Kinderwunsch mit Endometriose – auf einmal musste es sofort passieren

Die Gründe dafür, warum es für manche Frauen schwer ist, auf natürlichem Weg schwanger zu werden, sind vielfältig. Einer davon ist Endometriose – eine sehr verbreitete Diagnose, doch immer noch weiß man viel zu wenig darüber. Schätzungen zufolge leidet jede zehnte Frau darunter. Rund 30.000 Frauen erkranken jährlich neu, doch immer noch sind viele Betroffene über Jahre von Schmerzen geplagt, ehe die Krankheit festgestellt wird. Was sicherlich auch an der bis vor Kurzem kaum existenten Aufmerksamkeit, auch in der Forschung, lag. Stichwort: Weiblicher Schmerz als Tabu/Sexismus in der Medizin.

Die gutartigen Wucherungen in der Gebärmutterschleimhaut können nicht nur zu einer richtig schmerzhaften Regelblutung führen, sondern eben auch zu Unfruchtbarkeit. Deswegen ist Endometriose auch ein wichtiges Thema, wenn es um unerfüllten Kinderwunsch geht. Wir haben mit Fanny (Name geändert) gesprochen, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht auf natürlichem Wege schwanger werden kann.

Fanny (Name geändert) ist 32 und schreibt als “Ziel Endomama” auf Instagram über ihre Kinderwunschtherapie. Sie litt viele Jahre unter schweren Schmerzen während ihrer Periode und wurde dann vor zwei Jahren mit tief infiltrierender Endometriose diagnostiziert. Es folgte eine Operation, bei der unter anderem über die Hälfte ihres rechten Eierstocks entfernt werden. Und die Ärzte stellten fest, dass der linke Eileiter mehrfach gedreht und vernarbt war. Nach dieser OP sagten die Ärzte ihr, sie könne normal schwanger werden, aber es würde etwas dauern. Fanny war damals 29, ihr Freund 26 – und beide fanden diese Nachricht erst einmal nicht so dramatisch. Sie dachten sich, sie haben ja Zeit. “Also haben wir uns weiterhin keine Gedanken gemacht. Zehn Monate später waren die Schmerzen stärker zurück als je zuvor. Ich wurde wieder operiert und die Endometriose hatte noch mehr gestreut. Es wurde wieder alles saniert. Eierstöcke und Eileiter sahen allerdings nicht gut aus. Diesmal wurde mir gesagt, ich hätte sechs Monate bis ein Jahr, um Kinder zu bekommen. Danach könne keiner mehr für etwas garantieren. Außerdem wurde mir geraten, eine Kinderwunschklinik aufzusuchen. Es war ein Schock”, erinnert sie sich.

Auf einmal war da dieser Druck

“Als ich die Augen für die OP geschlossen habe, war doch alles gut. Wir hatten alle Zeit der Welt. Dann habe ich die Augen geöffnet und es musste sofort passieren. Wir mussten uns also klar werden, dass wir genau JETZT einen Kinderwunsch haben und verwirklichen müssen, wenn wir überhaupt Kinder möchten”, sagt Fanny. Dass sie Kinder haben wollten, stand für sie und ihren Partner fest, und so saßen sie schon wenige Tage später in der Kinderwunschklinik. Für die medizinische Möglichkeit war Fanny dankbar, aber der Zeitdruck machte ihr Angst. Im Laufe der Kinderwunschbehandlung stellte sich heraus, dass Fanny aufgrund ihrer Endometriose eine große Operation bevorsteht, sollte sie nicht schwanger werden (eine Schwangerschaft kann die Symptome dieser Erkrankung eine gewisse Zeit lang verbessern) – und dass ihr Freund ein schlechtes Spermiogramm hat. “Für uns ist es quasi unmöglich, auf natürlichem Wege Kinder zu bekommen”, sagt sie.

