Schwangerschaft, die dritte
Und das ist auch das, was mich so umtreibt dieser Tage. Diese Ambivalenz aus: Wow, da kommt noch ein Kind! Und: Ok, dann eben noch eins. Tatsächlich läuft diese Schwangerschaft eher so nebenher und die “Glow-Momente” sind rar gesät. Mit zwei Kindern und Job bleibt einfach wenig Zeit, sich verträumt über den Bauch zu streicheln und sich auszumalen, wie es so wird mit dem neuen Baby (außer wenn man Fotos macht, hihi).
Trotzdem gibt es natürlich auch die schönen Augenblicke: Wenn man erste zarte Kindsbewegungen spürt und eingekuschelt mit dem großen Kind liegt. Aber es gibt eben auch viele Momente, die eher anstrengend sind: Wenn das einjährige Kind munter auf dem Bauch rumturnt und man einfach so gar keine Chance hat, dem Kleinen verständlich zu machen, dass das gerade keine gute Idee ist. Wenn beide Kinder in der Hektik morgens angezogen werden müssen bzw. Hilfe beim Anziehen brauchen, und der Bauch, obwohl er klein ist, gefühlt jetzt schon im Weg ist und ich schweißgebadet versuche, das große Kind pünktlich zur Schule zu bringen.
Und dann kommen die emotionalen Augenblicke, in denen ich meine Kinder ansehe und denke: Krass. Zwei so tolle Jungs. Und dann ist noch ein Kind unterwegs – wie reich wir doch sind. Und ich merke, dass mein Leben eben doch ein wenig Wunschkonzert ist: Dass das, was ich mir vor Jahren so gewünscht hatte und was damals unerreichbar schien, alles eingetreten ist. Heute morgen hat mich eine Freundin gefragt, ob ich das Jahr 2020 auch so anstrengend fand. Ich konnte nur sagen: Ich weiß es nicht. Anstrengend fand ich die Jahre, in denen ich drei Jahre immer wieder vor dem Familiengericht stand, die Jahre in denen ich in einer ziemlich unglücklichen Beziehung war. Das waren existenzielle Ängste. DAS war anstrengend.
Mein Leben jetzt hingegen ist nicht immer Sonnenschein, aber es fühlt sich an den allermeisten Tagen an wie Disneyland, wenn auch mit chronischem Schlafmangel. Auch weil ich das so aus meiner eigenen Vergangenheit nicht kenne, vielleicht kommt es mir gerade deshalb noch mehr wie ein Wunder vor. Die Normalität als größtes Wunder überhaupt. Und ohne zu sentimental klingen zu wollen: Ich bin dafür sehr dankbar. Weil es sich immer noch meistens so überhaupt nicht selbstverständlich anfühlt.
Harte erste Wochen
Nun also das dritte Kind. Und doch muss ich schreiben, dass die ersten Wochen echt hart waren und viel anstrengender als bei meinen vorherigen Schwangerschaften. Mehr Übelkeit, mehr Erschöpfung, mehr schlechte Stimmung. Vielleicht lag das daran, dass ich mir weniger Ruhe gönnen konnte, als bei den anderen beiden? Immerhin lebt der Große bei uns im Wechselmodell und so hatte ich auch bei meiner zweiten Schwangerschaft immer wieder eine Woche Ruhe. Hatte lange Arbeitstage, die es zuließen, zwischendurch mal ein Nickerchen zu machen. Jetzt ist mein Alltag ziemlich eng durchgetaktet. Für kurze Pausen ist da nicht wirklich Zeit.
Vielleicht war ich bei den anderen Schwangerschaften aber auch einfach jünger und habe es deswegen besser weggesteckt. Was mir auch etwas schwerer gefallen ist dieses Mal: Die Unausweichlichkeit. War eine dritte Schwangerschaft vorher eher ein Gedanke, mit dem ich gespielt hatte, eine Vorstellung, die ich irgendwie schön fand, aber die mir auch relativ weit weg erschien, ist der harte Realitätscheck schon einschneidend. Wenn es dann tatsächlich so ist, wir also Fakten geschaffen hatten, überkam mich ein Gefühl der Ohnmacht, das bei mir kurzzeitig Panik und Unbehagen auslöste. War es die richtige Entscheidung? Sind wir nicht ein bisschen verrückt?
