#ProParents: Gegen Eltern-Diskriminierung!

Es ist schon verrückt, wie man manche Missstände immer einfach so hingenommen hat, ohne sie zu hinterfragen. Zum Beispiel: Wer halbtags arbeitet, wird nicht befördert. Nehmen die allermeisten so hin. Ich früher auch! Wer schwanger wird, hat ein Problem beim Arbeitgeber. Klar, selbst schuld, sagen sogar manche. Wer ein Kind hat, hat es nicht leicht, einen neuen Job zu finden. Normal! Auch ich habe schon Freundinnen geraten, die Elternzeit und das Kind lieber nicht zu erwähnen im Lebenslauf. Weil mir klar war, dass sie dann diskriminiert würden. Ich fand das zwar Mist, aber habe es eben auch so akzeptiert, irgendwie. Damit soll jetzt Schluss sein. Die Initiative #proparents und die Zeitschriften „Brigitte“ und „Eltern“ fordern den Bundestag und den Bundesrat dazu auf, das Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“ in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) aufzunehmen bzw. eine Ergänzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auf den Weg zu bringen. Das ist sowas von überfällig! Und es fehlen noch einige Unterschriften - macht mit! Die Petition zu unterzeichnen dauert nur eine Minute - und neue Gesetze würden uns allen so viel nützen.

Ich habe Co-Inititatorin und Juristin Sandra Runge mal zu den Hintergründen befragt.

Liebe Sandra: Glückwunsch zum Baby, sie sind gefeuert. Passiert so etwas wirklich, also dass Eltern kurz nach der Geburt gekündigt wurde? Darf man das?

Direkt nach der Geburt ist man ja im Mutterschutz, da gilt ja grundsätzlich der Sonderkündigungsschutz und damit auch ein Kündigungsverbot. Eine Kündigung ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber*in sich vorab eine behördliche Genehmigung zur Kündigung einholt. Das ist nur in Ausnahmefällen möglich, zum Beispiel dann, wenn eine Firma insolvent ist. Das große Problem sind eher die Kündigungen am ersten Tag nach der Elternzeit, denn da gilt kein Sonderkündigungsschutz mehr. Zu diesem Zeitpunkt ist es sehr viel leichter, Eltern zu kündigen und das kommt in der Praxis auch sehr oft vor.

Unfassbar… Du hast ja sicher ständig solche Fälle auf dem Tisch, was waren denn die heftigsten? Wurden die dann gewonnen?

Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Fall, bei dem eine Mama nach der Elternzeit nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren konnte, weil der Arbeitgeber unauffindbar war. Es existierte nur eine Briefkastenfirma und wir mussten das Gehalt einklagen. Besonders bewegt hat mich auch ein Fall einer Mama, der mit vielen abwertenden Sprüchen gesagt wurde, dass sie mit Zwillingen ihren Job nicht mehr machen könne und dann am ersten Tag nach der Elternzeit ihre Kündigung erhalten hat. Da das Unternehmen weniger als 10 Mitarbeiter*innnen hatte, galt für sie kein Kündigungsschutz und da wir in unserem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz derzeit noch Schutzlücken haben, kamen wir mit dem Aspekt Elterndiskriminierung nicht weiter. Der Richter erklärte die Kündigung für rechtmäßig – und sie verlor ihren Job.

Es muss ja nicht immer gleich die Kündigung sein. Ist es nicht schon diskriminierend, wenn Mütter in Teilzeit von keinem ernst genommen werden in der Firma, wenn Meetings so gelegt werden, dass sie nicht teilnehmen können und wenn sie keine guten Projekte zugeteilt bekommen?

In solchen Fällen bestehen ja zwei mögliche Diskriminierungs-Aspekte: Zum einen wegen der Teilzeit, zum anderen wegen der Mutter- /Elterneigenschaft. Für Teilzeitarbeitende gibt es schon ein Diskriminierungsverbot, das in Bezug auf Schadensersatzansprüche und Leistungsverweigerungsrechte nicht sehr stark ausgestaltet ist. Hier geht es auch eher um gleiche Bezahlung im Vergleich zu Vollzeitkräften. In Bezug auf Elternschaft gibt es noch keinen Diskriminierungsschutz, dafür setzen wir uns aktuell ja mit unsere Initiative #proparents ein. Dieser würde Eltern in den von dir beschriebenen Situation den Rücken stärken. Wir hoffen sehr, dass die Aufnahme eines Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“ langfristig dazu führt, dass Unternehmen durch und durch familienfreundlich ausgestaltet werden und Meetings nach 17:00 irgendwann Geschichte sind.

Werden Väter eigentlich auch diskriminiert? Ich höre immer, die werden eher befördert.

Die Väter, die einen größeren Anteil an Fürsorgearbeit übernehmen wollen, geraten im Job auch schnell aufs Abstellgleis – zum Beispiel dann, wenn sie länger als zwei Monate in Elternzeit gehen wollen oder in Teilzeit arbeiten möchten. Nicht selten verlieren sie dann ihren Job, oder werden in den Keller zum Akten sortieren versetzt. Leider gibt es dazu noch kein gutes Zahlenwerk, aus meiner Perspektive als Anwältin kann ich aber bestätigen, dass die Fälle benachteiligter Väter, die auf meinem Schreibtisch landen, deutlich zunehmen.

Ich finde ja sogar, es sollte gerade für (werdende) Väter mehr Gesetze geben, um sie zu schützen, siehst du das auch so?

Ja, auf jeden Fall! Wir fordern über das Merkmal „Elternschaft“ ja auch einen Diskriminierungsschutz für Väter. Aktuell werde Väter gar nicht mitgedacht und daher besteht ein große Schutzlücke. Was ich mir auf wünschen würde, ist ein „Vaterschutzgesetz“ mit ähnlichen Regelungen wie im Mutterschutzgesetz, Darin könnte man zum Beispiel einen Kündigungsschutz für Väter direkt nach der Geburt regeln und eine mehrtätige Freistellung unter Fortzahlung von 100% des Gehaltes. Ideen, die in diese Richtung gehen, gibt es dazu übrigens bereits in der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie, die bis August 2022 in Deutschland umgesetzt werden muss.

Ihr fordert, dass Eltern sein als Diskriminierungsmerkmal gesetzlich geregelt wird. Gibt es da vergleichbare Gesetze in anderen Ländern?

In unserem Nachbarland Österreich sind sie beispielsweise schon einen Schritt weiter. Im österreichischen Antidiskriminierungsgesetz gibt es zwar noch kein eigenständiges Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“, aber immerhin eine Konkretisierung über das Merkmal „Geschlecht“, dass niemand aufgrund der Tatsache, dass er Kinder hat, benachteiligt werden darf.

Um hier weiterzukommen, braucht ihr erstmal 50.000 Unterschriften, wie geht es dann weiter?

Da Petitionen erst mit 50.000 Unterschrift ein Gewicht haben und in gewisser Weise ernstgenommen werden, wünschen wir uns nichts sehnlicher, als schnell die 50.000 Unterschriften zusammen zu bekommen. Das ist auch deswegen so wichtig, weil es noch keine offiziellen Zahlen gibt. Über 50% der Menschen, die bisher unterschreiben haben, geben an, dass sie selbst betroffen sind. Das sind nach aktuellem Stand über 17.000! Neben dem Ziel, das Thema verstärkt an die Öffentlichkeit zu bringen – was wir inzwischen geschafft haben, soll das Thema Elterndiskriminierung natürlich auf der politischen Agenda stehen und dann idealerweise in Wahlkampfprogrammen und Koalitionsverträgen stehen, damit eine Gesetzesänderung realistisch ist. Wir reden bereits mit verschiedenen Politiker*innen und wenn alles gut klappt, werden wir die Petition und die vielen hundert Fälle, die uns bisher erreicht haben, als Botschafter für im Job benachteiligte Eltern den zuständigen Ministerien und der Antidiskriminierungsstelle des Bundes übergeben.

Na, dann: Toi Toi toi!!!! HIER könnt ihr unterschreiben!

Foto © Brigitte