(K)Ein Urlaub mit Baby

Keine Ahnung, wie ich mir Urlaub mit Baby vorgestellt hatte. Wie so oft, habe ich in den letzten zehn Monaten gar nicht gedacht, sondern wieder mal alles auf mich zukommen lassen. Und Urlaub war die letzten Jahre eh nichts, was mir besonders wichtig war.

Klar, mal ein paar Tage raus kommen mit Freunden oder dem Partner war ganz nett, aber nichts, wovon ich meine Stimmung oder Planung abhängig machte. So richtig Erholung habe ich früher, in meinen Larifari-Leben eh nicht gebraucht und nur so am Strand liegen war auch noch nie so richtig mein Ding gewesen. Tja Mutti, keine Sorge… von Erholung und am Strand abhängen bist du jetzt auch so weit entfernt wie nie zuvor. Willkommen in der Realität – alias Urlaub mit Baby.

Die erste Reise mit Baby

Bisher hatten sich unsere Ausflüge mit Mikkel nur auf die Heimatstädte beschränkt, das hieß also auch immer Babysitter aka Großeltern inklusive. Acht Hände sind deutlich entspannter als vier und in der Heimat kennt man sich aus. Mit einem neun Monate alten Baby nach Dänemark ans Meer fahren, ist ne andere Nummer. Ganz besonders, wenn man die Unterkunft nicht selber gebucht hat, sondern durch liebe Freunde im Rahmen einer Hochzeit, untergebracht wird… Und für alle, die vergessen haben oder noch nicht wissen, wie ein neun Monate altes Baby tickt. In etwa so: krabbeln, hochziehen, anfassen, umschmeißen, in den Mund stecken, runterziehen, umkippen und wieder von vorne. Mikkel sieht momentan aus wie eine reife Banane, überall dunkle Stellen, garniert mit Beulen. Wenn dann auch noch zeitgleich ein Schub dazu kommt, wird das Ganze noch garniert mit Wutanfällen, Willen durchsetzen, viel weinen und nicht schlafen wollen. Milde ausgedrückt: eine explosive Mischung. Insbesondere eine Mischung, die in den eigenen vier Wänden deutlich absehbarer und berechenbarer ist. Aber deshalb das Haus nicht verlassen? Ist ja auch Quatsch und als die ersten Bedenken sich meldeten waren wir ja auch schon fast da.

Wasserbett und Privatstrand mal anders

Nach einer fast stressfreien Anreise mit dem Auto in Dänemark angekommen, muss in der Nacht erst mal ein Schlaflager in der Unterkunft zusammen gebaut werden, da das Reisebett auf Grund des Schubes und somit starker Anhänglichkeit gerade nicht in Frage kommt. Kein einfaches Vorhaben so ohne Licht und Geräusche (Baby schläft schon), doch wir schaffen es uns irgendwie, ein gemütliches Lager zu bauen. Jetzt nur noch schnell die Windel wechseln und dann endlich schlafen… warum ist denn das plötzlich so nass und warm am Bein? Ah ja, es musste selbstverständlich beim Windeltausch aus dem eh schon provisorischem Bett ein Wasserbett gemacht werden. So verbringen wir also unsere erste, ohnehin schon sehr kurze Nacht, in einer warmen Pipi-Lache. Herrlich, der Urlaub kann beginnen!

Natürlich wird Mikkel im „Urlaub“ auch noch eine halbe Stunde früher wach als sonst und schleppt man sich zu Hause einfach müde ins Wohnzimmer auf die Spieldecke, lädt die dänische Unterkunft (ein altes Pfadfinderlager) nicht sofort zum Spielen auf dem Boden ein. Was für Kinder ab drei ein richtiger Abenteuerspielplatz wäre, wird für ein Krabbelkind zum Survival Camp. Also ab zum Strand, schließlich ist das Meer nur fünf Minuten entfernt, es gibt dort wenig Ecken und Türen zum Kopf stoßen und wieso eigentlich nicht mal vor acht Uhr morgens am Strand sein? Trotz aller Ironie muss ich zugeben, dass es tatsächlich wunderschön am Morgen dort ist, wir haben den Strand für uns alleine und es kommt die erste Urlaubsstimmung auf. Wir bauen unsere Windmuschel auf und frühstücken Reste von der Autofahrt. Mikkel mag alles am liebsten in Sand paniert: Blaubeeren, Brot, Banane – schmeckt erst so richtig gut, wenn es zwischen den Zähnen knirscht.

