Jessie und Johan sind streng genommen kein 50/50 Paar, denn sie arbeitet etwas mehr und verdient den Löwenanteil des Familieneinkommens. Ich wollte sie dennoch unbedingt für diese Serie gewinnen, denn diese Verteilung ist ja noch seltener, als Paare, die alles gleichwertig aufteilen! Zudem sagt Jessie, es fühle sich aber 50/50 an: „Wir sind gleichberechtigt, auch wenn ich die Ernährerin der Familie bin – so fühle ich mich aber nicht, weil mein Geschäftsmodell so persönlich ist, dass auch meine Partnerschaft dazu beiträgt, wir uns ständig austauschen können.” Jessie führt das erfolgreiche Online-Magazin Journelles, Johan ist Musiker. Die beiden Söhne Levi und Louis sind 2016 und 2018 auf die Welt gekommen. Wie der Alltag dieser sympathischen Familie so aussieht, das erzählt uns Jessie im Interview!
50/50 Paare: Jessie und Johan
Was und wieviel arbeitet ihr beide?
Wir sind beide selbstständig, mein Mann Johan ist Musiker, ich betreibe mit Journelles mein eigenes Online-Magazin. Wieviel wir arbeiten – das kann man so nicht sagen. In meinem Job ist von 20 bis 50 Stunden alles möglich, je nachdem, was gerade ansteht, wieviele Abendtermine ich habe – und so weiter. Wenn Johan Gigs hat, ist er auch mal zwei ganze Tage für einen Auftritt in einer anderen Stadt weg. Oder aber er hat Videodrehs, Proben, Aufnahmen – das können mal 30 Stunden die Woche sein, mal null. Wenn wir beide Termine haben, wägen wir ab, ob ein Termin verschoben oder geändert werden muss – je nach Dringlichkeit oder Verdienst.
Wie alt sind eure Kinder und gehen sie in eine Betreuung,wenn ja wie lange und wie oft?
Unser Sohn Levi ist drei Jahre alt und täglich von 9 bis 16 Uhr in der Kita, Louis ist ein Jahr alt und wird noch zuhause betreut. Als Novemberkind kommt er leider, genau wie sein Bruder, erst sehr spät in die Kita.
Seid ihr zufrieden mit der Betreuungssituation?
Jein. Levi gefällt es in seiner Kita zwar sehr gut, also eigentlich – gerade macht er Riesenstress beim Hinbringen und beim Abholen, das ist aber eine Phase, hoffe ich. Er hat dort liebe Freunde gefunden, jedoch ist die Kita 15-20 Minuten mit dem Auto von unserem Zuhause entfernt. Wir haben leider nichts in unserer Umgebung gefunden, sodass ich aufgrund des Verkehrs jeden Tag rund anderthalb Stunden von meiner Arbeitszeit abziehen muss. Es ist außerdem nicht optimal, dass wir beide Kinder bis kurz vor ihrem zweiten Lebensjahr zuhause betreuen müssen. Leider nehmen die Kitas die Kinder immer nur im August auf!
Wie habt ihr eure Woche aufgeteilt, gibt es feste Tage, wer die Kinder zur Kita bringt, abholt, die Abende macht, die Nächte?
Das erste Lebensjahr von Louis war turbulent, anstrengend, von Krankheiten geprägt – und daher auch in unserer Planung chaotisch, so dass ich all die Monate viel weniger und von Zuhause aus gearbeitet habe. Seit wenigen Monaten haben wir endlich eine Routine entwickeln können: Ich bringe Levi zur Kita, gehe ins Büro, arbeite, bis ich ihn wieder abholen muss. Mein Mann ist in der Zeit mit Louis zuhause, ab dem Nachmittag teilen wir dann die Arbeit. Auch die Nächte sind inzwischen viel besser geworden, seitdem ich abgestillt habe, so dass wir uns morgens mit dem “Weiterschlafen” abwechseln. Am Wochenende darf jeder ein Mal ausschlafen, sofern das möglich ist. Das erste Lebensjahr von Levi hat mein Mann die Betreuung komplett übernommen.
Organisiert ihr euch spontan oder macht ihr einen Wochen- Monatsplan?
Wir sind mit allem recht spontan, obwohl ich immer gerne einen Plan machen möchte, das dann aber ehrlicherweise nie hinhaut. Sonntagabends gebe ich meist schon mal einen Überblick über die Woche. Als Reminder, damit mein Mann weiss, wann ich nicht da bin. Ich habe einen handschriftlichen Kalender, Johan nutzt Google. Dafür gleiche ich seinen Kalender immer mit meinem ab; seine Termine und Gigs sind fest in meinem eingetragen, er verlässt sicher eher auf meinen Zuruf.
Würdet ihr sagen, dass die Organisation des Alltags sehr zeitaufwendig ist und klappt sie gut?
Innerhalb eines Jahres hat nur ein Termin nicht hingehauen, wofür wir uns dann auch gut in die Wolle bekommen haben – Schlafmangel, ich sags euch! Ansonsten ist es beeindruckend, dass unser “System” zu funktionieren scheint.
Habt ihr einzeln Hobbies, oder macht Sport? Wann findet ihr Zeit dafür?
Wir haben fixe Abendtermine, so dass jeder jede Woche einen Abend für sich hat: mein Mann geht zur Bandprobe, ich zum Tanzen. Zu meinem Job gehören ab und an auch Abendveranstaltungen, so dass ich häufiger unterwegs bin. Ich probiere meine “Maintenance-Termine”, wie ich sie nenne, also Mani/Pedi/Friseur/Facial/Massagen, immer in den Tag zu quetschen, damit mehr Zeit für die Kinder ist. Kein Wunder, dass diese Termine also nur sehr selten stattfinden, immerhin muss ja auch gearbeitet werden.
Was ist mit Paar-Zeit, wann bekommt ihr die unter?
Wir verbringen von unseren bald 14 gemeinsamen Jahren schon immer viel Zeit miteinander, sprich, wir hocken viel aufeinander, haha! Die Qualität hat allerdings stark abgenommen, weil wir dann fast nur noch Alltagsmanagement machen, beide viel müde und fertig sind. Auf unserer Agenda steht daher, wirkliche Paar-Zeit bei einem Babysitter einzukaufen, was zum Beispiel gut mit Konzert- oder Comedy-Tickets geht – so steht ein Termin auch fest im Kalender. Einfach mal allein essen gehen tut uns immer gut und Louis ist jetzt in einem Alter, wo das auch wieder geht. Wenn die Omas in der Stadt sind, sind wir immer sehr glücklich!
Habt ihr ansonsten Hilfe?
Nein… Unsere Haushaltshilfe hat gerade gekündigt, eine richtige Babysitterin haben wir nicht. Hier besteht akuter Handlungsbedarf! Wir suchen also aktuell eine Haushaltshilfe, am besten für 2-3 Mal pro Woche, die auch kochen, waschen, bügeln mag, und eine Babysitterin, die auch ein bis zwei Mal in der Woche vormittags auf Louis aufpassen kann, so dass mein Mann arbeiten oder zum Sport gehen kann.
Habt ihr das Gefühl, genug Zeit mit den Kindern zu verbringen?
Gerade haben wir beide Kinder fünf Wochen ohne Kita betreut – dank der Weihnachtsferien und einer Reise, insofern sogar: oh ja!
Sprechen wir über den Haushalt: wie teilt ihr euch hier auf?
50/50, wobei ich zum häufigeren Aufräumen neige.
Gibt es Aufgaben, die einer von beiden typischerweise immer übernimmt?
Tatsächlich nicht! Mein Mann wäscht auch seine Wäsche selbst. Alles andere machen wir beide, wenn es anfällt.
Wer hat die Orga in der Hand?
Die liegt zu 90 Prozent in meiner Hand und da besteht auch Handlungsbedarf, vor allem weil mich der „mental load“ zusätzlich zu meinem Job stresst. Mein Mann geht aber einkaufen und kauft online auch mal Socken oder Knopfbatterien für die Musikbücher, er geht auch zum Arzt mit den Kindern. Die Bereiche übernehme ich aber genau so. Alles andere habe eher ich auf dem Schirm, was aber auch schon dazu geführt hat, dass unser Sohn an Halloween in der Kita ohne Kostüm erschienen ist. Trotzdem sind wir hier deutlich fortschrittlicher aufgeteilt, als es in vielen anderen Beziehungen bei Bekannten der Fall ist.
Seid ihr beide zufrieden mit eurem Haushaltssystem?
Ehrlich gesagt: nein. Und seitdem wir Kinder haben, ist es bedrohlich aus dem Gleichgewicht gekommen. Kleine Makel zeichnen sich viel deutlicher ab. Ich dachte, ich hätte ein gutes Aufräumsystem (habe ich nicht). Mein Mann denkt, er würde gründlich aufräumen (tut er nicht).
Wie habt ihr die Finanzen geregelt, gibt es ein Familienkonto, unternehmt ihr gemeinsam etwas in Sachen Altersvorsorge?
Wir haben separate Konten und da ich die Hauptverdienerin der Familie bin, zahle ich einfach den Großteil aller Ausgaben automatisch. Wir haben vergangenes Jahr eine Eigentumswohnung gekauft und sind nun zumindest langsam auf dem Weg zur ordentlichen Altersvorsorge.
Wie seid ihr selbst aufgewachsen? Mit zwei arbeitenden Eltern, oder nicht?
Johans Eltern waren beide immer berufstätig und selbstständig, mein Papa hat Vollzeit und in drei Jobs gleichzeitig gearbeitet, meine Mama ist etwa 14 Jahre mit uns zuhause geblieben.
Findet ihr euer System gerecht, seid ihr glücklich damit?
Im Großen und Ganzen ja. Johan und ich sind arbeitstechnisch gerade sehr glücklich und haben genug Zeit mit den Kindern. Wir sind mit der Aufteilung insgesamt gut aufgestellt und hatten dies auch schon vor der Geburt der Kinder so geplant.
Was würdet ihr euch vom Staat oder von eurem Umfeld wünschen?
Die Unterstützung in Form des Elterngeldes ist nicht gut gelöst für Selbstständige. Konkret blieb mir bei beiden Kindern nichts anderes übrig, als sofort nach der Geburt weiter zu arbeiten, da wir sonst nur auf den Mindestsatz an Elterngeld gekommen wären. Auch die Kita-Situation ist eine Katastrophe; wir haben nur über Kontakte einen Platz bekommen. Uns stünde nun zwar eine Tagesmutter zu für Louis, in der Realität finden wir aber keine.
Was kommt immer zu kurz?
Den Akku auf 100% aufzuladen, und das “mal die Beine hochlegen”.
Und was klappt aber eigentlich ziemlich gut?
Das mit der Liebe!
Was stresst euch im Alltag am meisten?
Die Jungs, wenn man ehrlich ist. Der eine hört gar nicht, der andere hat die Energie von Speedy Gonzales. Und dass alles immer ewig dauert, Spontaneität nicht drin ist.
Und was macht am meisten Freude?
Die Jungs! :) Ich habe immer Kinder haben wollen, musste dann eine Zeit lang bangen, ob es überhaupt klappt. Und jetzt darf ich den Traum dieses Familienglücks leben, in dem im Prinzip alles gut, glücklich und vor allem gesund läuft. Mehr brauche ich nicht.
Danke, Jessie!!!