Let’s talk about: über Geschlechtsteile sprechen
“Verniedlicht man diese Körperteile, kann es einer namentlichen Abwertung gleichkommen. Das Signal, das beim Kind ankommt: Dieser Körperteil von dir ist eine Tabuzone.” Ich persönlich finde ja, solange man offen über die Geschlechtsteile spricht und sich mit einem Kosenamen wohler fühlt, ist das auch okay.
Da gibt es auch viele Stimmen, die das genauso sehen: “Es gibt im Bereich der Sexualität immer auch Kinder- oder Privatsprache.” Für Kinder ist es ja auch völlig in Ordnung, einfache, angenehme Worte zu finden. ” so wird zum Beispiel die Sozialwissenschaftlerin Ulrike Schmauch in diesem Zeit-Artikel zitiert. Wobei ich dann so dachte: “Pipi- oder Pullermann” klingt ja schon irgendwie so, als wäre das männliche Geschlechtsteil ausschließlich zum Urinieren da. Ist es ja auch erstmal, aber weckt das nicht vielleicht falsche Assoziationen? So oder so. Darüber reden ist wichtig. Vor allem für Mädchen!
Denn das weibliche Geschlecht wird nach wie vor viel weniger und schambehafteter besprochen. Ja, immer noch. Im Jahr 2019. In diesem Porträt mit der Feministin Carol Downer wird erzählt, wie sie sich in den 70ern für mehr Frauenrechte einsetzte. Dazu gehörte auch, dass sie Workshops anbot, in denen Frauen ihr eigenes Geschlecht untersuchen und kennenlernen konnten. Downer hat auch einen expliziten Anatomie-Atlas über den weiblichen Körper veröffentlicht. Wenn man das so liest, denkt man: naja gut, SO viel hat sich 2019 auch nicht geändert. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass Vielen, die das lesen gerade auch etwas mulmig wird: Anschauen? Untersuchen?
Yep. Viele Frauen haben auch 2019 eine eher gespaltene Beziehung zu ihren Geschlechtsteilen. In diesem Artikel über den Erfinder des Womanizers steht, dass ein nicht unerheblicher Teil der weiblichen, erwachsenen Gesellschaft noch nie einen Orgasmus hatte. Auch der Trend mit den Vibratoren wird von Einigen kritisch gesehen: Denn er spricht dafür, dass viele Frauen ein Problem damit haben, sich selbst zu berühren.
Woher kommt das? Sicher auch daher, weil über das weibliche Geschlecht zu wenig gesprochen wird, weil es so selten zu sehen ist. Weil es nicht benannt wird und weil Mädchen auch eher vermittelt wird, da unten, das sei pfui, eher nicht anfassen, unbedingt waschen. Es gibt wirklich noch Eltern, die “da unten” oder „Popo vorne“ sagen! Und das hat jetzt alles noch nichts mit sexuellen Entdeckungen zu tun, aber auch das kommt ja irgendwann. Wenn kleine Jungs sich an den Penis fassen, wird das meist lächelnd hingenommen, ganz normal. Bei Mädchen, die ihre Geschlechtsteile natürlich genauso entdecken und die auch oft schon früher entdecken, dass gewissen Berührungen schöne Gefühle verursachen, schämen sich automatisch gleich viele. Den Mädchen wird vermittelt, dass ihr “Untenrum” etwas sei, dass man lieber nicht anfasst.
Indem wir das “Körper entdecken” also einfach zulassen, benennen, und vielleicht auch sofort Grenzen erklären, helfen wir unseren Töchtern, schon in ihrer Kindheit und Jugend ein selbstverständliches und positives Verhältnis zu ihren Geschlechtsorganen zu entwickeln. “Die Entdeckung der eigenen Lust ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung von kindlicher Autonomie,“ sagt Schmauch. „Vor allem, weil Kinder darüber auch lernen, dass sexuelle Lust etwas mit Intimsphäre, Grenzen und Rücksichtnahme zu tun hat.”