Lange Tage, endlose Abende

Und nun? Was machen wir jetzt die nächsten 12 Stunden? Würde man normalerweise ohne Kind genau diese Art von Urlaubstagen einfach an sich vorbei ziehen lassen und eben nicht auf die Uhr gucken, sind die Tage am Meer genau so getaktet durch Mahlzeiten und Schläfchen, wie zu Hause. Aber wir kriegen die Zeit gut rum, wechseln uns ab mit Sandburgen bauen, lernen die anderen Hochzeitsgäste kennen, essen lecker und haben hier und da klitzekleine Momente der Entspannung. Mikkel beobachtet die größeren Kinder, lernt neue Geschmäcker kennen und liebt den übergroßen Sandkasten zwischen den Dünen. Es ist schön. Anstrengend, aber schön. Ich fange sogar an Frieden damit zu schließen, dass Urlaub mit Baby bedeutet noch mehr Dinge von A nach B zu räumen, überall, wirklich überall Sand zu finden, ihn noch mehr auf dem Arm zu tragen und nach Gefahrenquellen zu suchen als zu Hause. Was mir aber dann doch den Rest gibt sind die Abende. Die vielen neuen Eindrücke, fremden Gesichter und die raue Meeresluft führen nämlich nicht dazu, dass Mikkel wie ein Stein schläft, sondern dass es ihn am Abend förmlich übermannt und er so schlimm weint, wie selten zu vor. Er findet nicht zur Ruhe und noch bevor die Party nach der Hochzeit so richtig los geht, verabschiede ich mich und bringe Mikkel zurück zu unserer Hütte. Geschlagene 2,5 Stunden weint er, bis wir kurz vor dem Einschlafen kurzzeitig zusammen ein paar Tränen verdrücken. Ich bin fertig mit den Nerven und frage mich ob von nun an jeder „Urlaub“ so ablaufen wird?

„Genieß die Zeit, sie ist so schnell vorbei!“

„Wird es nicht“, bestätigen mir am nächsten Tage die anderen Eltern, deren Kleinkinder bis spät mit auf der Party getanzt haben, auf dem Schoß eingeschlafen sind und teilweise am Morgen schon selbst aufstehen können, um im Garten zu spielen. Ich solle ein bisschen Geduld haben und vor allem diese Zeit genießen, sie wäre viel zu schnell vorbei – und so kostbar. Bestimmt haben sie recht und trotz aller Strapazen, sind wir trotzdem froh, dass wir den Trip gemacht haben. Zum Glück verbringen wir auf dem Weg zurück nach Berlin noch einige Tage bei den Großeltern im Norden, hier sind sie wieder die acht helfenden Hände und endlich bleibt ein bisschen Zeit, über den erlebten Urlaub nachzudenken, Fotos zu gucken und über Erlebtes zu lachen. Ein bisschen fühle ich mich schlecht weil ich mit zwischenzeitlich so sehr Momente ohne Kind herbei gewünscht habe und bin erleichtert zu lesen dass es Stefanie Luxat auch so geht: „Will man sie den einen Moment dringend loswerden, durchströmt einen im nächsten Moment so ein Schwall an Liebe und guten Gefühlen, dass all das Anstrengende in die Ferne rückt.“ schrieb sie erst vor kurzem. Oh, ja! Rückwirkend glaube ich, hatten wir einfach ein schlechtes Timing erwischt, was den Entwicklungsschub betrifft – und auch über die Unterkunft hätten wir uns genauer informieren können. Hier zahlt sich Erfahrung sicherlich irgendwann aus.

Zurück in Berlin sind alle Strapazen längst vergessen, der Schub schon wieder vorbei und es bleiben die Erinnerungen an Mikkels ersten Urlaub am Meer, Lakritzeis und immer noch jede Menge Sand und Muscheln in unseren Taschen und Schuhen. Als ich beim Koffer auspacken das Buch finde, das ich zum lesen mitgenommen hatte, muss ich laut lachen. Ich leg es mal auf die Seite, für den nächsten Urlaub…