Let’s talk about: Spielzeug-Waffen

Ich habe mich vor nicht allzu langer Zeit noch weit aus dem Fenster gehängt: Holzspielzeug wollte ich kaufen, pädagogisch und ästhetisch wertvoll. Nachhaltig und gerne ein bisschen Waldorf. Sie sehen schöner aus und sind doch auch viel kreativer! Plastik-Zeug: never. Gender-Spielsachen? Bitte auch nicht. Merchandise-Produkte? Nein. Das passt nicht zur Philosophie unserer Familie, sowas kommt nicht ins Haus.

Der Sohn hatte andere Pläne. Er hat mit einer immensen Vehemenz und Leidenschaft nach genau diesen Dingen verlangt. Nach Spiderman, Ninjago, Star Wars, nach Plastik-Pistolen, Schwertern, Waffen aller Art. Alles Erklären und Kompromisse finden hat nichts an seinen Wünschen geändert.

Wie kommen die da überhaupt drauf?

Unser Sohn geht in eine relativ große und sehr gemischte Kita. Es ist eine “waffenfreie” Kita, daran halten sich auch alle. Aber er geht dort mit vielen Jungs aus ganz anderen Milieus zusammen hin. Bei uns ist keine Waldorf-Heile-Welt. Da wird eiskalt “Krieg” gespielt und die Kinder bekommen von zuhause ganz andere Werte vermittelt. Einige von euch wären sicher entsetzt, wenn sie wüssten, was in anderen Familien ganz normal ist an Spielsachen, Computerspielen und – vor allem – Umgangsformen.

Ich hadere damit immer wieder, denn er schaut sich viel ab. Am Ende finde ich es aber im Großen und Ganzen okay und sogar gar nicht so schlecht. Spätestens in der Schule wird er mit anderen Jungs und deren Interessen konfrontiert werden. Ich vertraue darauf, dass wir ihm zuhause genug vermitteln, sodass er damit umgehen und unterscheiden lernt. Ganz nebenbei: mir tut die Konfrontation mit ganz anderen Familien auch gut, ich schaue täglich über den Tellerrand.

Zurück zum “Schrott” Spielzeug: Xaver gab also nicht auf. Tut er selten. Bis wir Eltern uns irgendwann sagten: Es sind nur Spielsachen. Ist es nicht bescheuert, dass WIR damit so ein Problem haben? Was haben wir davon, ihm das zu verbieten? Schließlich können wir uns beide noch genau daran erinnern, wie doof wir es fanden, wenn unsere Mütter (beide schon in den 80ern eher öko drauf) uns Spielsachen verboten haben. Ich wollte zum Beispiel immer eine Barbie und fand den Terz, den meine Mutter darum gemacht hat, völlig unverständlich.

Also: erlaubten wir. Immer mehr. Es ging los mit Star Wars-Pflastern, mal ein ein Ninjago-Heft, ein Spiderman-Kostüm,  immer mehr Lego zog ein, natürlich nicht das “Classic” sondern die Krieger und Helden und so weiter. Die mit den bösen Gesichtern. Die Welt unseres Sohnes: in GUT und BÖSE unterteilt. Viel Peng Peng. Wilde Rollenspiele mit ganz schön viel Action. Nun gut.

Das Waffen-Verbot

Eine Sache behielt ich mir aber vor: Waffen sollten ein No-Go bleiben. Schlimm genug, dass der Vierjährige jeden Stock zum Schwert machte und imaginär auf uns schoss. Ich wollte keine Plastik-Pistolen im Haus haben. Ich erklärte ihm das oft und immer wieder. Waffen machen schlimme Sachen. Krieg ist nie cool. Es ist nicht schön zu spielen, dass man auf jemanden schießt. Bitte nicht auf Menschen zielen.

Ich las viel zu dem Thema. Dass Kinder sich in diesem Alter oft sehr klein und machtlos fühlen und dieses Machtgefälle durch Waffen aufwiegen wollen: sie wollen sich stärker fühlen! Das machte so viel Sinn. Er will seit langem mehr selbst bestimmen, und auch wenn wir immer versuchen, ihm diese Selbstwirksamkeit in vielen Punkten zu ermöglichen, geht es natürlich nicht immer. Ich sagte: Ich verstehe, dass du das willst, aber ich möchte es nicht. Natürlich beeindruckte ihn das wenig.

Das Fantasiespiel blieb – peng peng! – und er fand tatsächlich auch einen Weg, Plastikpistolen nach Hause zu bringen: Er suchte sich jedes Mal, wenn wir bei Freunden zu Besuch waren, irgendwelche Schwerter, Kanonen, Panzer und so weiter aus und fragte, ob das geliehen/geschenkt oder getauscht werden könnte. Klappte immer. Er hatte mich ausgetrickst, denn natürlich würde ich ihm nie ein Spielzeug verbieten, das er eben erst eingetauscht oder geschenkt bekommen hatte. Außerdem fand ich es faszinierend, wie er in dem Alter schon Wege fand, seine Wünsche durchzusetzen. Er hatte mich ausgetrickst, es zogen diverse Waffen bei uns ein.

Ich merkte wieder: ich muss mich da entspannen. Es nicht persönlich nehmen. Daran glauben, dass das Kind kein Massenmörder werden wird, nur weil es gerne imaginär rumballert. Ich blieb bei meinen Regeln: Niemals auf Menschen zielen und Stop heißt Stop. Aber ich sah dem Geballere von da an fast ein bisschen belustigt zu und fand es irgendwie nicht mehr ganz so schrecklich. Und was passierte? Nach kürzester Zeit hatte sich seine extreme Faszination für Waffen gelegt. Wir haben uns beide entspannt. Vor ein paar Wochen habe ich ihm sogar (Asche über mein Haupt) ein Spidermann-Schrott-Magazin mit einer kleinen China-Pistole vorne dran gekauft. Musste sehr lachen, sah ich doch mich vor einem Jahr und wie ich mich selbst verurteilt hätte, für so ein unmoralisches Geschenk.

Und die Moral von der Geschicht?

Sogar die kleine Spidermann-Knarre war ziemlich schnell uninteressant. Die Ninjago- und Star Wars-Phase ist auch schon deutlich eingeschränkt, seit er sie ausleben darf. So wird es vermutlich weitergehen. Mein Kind wird immer  wieder Dinge toll finden, die ich gar nicht toll finde. Und das ist okay, ich kann ihm sagen, dass ich das nicht gut finde, ihm erklären, warum. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass es sinnvoll ist, sie ihm zu verbieten. Ohnehin lässt er sich nichts verbieten!

Eine gute Freundin von mir, ihr Sohn ist aber auch eher in einer “Heile Welt” Kita als unserer es ist, ist da überhaupt nicht bei mir. Sie findet, dass man Kindern falsche Werte vermittelt, wenn man sie mit so etwas spielen lässt. Dazu die Gender-Sache: man unterstützt durch solche Spielsachen Rollenbilder, die doch keiner mehr will. Wenn das Kind sich stärker fühlen will und Aggressionen ausleben will, dann sollte man andere Wege finden, sagt sie. Sport zum Beispiel. Ich sage: du hast leicht reden, dein Kind weiß nicht mal, was Ninjago ist! Aber ich sehe natürlich auch den Sinn ihrer Argumentation (und vor nicht allzu langer Zeit hätte ich ähnlich argumentiert).

Auch auf dem Blog “Gewünschtestes Wunschkind”, gab es einen Artikel zu dem Thema, in dem ich mich 100% wiederfinden konnte. Mit vielen weiteren Erklärungen, warum Kinder (respektive Jungs) dieses Waffen-Ding so gut finden. Viele fanden auch diesen Artikel schrecklich, aus genau den Gründen, die auch meine Freundin anführt.

 

Ich denke, so ganz pauschal gibt es auch hier sicher nicht die eine richtige Antwort. Ich habe für mein Kind und mich festgestellt, dass Entspannung gut war. Für andere mag es anders besser klappen: andere Familien, andere Regeln.

 

Ich bin aber gespannt, was ihr denkt: Findet ihr es okay, wenn Kinder mit Spielzeug-Waffen spielen? Würdet ihr es euren Kindern erlauben, oder nicht?

 

PS: Auf dem Foto ist eine Kissenschlacht, und ich weiß gar nicht, ob ich die im Zweifel vorziehen würde. Bei uns ist schon Einiges zu Bruch gegangen während der Kissenschlacht!!