Kindergartenwechsel: Von Töpfen und Deckeln

Katharina hat mit ihrem Sohn zweimal die Kita gewechselt. Die Entscheidung zum Wechsel war in beiden Fällen keine einfache. Nun fährt ihr Sohn jeden Morgen mit seiner neuen Kita in den Wald und hinterlässt seine am Bus winkende Mutter sehr zufrieden zurück.

Mit der Kita ist es in Berlin ja so: Es gibt einen gewissen Standard, dass wir Eltern unsere Kinder hier alle sehr früh in den Kindergarten, die Krippe, zur Tagesmutter geben. Selten hört man hier hingegen jemanden raunen, die Kinder würden erst mit zwei oder drei Jahren in den Kindergarten gegeben. Nie hört man hier jemanden erzählen, Fremdbetreuung käme nicht in Frage.

Nun bin ich wiederum das Paradebeispiel für Szenario A: Ich habe bereits darüber nachgedacht, ob es wohl ok sei, wenn ich nach zwei Monaten wieder arbeiten ginge, als Julius noch gar nicht geboren war. Dass ich ihn zu einem anderen Zeitpunkt als mit einem Jahr in die Kita geben könnte, stand gar nicht erst zur Diskussion. Für mich galt (und gilt immer noch, auch wenn ich mich nur allzu gerne davon lösen würde): Arbeiten gleich Identität: Als hätten wir (hätte ich) ohne Beruf(ung) unsere (meine) Existenz verwirkt. Darüber geschrieben habe ich schon einmal hier.

Jedenfalls: Für uns war also klar, dass Julius nach einem Jahr in die Kita kommen würde. Sein Vater studierte, ich stand am Anfang meiner Berufslaufbahn. Wir waren jung und brauchten das Geld.

Aber auch: Wir waren jung und unbedarft. Wir dachten, das läuft schon.

Im besten Fall tut es das ja auch. Bei uns lief es zwischendurch eine Weile nicht.

Um einen Kitaplatz beworben haben wir uns letztlich sehr spät, weil wir lange dachten, gar nicht in Berlin bleiben zu wollen – und hatten dann sehr viel Glück und fanden eine kleine Kita mit gutem Betreuungsschlüssel, tollen Erziehern – Menschen, bei denen wir unseren Sohn in all seinen Bedürfnissen gut aufgehoben wussten.

Den ersten Wechsel wollten wir insofern nicht wegen der Betreuungssituation. Die Wege waren schlichtweg zu weit. Wir fuhren Julius jeden Morgen und Nachmittag viel zu lange mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt. Als dann ein Platz in der Kita um die Ecke frei wurde, dachten wir nicht lange darüber nach: Die Gelegenheit schien zu günstig – die Kitas in Prenzlauer Berg würden ja ohnehin alle gut sein, glaubten wir.

Und gewisser Weise stimmt das natürlich, weil hier in Pregnancy Hill die Latte ganz weit oben liegt. Also wirklich und das kann man gar nicht oft genug betonen: sehr, sehr hoch. In vielerlei Hinsicht.

Und doch haben mich die vergangenen zwei Jahre vor allem eines gelehrt: Nicht jede Kita ist für alle Kinder, ist für alle Eltern gedacht. Vielmehr ist die Frage, inwieweit wir Eltern uns mit unseren Kindern in einer Kita wohl fühlen, eine sehr individuelle Angelegenheit.

Ich finde Susanne Mieraus Gedanken aus diesem Text, in dem sie über Erziehungspartnerschaften schreibt, dahingehend sehr treffend:

“Wo immer wir es also damit zu tun haben, dass verschiedene Menschen mit unseren Kindern zu tun haben, gilt demnach: Wir sind die Eltern unserer Kinder und Fachpersonen in Bezug auf sie. Wir kennen unsere Kinder und sind mit ihnen verbunden.”

Und:

“Deswegen ist es nun auch wichtig, genau hinzusehen, für welche Kinderbetreuung man sich entscheidet. Denn an einem wesentlichen Teil des Tages werden nun andere Personen mit dem Kind vertraut sein, mit ihm umgehen.”

Wenn ich nun in einem statistischen Mittelwert überliefern müsste, wie es den anderen Eltern in unserer alten Kita geht oder ging, würde das Urteil wahrscheinlich überwiegend positiv ausfallen. Die allermeisten kamen und kommen, glaube ich, ganz gut zurecht.

Für uns galt das nicht. Ich hatte schon sehr früh Bauchschmerzen, mein Kind morgens dort zu lassen. Und doch habe ich Julius lange in der Situation gelassen, weil ich dachte, dass mein Gefühl falsch sei, ich mich vielleicht zu sehr anstellen würde – und mein Kind im Übrigen auch, wenn es morgens an unserer Pforte oder spätestens der der Kita protestierte.

Diese Kita und wir, wir wollten einfach nicht so richtig und final zusammenpassen.

Und dann kam ein wenig aus dem Nichts die Gelegenheit, Julius in seinem letzten Kita-Jahr in eine Waldkita wechseln zu lassen und mein Herz sagte gleich und unmissverständlich laut: ja.

Und nach drei Monaten in dieser Kita kann ich es gar nicht anders sagen: Der Wald, die Kita, ihre ErzieherInnen sind das beste, was meinem Kind in diesem letzten Kita-Jahr passieren konnte.

Ich bin selbst und zu Julius’ Eingewöhnung eine Woche mit in den Wald gefahren. Und: Es ist einfach so schön. Allein, wie der Wald riecht, wenn die Kinder dort morgens ankommen, wie sich der Boden anfühlt, die Blätter im Wind klingen. Wie all diese kleinen Menschen den Tag im Wald so wunderbar fröhlich und lustige Lieder neben ihren so tollen ErzieherInnen singend beginnen, mit ihren Brotdosen so friedlich auf Lichtungen Rast halten, in den Wurzelwerken umgestürzter Bäume klettern und in Hängematten ruhen. Bester Natur-Kitsch.

Dort zu sein, spiegelt sehr deutlich, wie ich finde, was Erich Kästner einst schrieb:

„Wenn man so ganz alleine im Wald steht,
begreift man nur sehr schwer,
wozu man in Büros und Kinos geht.
Und plötzlich will man alles das nicht mehr.“

Ich habe regelrecht den Eindruck, in dieser Kita mit Julius nun angekommen zu sein, weil alles erfüllt ist, was ich mir für ihn wünsche. Und das war ja nie viel und ist im Wesentlichen: dass er sich wohl fühlt, als Mensch gesehen und wertgeschätzt wird. Der Wald ist insofern das i-Tüpfelchen. Vor allem aber passt sie, die Kita nun zu uns und wir zu ihr.

Wen das Thema Kindergartenwechsel ebenso umtreibt, bzw. wen interessiert, welche Anforderungen aus der Perspektive von Entwicklungspsychologen an eine Kita wichtig sind: Ich habe für Littleyears vor ungefähr einem Jahr ein Interview dazu geführt. Und das findet ihr als Hörversion hier: