Resilienz lässt sich trainieren – Leandra Vogt zeigt, wie’s geht!
Leandra hat sich auf die Resilienzförderung in der Familie spezialisiert und neben ihrer Arbeit als freie Autorin und Dozentin unterstützt sie Mütter dabei, das Verhalten ihrer Kinder besser zu verstehen und ihre eigenen Kraftressourcen zu finden und zu nutzen. Diese Arbeit trägt sie durch ihren Podcast „Der Club der starken Mütter“ und ihre gleichnamige Beratungsplattform in so viele Familien wie möglich. Für uns hat sie einen kleinen Überblick zum Thema Resilienz in Familien samt möglichen Risiko- und Schutzfaktoren zusammengestellt:
Was genau ist Resilienz?
Resilienz ist die Fähigkeit, die es uns erlaubt, trotz Krisen, Herausforderungen oder gar traumatischen Erfahrungen mit Lebensfreude und Gelassenheit durchs Leben zu gehen. Für unsere Kinder wünschen wir uns genau das: Innere Stärke, die es ihnen erlaubt, trotz der schmerzhaften Erfahrungen des Lebens, vor denen wir Eltern sie nicht bewahren können, immer wieder zurückzufinden zu Lebensfreude, Kraft und Liebe.
So wäre da beispielsweise der Verlust eines geliebten Haustiers, der Leistungsdruck in der Schule oder gar die Trennung der Eltern. Manchmal begegnen wir unerwarteten Herausforderungen, die uns buchstäblich „Kraft abverlangen“. Genau diese Kraft präventiv, also im Vorhinein, aufzubauen, kann sowohl uns, als auch unsere Kinder dabei unterstützen, diesen Herausforderungen gelassener zu begegnen.
Resilienz lässt sich trainieren
Aktuelle Forschungsergebnisse belegen, dass es bestimmte Haltungen, Fähigkeiten und Eigenschaften gibt, die genau diese Fähigkeit zur Resilienz, also der inneren Stärke, trainieren können. Hierbei handelt es sich um die sogenannten Schutzfaktoren. Bildlich gesprochen wäre dann die Resilienz so etwas wie das Immunsystem der Kinderseele und die Schutzfaktoren all die Vitamine und Nährstoffe, die es braucht, um das Immunsystem in voller Kraft zur Entfaltung zu bringen. Gleichermaßen gibt es sogenannte Risikofaktoren, die, wenn wir im Bild bleiben, Bakterien und Infektionen entsprechen.
Risikofaktoren:
Prä-, peri- und postnatale Faktoren (z. B. Frühgeburt)
Neuropsychologische Defizite
Psychophysiologische Faktoren (z. B. niedriges Aktivitätsniveau)
Genetische Faktoren (z. B. Trisomie 21)
Chronische Erkrankungen (z. B. Neurodermitis)
Unsichere Bindungsorganisation
Geringe kognitive Fähigkeiten (z. B. geringer IQ)
Geringe Fähigkeiten zur Selbstregulation
Chronische familiäre Disharmonie
Elterliche Trennung und Scheidung
Arbeitslosigkeit
Alkohol- und Drogenmissbrauch der Eltern
Psychische Störungen/Erkrankungen der Eltern
Niedriges Bildungsniveau der Eltern
Unerwünschte Schwangerschaft
Soziale Isolation der Familie
Adoption
Verlust eines nahestehenden Menschen
(vgl. Scheithauer & Petermann 1999)
Schutzfaktoren:
Problemlösefähigkeiten
Selbstwirksamkeit
Positives Selbstkonzept/Selbstvertrauen/Selbstwertgefühl
Fähigkeit zur Selbstregulation
Hohe Sozialkompetenz
Sicheres Bindungsverhalten
Freude am Kompetenzerwerb
Interessen/Hobbys
Kreativität
Körperliche Gesundheitsressourcen
Mindestens eine stabile Bezugsperson
Autoritativer Erziehungsstil
Enge Geschwisterbindungen
Hohes Bildungsniveau der Eltern
Harmonische Paarbeziehung der Eltern
Familiäres Netzwerk
Hoher sozioökonomischer Status
(vgl. Wustmann 2004)
Möchten wir unsere Kinder für ihr Leben stärken, so könnten wir jetzt versuchen, möglichst viele dieser Schutzfaktoren in ihr Leben zu integrieren. Sicherlich kann das sehr hilfreich sein und die Resilienzfähigkeit unserer Kinder unterstützen. Schließlich ist das eine der schönsten Erkenntnisse, die die Forschung bisher hervorgebracht hat: Resilienz ist trainierbar.
Fördermöglichkeiten für uns Eltern
Vielleicht ist es euch bereits bei der Liste von Risiko- und Schutzfaktoren aufgefallen: in der Beziehung zwischen uns und unseren Kindern liegt eine immense Kraft – eine Kraft, die so enorm ist, dass Beziehungen sowohl Schutz- als auch Risikofaktor für die innere Stärke eines Kindes sein können.
Dazu ein Beispiel:
Stell dir vor, du wärst in der Beziehung zu deinem Partner extrem unglücklich. Du fühlst nicht nicht verstanden, bevormundet und hintergangen. Dein Partner bringt dir nicht nur zu wenig Wertschätzung entgegen, sondern greift dich sogar regelmäßig persönlich an. Je nachdem, wie wichtig dir die Beziehung zu diesem Menschen ist, kannst du nun für dich abwägen, ob du an der Beziehung arbeiten oder sie verlassen möchtest. Unsere Kinder können das nicht. Wann immer Heranwachsende an Menschen gebunden sind, sind sie von deren Launen, Werten und Vorstellungen abhängig. Kinder müssen kooperieren um zu überleben – so ist es genetisch im kleinen Menschen veranlagt.
Eigene Resilienz kommt dem Kind zu Gute
Diese Erkenntnis zeigt ganz klar: Unser Bild vom Kind, unsere Vorstellung vom Leben sowie unsere Zufriedenheit mit uns selbst beeinflusst maßgeblich, inwiefern wir Risiko- oder Schutzfaktoren für unsere Kinder darstellen. Blickt man auf die Schutz- und Risikofaktorenliste in diesem Beitrag, liegt nahe, dass Verlässlichkeit, Wohlwollen und Gleichwürdigkeit in der Beziehung zu unseren Kindern ihre Resilienz fördern. Strafen, künstlich inszenierte Grenzen und Konsequenzen mit dem Ziel, bestimmte Verhaltensweisen zu forcieren, sowie Gleichgültigkeit oder Unzuverlässigkeit sorgen für Beziehungen, die tendenziell als Risikofaktor gelten können.
Beziehung als Schutzfaktor
Die Investition in die persönliche Weiterentwicklung, die persönliche Selbstfürsorge, in das Hinterfragen routinierter Handlungsmuster und das bewusste Hinschauen auf das eigene Bild vom Kind lohnen sich also – mindestens zweifach sogar. Der kontinuierliche Blick in Wohlwollen und mit Chancenorientierung ermöglicht es uns Eltern, eine Beziehung zu unseren Kindern zu gestalten, die zu einem der kraftvollsten Schutzfaktoren ihrer innerer Stärke zählen kann. Ein Vitamin B sozusagen, welches das Immunsystem der Kinderseele nachhaltig für das Leben stärkt.