Mittlerweile hat Fanny zwei Intrauterine Inseminationen (kurz: IUIs) hinter sich, eine resultierte im Juni vergangenen Jahres in einer sehr kurzen, biochemischen Schwangerschaft. Wegen des schlechten Spermiogramms ist das Paar danach auf das ICSI-Verfahren umgestiegen. Bei der ersten Punktion wurden Fanny sechs Follikel entnommen und es sind vier Blastozysten entstanden (wie genau das ISCI-Verfahren funktioniert, ist hier gut beschrieben). Zwei der Blastozysten wurden Fanny dann eingesetzt. Doch einen Tag nach dem Transfer musste sie mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus, wo ein Nierenstau festgestellt wurde. “Leider habe ich dort so viele Medikamente bekommen, dass sich die beiden Embryos nicht weiter entwickeln konnten, so dass ich auch bei diesem Versuch eine biochemische Schwangerschaft und einen frühen Abgang um die 6.-7. Woche hatte”, sagt Fanny. Eine  Schwangerschaft ist noch eine biochemische, wenn der Schwangerschaftstest positiv ist und sich die befruchtete Eizelle eingenistet hat, es aber noch sehr früh im Verlauf ist. Erst später wird dann eine klinische daraus.

Man muss lernen, geduldig zu sein

Fanny findet es am schwersten, die Wartezeit zu ertragen. “Kinderwunsch-Paare müssen lernen, geduldig zu sein”, sagt sie. “Erst wartet man auf den ersten Termin, dann auf die Ergebnisse. Auf die Ergebnisse folgen weitere Tests. Wenn es dann endlich los geht, wartet man auf die Periode, die genau dann immer zu spät kommt. Wenn sie endlich da ist und man sich spritzen darf, wartet man auf den ersten Ultraschall, dann auf den zweiten und vielleicht dritten. Wenn es dann zur Punktion kommt, wartet man auf den Arzt, der einem sagt, wie viele Eier man hat, und dann auf den nächsten Tag, wie viele sich davon befeuchtet lassen haben. Dann wartet man auf den Transfer und hofft und bangt, dass die befruchteten Embryos sich gut entwickeln. Wenn man den Transfer überstanden hat, beginnt die schlimmste Wartezeit. Das „Hibbeln“: Wird der Test positiv oder nicht? Diese zwei Wochen bis zum Bluttest fühlen sich wie Jahre an.” Gut beschrieben, oder? Die Kinderwunschbehandlung ist ein unglaublicher emotionaler Kraftakt, das wird viel zu oft übersehen.

Fanny hat vieles auf sich genommen: massenhaft Enttäuschungen und Rückschläge, zwei frühe Fehlgeburten, es gab auch mal eine schlechte Ausbeute bei der Punktion, zwei Kryo-Versuche (Kryo ist bei Kinderwunschfrauen eine oft verwendete Abkürzung für die Kryokonservierung, also das Einfrieren  befruchteter Eizellen, von Spermien oder auch Eierstockgewebes). mussten wegen zu schlechter Gebärmutterschleimhaut abgebrochen werden, Fanny lebt mit einer extrem schweren Endometriose-Diagnose und hatte aufgrund ihrer Kinderwunschbehandlung viel Ärger mit Versicherungen, Geldsorgen, Nebenwirkungen, Probleme auf der Arbeit mit Chefs und Kollegen, wegen der häufigen Fehltage. Sie hat auch Freunde verloren, weil ihnen der Weg, den sie und ihr Partner gehen, zu anstrengend und negativ war. Ein Aspekt, über den ebenfalls zu selten gesprochen wird und der für Paare, die ohnehin schon mit dem Stress und den Enttäuschungen fertig werden müssen, oft noch zusätzlichen Schmerz bereitet.

Und dann klappte es doch!

Und, ähnlich wie bei Leonie, mit der wir im ersten Teil der Serie sprachen, hat es auch bei Fanny im Laufe unserer Recherche mit der Schwangerschaft geklappt. Beim fünften Versuch und dritten Transfer! “So lange gekämpft und plötzlich ist man am Ziel. Es ist einfach das verrückteste Gefühl, das ich je hatte”, schrieb Fanny dazu auf Instagram, natürlich völlig überwältigt von Glücksgefühlen. Doch auch hier gab es einige Höhen und Tiefen zu verkraften, denn in der 5. Woche wachte Fanny dann mit einer vollgebluteten Slipeinlage auf. “Ich stand unter Schock. Wir sind direkt in die Kinderwunschklinik gefahren. Während der einstündigen Fahrt ist mir fast der Kopf explodiert, so viele Gedanken habe ich mir gemacht. In der Klinik angekommen sind alle Dämme gebrochen. Ich habe nur noch geweint”, sagt sie. Doch die Ärztin, die sogar zwischen zwei Punktionen aus dem OP kam, um Fanny zu behandeln, konnte im Ultraschall nichts Ungewöhnliches feststellen – naja, bis auf die Tatsache, dass Fanny tatsächlich Zwillinge erwartet! Den Grund für die Blutung konnte die Medizinerin nicht feststellen, verschrieb Fanny aber Schonung. ⠀⠀⠀⠀⠀

