Kind und Kopf – Geht das zusammen?

Ich sitze am Rechner, will diesen Text schreiben, während mein süßes, zartes Baby vor sich hin wippt. Sobald ich meinen Kopf in seine Richtung drehe, lächelt er mich an. Ein kleines Glücksgefühl rauscht durch meinen Körper. – … – Was wollte ich nochmal schreiben?

Texte dauern lange in letzter Zeit. Denn meistens läuft es so wie oben beschrieben. Jede einzelne Zeile ist, solange ich nichts automatisch runter rattere, Arbeit. Konzentration ist etwas, das mir sehr schwerfällt. Die Arbeit mit dem Kopf. Ich finde das nicht schlimm, denn es ist mein zweites Kind und ich weiß, dass das irgendwann auch wieder besser geht. Wenn er größer ist, wenn er abgestillt ist. Trotzdem kommt es einem manchmal lang vor. Wann genau werde ich wieder in der Lage sein, anspruchsvolle Zeitungsartikel zu lesen? Gar ein Sachbuch? Oder am Tisch mitdiskutieren, ohne dass mir ständig die passenden Worte und Formulierungen fehlen?

Ich vermisse meinen Kopf.

So schön die Babyzeit ist, so sehr ich weiß, dass es ein Geschenk ist, so sehr vermisse ich meinen Kopf und die Fähigkeit, Gedanken gut formulieren zu können. Die Welt da draußen, jenseits von Strampler und Windeln, sie fehlt mir.

Es ist ja nicht so, dass ich nicht mehr ich bin. Das ist schon noch alles da, glaube ich. Nur bin ich eine andere Version von mir im Moment. Und wenn ich jetzt, selten, diese etwas eitlen Momente habe, in denen ich meine, eine Wahrheit entdeckt zu haben und diese in schöne Worte verpackt aufs Papier bringen will oder in den Rechner hineintippen will, dann würde ich gerne weiterschreiben. Aber dem Baby ist leider die Brustwarze aus dem Mund gerutscht und nun versucht es vergeblich und sehr nervös, sie zu schnappen, während es mit seinen kleinen Händchen auf meinem Dekolleté herum kratzt.

Und ich bekomme ein schlechtes Gewissen, weil er jetzt weint und ich, die schlechte Mutter, daran schuld bin, weil ich während er trank etwas mit meiner rechten Hand tippte. Könnte man ja auch nach dem Stillen machen, aber hach, nach dem Stillen wird die Windel gewechselt und Mamas von kleinen Babys wissen ja, auch: Nach dem Stillen ist vor dem Stillen. Also tippe ich etwas panisch, denn ich weiß: Würde ich jetzt warten, wären die Gedanken längst wieder vergessen. Dabei fällt mir ein, dass er heute schon das siebte mal an meiner Brust trinkt und ich vielleicht doch nicht so eine schlechte Mutter bin, weil ich ja schon mit enormen Körpereinsatz dieses Kind auf die Welt gebracht habe und es nähre.

Und dann lacht er wieder und guckt mich verliebt an und jeder Text und jeder vermeintliche Einfall verschwindet aus meinem Kopf, weil es ganz Zen-mässig ja gerade nur diesen einen Moment gibt und alles andere banal und unwichtig erscheint.

Und so vergehen die Tage. Und die Wochen.

“Niemand langweilt sich so sehr, wie eine intelligente Frau, die den ganzen Tag mit einem kleinen Kind verbringt.”, lautet ein Zitat von Doris Lessing. Und es stimmt, Langeweile gibt es manchmal schon. Das ständige Ausdauern, warten bis das Kind einschläft, warten, während es trinkt. Aber irgendwie mag ich diese Entschleunigung auch. Und ist es vielleicht auch unser neobliberaler Leistungsgedanke, die subtile Angst, nichts wert zu sein, weil man nichts “leistet”? Außer Care-Arbeit natürlich, aber die ist unbezahlt und wird von einer Frau verrichtet, also in unserer Gesellschaft auch nicht viel wert. Ich möchte mich nicht über mein Berufliches definieren und habe doch Sorge, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Aber noch etwas anderes stört mich an diesem Zitat. Es teilt Mensch in intelligente und weniger intelligente, also dumme Menschen ein. Die “weniger” Intelligenten können sich um die Kinder kümmern, beziehungsweise würden dabei keine Langeweile empfinden, ist ja die Unterstellung. Dabei wird nicht nur Care-Arbeit abgewertet, sondern auch Menschen im Allgemeinen. Aber gut, Doris Lessing gehört wohl zu einer anderen Generation: Heute gibt es Kitas, Babysitter, präsente Väter (im Optimalfall). Wir können also durchaus beides haben. Wollen wir es?

Ich ja, ich will gerne alles: Familie, meinen Kopf, meine Arbeit. Denn: Seitdem ich Kinder habe, hat sich meine Welt nicht verkleinert, ist definitiv nicht langweilig geworden. Sie ist größer geworden, und irgendwie, wahrhaftiger. Als ginge es erst jetzt wirklich um etwas. Als wäre das davor eher ein verspieltes Kreisen um sich selbst gewesen.
Seit ich Kinder habe, war ich nie näher an der Wahrheit dran. Jetzt muss ich nur noch irgendwie dazu kommen, sie aufzuschreiben.

Foto: Nyana Stoica