Let’s talk about: Hat der Vater ein Alkoholproblem?

Ab wann sagt man etwas? Sollte man das überhaupt? Vielleicht liegt man doch falsch? All diese Fragen schossen durch den Kopf unserer Gastautorin. Sie zweifelt an ihrer eigenen Wahrnehmung und doch deutet viel daraufhin: Der Papa des Kita-Freundes ihres Kindes ist wohl alkoholkrank.

Das hier aufzuschreiben, fällt mir gar nicht leicht. Denn ich fühle mich hilflos, gleichzeitig habe ich aber auch den Drang, etwas tun zu müssen. Aber ich fange erstmal an: Es fiel am Anfang natürlich nicht sofort auf. Der Papa von Oskar (Anmd. d. R.: Name geändert), grüßte meist freundlich. Wir waren uns sympathisch. Auch beim Elternabend in der Kita war er vor allem einfach nur ein ziemlich unauffälliger Papa. Sagte nicht viel, war aber da.

Seine Frau sah ich weniger, ich schätze sie hat den Vollzeitjob, er macht etwas in der Kreativbranche. Oskar ist ein echt guter Freund meiner fünfjährigen Tochter Greta (Name geändert). Der liebe Junge kam erst im letzten Kitajahr aus einer anderen Kita zu uns in die Gruppe. Die beiden freundeten sich schnell an, sie spielen echt schön miteinander. Oskar ist so ein Kind, das man gern am Nachmittag auch mal mit abholt: unkompliziert und gut drauf. Vor einiger Zeit hielt Oskars Papa beim Abholen kurz inne, lachte mich an und fing an zu erzählen, was sie heute noch so vorhaben. Das war irgendwie ungewohnt, weil wir uns sonst immer nur recht kurz grüßten, aber klar, unsere Kinder freundeten sich langsam richtig eng an, wir sollten uns auch mal besser kennenlernen, dachte ich. Seine Wangen waren rot, und als er erzählte, roch ich Alkohol. Nun dachte ich, ach, vielleicht, ist ein Lunch-Termin mit einem Freund ein wenig aus dem Ruder gelaufen, passiert vielleicht mal, gerade wenn man selbstständig ist.

Leider roch ich den Alkohol nun häufiger beim Abholen, auch wenn Oskar bei uns zu Besuch war und sein Vater kam, um ihn abzuholen. Einmal umarmte er mich bei der Verabschiedung, einfach so, ohne dass es in den Kontext gepasst hätte. Es war seltsam. Eigentlich hört sich das alles gar nicht so komisch an, oder? Mal eine Umarmung, rote Wangen, klingt, wenn man es so liest, einfach nur nett? Aber wenn man in der Situation ist, merkt man einfach, etwas ist “off”. Das Verhalten passt nicht zum sozialen Setting. Grenzen werden nicht eingehalten, die Nähe für eine Umarmung war nicht hergestellt. Ich spürte ziemlich stark, dass etwas nicht stimmt. Und immer dieser ganz subtile Geruch von Alkohol…

Meine Tochter wollte gerne mal ein Playdate bei Oskar zu Hause, ich versuchte meist, sie zu überreden, doch lieber bei uns zu spielen. Oskar tat mir leid. Ich versuchte rauszufinden, ob alles ok bei ihm war. Es muss schwer sein, mit einem alkoholkranken Vater zu Hause. Wobei: Kann ich das beurteilen? Vielleicht hat der Papa gerade nur eine schwierige Phase? Vielleicht ist das kein Alkoholismus. Ich verdrängte das Thema eine Weile, bis zu dem Tag, an dem Oskars Papa meine Tochter von einem gemeinsamen Ausflug nach Hause brachte. Es war eigentlich anders geplant. Die beiden waren nach der Kita noch bei einem Kindertheater. Ich wollte meine Tochter dort abholen, aber ein Arzttermin dauerte viel länger als gedacht und mein Mann schaffte es auch nicht früher. Mit einem mulmigen Gefühl schrieb ich Oskars Papa, ob sie Greta mitnehmen könnten. Oskars Vater stieg gerade aus dem Auto, als ich auch von meinem Termin nach Hause kam. Schon von weitem erkannte ich, dass mit seinem Gang etwas nicht stimmte. Im Vorbeigehen würde man das nicht sehen, es ist nicht so, dass er auffällig wankte. Aber ich sah, dass er getrunken hatte. Ich übernahm Greta, bedankte mich kurz, und brachte sie in die Wohnung. Ich zweifelte an mir: Vielleicht bildete ich es mir nur ein? Aber mein Gefühl sagte etwas anderes. Er roch nach Alkohol, er schwankte sehr leicht, wenn auch kaum erkennbar. Und er fuhr Auto. Mit zwei Kindern darin! Ich fühlte mich schrecklich.

Die Mutter eines anderen Kita-Kindes ist eine Bekannte von mir. Ich sprach sie an, ob sie auch etwas gemerkt hatte. Sie bestätigte, was ich schon lange ahnte: Sie glaube auch, dass da etwas nicht stimmt und hatte Ähnliches wahrgenommen. Ich beschloss, dass ich etwas tun muss, suchte im Netz nach einer Beratungsstelle und rief dort an. Dort sagte man mir, dass es kaum Handlungsspielraum gäbe, wenn das Kind nicht akut gefährdet sei. Ob denn Auto fahren im betrunkenen Zustand nicht akut gefährdend sei, fragte ich. Kann schon sein, allerdings, wie wolle man das im Nachhinein prüfen? Die Möglichkeiten, etwas zu tun, sind sehr begrenzt. Beobachten, schauen wie es dem Kind geht, eventuell auch die Kita einbeziehen.

Ich versuche nun, Oskar häufiger bei uns zu Hause zu haben. Bald gehen beide auf unterschiedliche Schulen, wer weiß, ob der Kontakt so bestehen bleibt. Ich wünsche mir für seinen Vater, dass er das hinbekommt, und ich überlege auch immer noch ihn einfach mal anzusprechen…Aber bisher traue ich mich nicht.

Über Alkoholismus in der Familie haben wir hier ein Interview mit Innocence in Danger geführt. Bei Elternschaft und Suchtkrankheit erfahrt ihr auch wo ihr euch Hilfe holen könnt und zu dem Thema informieren könnt.

 

 

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