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Nach dem größten Schreckmoment seit langer Zeit, gab es die besten Nachrichten aller Zeiten. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Heute morgen nach dem Aufwachen an 5+2 war meine Slipeinlage komplett voll geblutet. Ich stand unter Schock. Wir sind direkt in die Kinderwunschklinik gefahren. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Während der einstündigen Fahrt ist mir fast der Kopf explodiert so viele Gedanken habe ich mir gemacht. In der Klinik angekommen sind alle Dämme gebrochen. Ich habe nur noch geweint. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Unsere Ärztin wollte mich selbst sehen und kam zwischen zwei Punktionen extra aus dem OP. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Herzmann durfte ausnahmsweise mit rein, weil ich so am weinen war. Aber auch er war völlig fertig. Bis zum Eintreffen in der Klinik stand die Blutung und auf dem Ultraschall kam dann die wunderschöne Überraschung. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Wir bekommen Zwillinge!!! 👶🏼👶🏼 Beide haben eine perfekte Fruchthöhle und bei beiden konnte man einen Dottersack und Embryo-Anlagen erkennen. Bei dem einen sagte sie, könne man mit viel Fantasie etwas blubbern sehen. Woher die Blutung kam, konnte sie nicht feststellen. Ein Hämatom war nicht zu sehen. Es wäre gerade, bis auf die Blutung, alles absolut optimal. Ich soll mich jetzt körperlich sehr schonen, Magnesium nehmen und spätestens nächste Woche Dienstag wieder vorbei kommen. Aber bei jeder neuen Blutung soll ich definitiv wieder zum Arzt. Das HCG ist heute bei knapp 20.000, hat sich also alle 1,7 Tage gut verdoppelt. Was eine Achterbahn der Gefühle! ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ #schwanger #pregnant #ssw6 #mama2021 #märzbaby #mommytobe #twins #zwillinge #zwillingeimbauch #zwillingsmama #kiwu #kiwu2020 #kinderwunsch #hibbeln #kiwumädels #kiwucommunity #kiwuverbindet #fuckendo #endometriose #endo #kiwuklinik #kiwukrieger #icsi #endofighter #endosisters #icsicommunity #icsikämpfer #icsibaby #icsischwestern #icsijourney

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Auf Instagram teilt Fanny jetzt das Bangen und Zittern (und natürlich auch die unbändige Vorfreude) mit ihren Abonnentinnen, denn die Gemeinschaft Gleichgesinnter dort hat ihr sehr geholfen. Zur Zeit etwas weniger – sie ist mittlerweile in der 9. Woche schwanger und kämpft streckenweise mit extremer Schwangerschaftsübelkeit, deswegen ist sie gerade natürlich sehr auf sich und die Gesundheit ihrer Zwillinge bedacht. Alle sind aber wohlauf! Und der Community von Frauen mit Kinderwunsch ist Fanny sehr dankbar. “Ich bin froh, dass es die wahnsinnig große Instagram-Community gibt. Da merkt man, wie viele eigentlich mit einem im gleichen Boot sitzen. So viele Frauen und Paare, die das Gleiche durchmachen, wie man selbst. So viele Menschen, die einem beistehen und die einem aus jedem Tief helfen, egal, wie weit unten man ist. Auf wirklich jede Frage gibt es eine Antwort. Der Austausch hat mir bisher unglaublich gut getan. Ich habe viel gelernt, auch über Therapien und Medikamente. Und tatsächlich sind ein paar Fremde zu Freunden geworden, die ich auch außerhalb der Community inzwischen regelmäßig treffe”, sagt Fanny.

Noch vor ein paar Woche, als wir das erste Mal schrieben, sagte Fanny, was ihr in der ganzen Kinderwunsch-Behandlung Kraft gegeben hat, sei die Beziehung zu ihrem Freund, der diesen langen Weg mit ihr gegangen ist. “Leider gab es in unserer Beziehung weit mehr schlechte als gute Zeiten, aber wir freuen uns darauf, wenn das alles überstanden ist und die guten Zeiten überwiegen!”

Wir drücken die Daumen, dass diese Zeiten nun endlich angebrochen sind und wünschen nur das Beste für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft!