Warum ich nicht weiß, ob ich ein zweites Kind will

„Wann kommt das Zweite?“ ist ja so eine Frage, die man als Mutter mit Baby oder Kleinkind wirklich oft hört, so als sei die eigene Familienplanung nicht intim, sondern öffentlich zur Diskussion gestellt. Isabel hat zu dem Thema hier auch schon etwas geschrieben, Daniela hat hier ein paar schöne Gedanken gesammelt. Und ich? Ich fürchte, ich weiß es wirklich (noch) nicht.

Vor ein paar Tagen saßen mein Freund und ich abends bei einem Glas Wein zusammen und sprachen mal wieder darüber, ob wir uns denn ein zweites Kind vorstellen können. Und das erste Mal war meine Antwort kein tief empfundenes: „Nein, bloß nicht, ein Kind ist doch auch etwas Schönes.“ Mein Kleiner ist ein Jahr und drei Monate alt und für mich hat es tatsächlich so lange gedauert, bis ich irgendwie mal Luft holen und mich auf den Gedanken, nochmal ein Kind zu bekommen, einstellen konnte.

Das liegt nicht unbedingt an der Schwangerschaft, die war total in Ordnung. Über die Schlafprobleme meines Sohnes habe ich an dieser Stelle schon einmal geschrieben, und hier ging es dann darum, wie wir diese mit einem Schlafcoaching in den Griff bekommen haben. Jetzt schläft er tatsächlich mit gelegentlichen Phasen, wo alles wieder den Bach runtergeht, ganz gut und wir haben seit vier Monaten die Abende wieder für uns (zuvor musste immer einer neben ihm liegen, was für die Beziehung wirklich eine große Herausforderung war).  Vielleicht sind wir nun also tatsächlich erholt genug, um uns den Wahnsinn ein zweites Mal anzutun.

Go with the flow oder alles durchplanen?

Aber sind wir das? Bin ich wirklich bereit für ein zweites Kind? WILL ich ein zweites Kind? Dazu muss ich sagen, dass auch mein erstes Kind kein geplantes, sondern eine (sehr schöne) Überraschung war. Für mich war es perfekt so, denn ich fand es wirklich toll, einfach mit dem Flow zu gehen und mich auf diese Erfahrung einzulassen. Hätte ich ein Kind bewusst geplant, hätte ich mich vermutlich mit lauter sorgenvollen Gedanken verrückt gemacht und wäre nie zu einer Entscheidung gekommen. Jetzt weiß ich aber auch, was ein Kind so alles mit sich bringt und kann gar nicht anders, als mir darüber Gedanken zu machen.

Ganz oben auf der Contra-Liste ist das Thema Wohnraum. Klar, unsere Dreizimmerwohnung würde auch zu viert noch irgendwie funktionieren, zumindest ein paar Jahre. Aber vielleicht wird es doch schneller eng, als gedacht, und die Aussicht darauf, wieder dem gnadenlosen Berliner Mietmarkt ausgeliefert zu sein, macht mir wirklich Angst. Es ist auch eine finanzielle Frage: Schaffe ich es noch einmal, nach der Elternzeit wieder in die Selbstständigkeit einzusteigen? 

Ein Sommer ohne Corona und Übelkeit

Und irgendwie finde ich die Aussicht darauf, noch mal ein, zwei Jahre zu erleben, in denen ich nicht entweder schwanger bin, stille oder die Welt von einer Pandemie beherrscht wird, ziemlich reizvoll. Meine Frauenärztin ist übrigens der Meinung, dass ich mir möglichst schnell Gedanken dazu machen sollte – ich bin 38 und seit November liegt mein Kaiserschnitt ein Jahr zurück, ich könnte also loslegen. “Sie sollten sich bald entscheiden, ob sie noch ein zweites Kind wollen. So viel Zeit haben sie nicht mehr“, sagte sie bei der letzten Vorsorgeuntersuchung. Ich bin ihren flapsigen Ton gewöhnt und schätze sie aus vielen anderen Gründen, aber ich fühlte mich trotzdem unter Druck gesetzt. Habe ich nicht noch ein paar Jahre Zeit? Kann ich nicht auch den Zufall ein bisschen mitmischen lassen? Oder ist es verantwortungslos, sich diese Zeit zu nehmen, wenn die Risiken für Komplikationen in der Schwangerschaft mit dem Alter steigen?

Ich weiß es nicht. Das trifft es wirklich ganz genau: Will ich ein zweites Kind? Ich weiß es nicht. Was ich weiß: Ich hatte mir eigentlich immer geschworen, dass ich kein Einzelkind großziehen werde. Weil ich selber eines bin – und das in meiner Kindheit auch nie ein riesiges Problem war. Aber später, als dann ganz erwachsene Probleme kamen, wie der Tod meines Vaters, wünschte ich mir oft einen Bruder oder eine Schwester, mit denen ich darüber hätte sprechen können. Ein Team, das sich um meine trauernde Mutter kümmert, statt mir alleine als Solo-Trost-Tochter. Klar, nicht alle Geschwister stehen sich nahe, und es gibt keine Garantie dafür, dass man einander in so einer Situation stützt, aber ich finde, es ist ein gutes Argument. 

Geschwister sind eben wirklich was Tolles und eine weitere Möglichkeit, Familie zu leben. Das möchte ich meinem Sohn nicht vorenthalten – aber ich habe auch ehrliche Angst davor, beim zweiten Kind an meine Grenzen zu geraten, denn ich fand schon das erste Babyjahr mit nur einem Kind ziemlich heftig.  Kann ich zwei Kindern gerecht werden? Bin ich belastbar genug, ihnen beiden eine gute Mutter zu sein? Trägt unsere Beziehung ein weiteres Baby mit massiven Schlafproblemen?

Das sind Fragen, über die ich mir noch eine Weile Gedanken machen muss, und ich glaube, das ist mir wichtiger, als aus falsch empfundenem Zeitdruck möglichst schnell zu einer Entscheidung zu kommen.