Und so brauchte ich einfach meine Zeit, die neue Realität auch zuzulassen. Mit Beginn des vierten Monats ging es mir dann auch körperlich besser und seitdem kann ich mich auch richtig auf das Kind freuen. Zudem leben wir mitten in einer Pandemie, deren Gefahren ich ganz gut ausblenden kann, soweit es denn geht. Die sozialen Kontakte sind auf ein absolutes Minimum reduziert. Und, sorry to say, dadurch, dass alles geschlossen ist, habe ich in dieser Schwangerschaft überhaupt kein Fomo! Ich muss bei keinem Weihnachtsdinner der Marke XY auf das Glas Rotwein verzichten, das ich doch sonst so gern trinke. Ich kann einfach guten Gewissens um 21:00 Uhr einschlafen und habe nicht das Gefühl, ich sollte doch eigentlich lieber im Restaurant mit Freunden sitzen. Der vielleicht einzige kleine Vorteil, wenn man bei einer Pandemie, durch die täglich allein in Deutschland rund 500 Menschen sterben, überhaupt dieses Wort benutzen sollte.
Was mir erst so langsam klar wird, sind eher die “Problemchen logistischer Natur”: Ein größeres Auto muss her, denn wir müssen leider, wenn der Große da ist, immer längere Strecken durch die Stadt fahren und brauchen nun drei Isofix-Halterungen. Dann: Wir brauchen einen Geschwisterkinderwagen. Und ein Lastenrad. Und überhaupt, wo schläft das dritte Kind eigentlich später? Alles keine weltbewegenden Probleme, und ich bin zuversichtlich, dass sich das alles klären wird – und wir gute Lösungen finden. Manchmal fühlt es sich aber doch etwas viel an.
Two under two
Ein wenig Sorge macht mir noch das “Two under Two”-Phänomen, also zwei Kinder unter zwei Jahren zu haben. Was habe ich für Horror-Geschichten von Bekannten gehört! Die Mutter, die ich ewig nicht gesehen hatte, dann kurz auf der Straße traf, den Tränen nah, es wäre so wahnsinnig anstrengend mit zwei Kindern unter zwei Jahren. Die Freundin, die zu mir meinte, ich solle auf keinen Fall zwei so Kleine hintereinander bekommen! Puh. Da kostet es manchmal Kraft, sich abzugrenzen und sich daran zu erinnern, dass es nicht so kommen MUSS. Und auch dass die Menschen unterschiedlich belastbar sind, die Situation und die Umstände unterschiedlich sind, von denen man im Small Talk vielleicht gar nicht so viel mitbekommt.
Auf den anderen Seite hat mich das Leben schon gelehrt, dass es meist nicht die Dinge sind, wovor dich die Leute warnen, die anstrengend werden, sondern ganz andere Dinge, die dann überraschend die Herausforderung darstellen. Und ich würde mich auch ehrlich gesagt als relativ resilient bezeichnen, der positive Effekt einer eher durchwachsenen Kindheit. Dabei hilft auch: Ich habe das alles so gewollt, dieses Friede-Freude-Eierkuchen-Familie-mit-drei-Kindern. Dass das ab und zu mal anstrengend wird, ok. Dass man selbst mal eine Zeit weniger stattfindet, finde ich auch nicht schlimm. Irgendwann sind sie ja größer. Und es wird auch wieder einfacher. Und jetzt würde ich gern einen Gang zurückschalten. Mich einfach über das Baby freuen, kleine süße Strampler kaufen und mit voller Zuversicht und guter Hoffnung in die Zukunft schauen. Hallo Schwangerschaftshormone – da seid ihr ja doch!
Foto: Anne Freitag