner Meinung nach auch weniger Kaiserschnitte geben. Die Rate liegt leider jetzt schon bei ca 30%.  Wo wir doch wissen wie wichtig eine gute Schwangerschaft ist und wie prägend auch die Geburt für Mutter und Kind ist, sollte es weiterhin für jede Frau möglich sein ihren Geburtsort zu wählen, damit sich wohl fühlt und in dieser Umgebung ihr Kind sicher und gut behütet durch ihre Hebamme zur Welt bringen kann.

Was würdest du dir von der Politik wünschen?


Das ist ganz einfach. Unsere Tochter Cléo ist jetzt etwas über ein Jahr alt und ich wünsche mir, dass sie später auch noch frei entscheiden kann wo, wie und mit wem sie ihre Kinder zur Welt bringt.

Danke, Sissi!

Bitte macht alle mit und lasst das Thema nicht untergehen. Fürsorge bei der Geburt und auch davor und danach ist so wichtig, es sollte viel mehr Beleg-Hebammen und Eins zu Eins-Betreuung geben, und nicht weniger, bzw. überhaupt keine mehr! Mir wird ganz anders, wenn ich mir vorstelle, dass ich mein zweites Kind im Fall der Fälle dann nicht mehr mit meiner tollen Beleghebamme bekommen kann…. Neben der Petition ist es auch wichtig, dass wir alle nicht aufhören, darüber zu sprechen.

Man muss sich für die Bundestags-Petition übrigens registrieren. Bei der Petitionsplattform des Deutschen Bundestags registriert zu sein, ist aber wirklich eine gute Sache. Die Nutzungsbedingungen sind dort in Hinblick auf den Datenschutz sehr streng, und durch solche Petitionen können wir wirklich Einfluss auf die Politik nehmen!

Rettet die Hebammen!