Übrigens herrscht auch, was das Waschen betrifft, ein Paradox in der Erziehung in vielen Familien. Die Vulva ist die im Gegensatz zum Penis ein Körperteil, das sich ziemlich gut von selbst reinigt. Alle paar Tage mit Wasser waschen reicht bei kleinen Mädchen. Auch später muss man keine Seife verwenden. Unter der Vorhaut sollte man aber wirklich gut waschen. In der Realität sieht es oft andersrum aus. Mädchen wird viel waschen nahe gelegt, Jungs eher nicht. Und obwohl Frauen eigentlich wesentlich sauberer von Natur aus sind, gibt es für sie Unmengen von Waschlotionen, extra für den Intimbereich, etcetera. Hier kann man also auch ansetzen: Jungs muss man gut erklären, wie sie sich sauber machen, bei Mädchen kann man ruhig einen Gang runterschalten…
Doch zurück zur Ausgangsfrage. Wie sagt ihr denn nun? Mumu? Scheide? Korrekt heißen die äußeren Geschlechtsteile der Frau Vulva. Das ist eigentlich ein schönes Wort. Es klingt nur sehr erwachsen… Ich habe letztens gelesen “Vulvina” sei ein gutes Wort für Kinder. Finde ich auch, aber muss man sich erst mal dran gewöhnen… Vagina und Scheide sind mittlerweile recht geläufig, daran haben sich viele gewöhnt, was gut ist. Aber eigentlich sind diese Bezeichnungen falsch: sie bezeichnen nur die inneren Geschlechtsteile, die man ja nicht sieht und auch eigentlich nicht meint, wenn man mit Kindern über das weibliche Geschlecht spricht. Also: Vulva!
Vielleicht übe ich das auch mal. Wer die Wörter, die das weibliche Geschlecht beschreiben, übrigens mal auseinander nimmt, dem fällt auf: Schamlippen, Scham… So heißt das immer noch. Scham! Als ob man sich dafür schämen müsste. Man stelle sich vor, die Eichel hieße: Schamspitze. Also da ist es doch wirklich mal Zeit für ein neues Wording. Wer hat Vorschläge?
“Wenn wir mit kleinen Mädchen normal und positiv über ihre Geschlechtsorgane sprechen, machen wir ihnen damit ein Geschenk fürs Leben.”, sagt Ulrike Schmauch auch. Denn das führt zu einem positivem Körpergefühl, zu einer selbstbewussten Sexualität und na klar, wer sich gut kennt, kann auch Grenzen klar benennen.
Und was ist mit den Jungs? Müssen wir denen das weibliche Geschlecht auch näher bringen? Der Sohn einer Freundin hatte eine Phase, in der er ständig leicht abfällig, leicht witzelnd über “Muschis” gesprochen hat. Ich denke, er war etwa 8 Jahre alt. Irgendwann hat sie sich mit ihm und einem anatomischen Bild einer Vulva hingesetzt und ihm alles erklärt. So sieht eine “Muschi” aus. Das ist die Klitoris, das sind die inneren, das die äußeren Schamlippen. Hier ist der Scheideneingang. Ganz kühl, nicht im Hinblick auf Sex, sondern einfach so. Dem Jungen war das peinlich, aber er sprach nie wieder abwertend über das weibliche Geschlechtsteil. Ich fand das irgendwie eine ziemlich coole Aktion von ihr.
Ich weiß, dass sich Viele bei diesem Thema unwohl fühlen und das ist auch okay. Prägungen sitzen tief und wer vielleicht auch immer vermittelt bekommen hat, sich “da unten” lieber nicht anzufassen, kann das nicht von einem Tag auf den anderen ablegen. Niemand muss Vulva sagen und mit Kindern über die Klitoris sprechen. Aber über den Penis und den Hodensack tun wir es eben ohne Hintergedanken. Dass im Kopf zu behalten und Tabus langsam zu enttabuisieren und unseren Kindern einen offeneren Umgang zu ermöglichen, das finde ich ganz wichtig.
Was meint ihr. Sprecht ihr offen über die Geschlechtsteile? Welche Wörter verwendet ihr?