Eltern werden – Paar bleiben – Wege raus aus der Krise und Tipps von den Profis
Krisen werden mit Kindern für die allermeisten Paare zur Normalität. Das muss nicht per se schlimm sein, solange man ehrlich zueinander ist, an sich arbeitet und immer wieder Wege raus aus der Krise sucht. Wenn man das selbst nicht hinbekommt, kann es sehr sinnvoll sein, mit Jemandem zu sprechen, der sich auskennt. Jana Kersten, ihr kennt sie bereits aus unserem Porträt, und Ritva Grießig haben sich mit ihrem Konzept des PaarTrainings selbstständig gemacht. Gemeinsam wollen sie Paaren helfen, trotz der Vielfach-Belastung, die der Alltag mit Kind nun mal mit sich bringt, wieder zusammenzufinden. Ich habe die beiden attraktiven Ladies getroffen und sie mal ein bisschen ausgefragt!
Hallo Jana, hallo Ritva, wie kamt ihr überhaupt darauf, PaarTrainings anzubieten?
Wir haben beide unabhängig voneinander in unseren jeweiligen beruflichen, aber auch privaten Umfeldern immer wieder wahrgenommen, dass ein großer Entwicklungsbedarf bezüglich der Kooperation und Kommunikation in Partnerschaften vorhanden ist – vor allem wenn aus der Zweier-Beziehung eine Familie wird. Irgendwann haben wir selbst Kinder bekommen und ziemlich schnell gespürt, dass die Beziehung – besonders mit Kindern – noch viel mehr Aufmerksamkeit und Energie bedarf. Auch wir konnten selbst positive Erfahrungen in Paartherapien sammeln. Wir denken aber auch, dass es nicht immer einer Therapie bedarf, sondern dass es grundsätzlich wichtig ist, an der gemeinsamen Kommunikation und dem Austausch über die eigenen Befindlichkeiten zu diversen Themen mit dem Partner zu arbeiten. Diesen Gedanken greifen wir in unserem PaarTraining auf.
Euer Ansatz ist also eher ein Training als eine Therapie. Was macht ihr denn dann genau mit den Paaren?
In den PaarTrainings geht es uns darum, die Paare dabei zu unterstützen an ihre Konflikte konstruktiv heranzutreten und ihre eigenen Bedürfnisse sich selbst und dem Partner gegenüber transparent zu machen. Dazu führen wir sie in einem vertrauensvollen Rahmen mit bestimmten Übungen und Hilfsmitteln in den Austausch mit sich selbst und mit dem Partner. Wir nutzen dazu u.a. kreative Möglichkeiten und schaffen Raum und Ideen sich auch über andere Sinne zu äußern und zu begreifen. Es werden dabei die Wahrnehmung der eigenen Grenzen und die des anderen geschult. Gemeinsam entdecken und erarbeiten die Paare Ressourcen für ihre weitere Beziehung. Dies kann sowohl im Einzeltraining mit uns beiden Trainerinnen stattfinden oder im Gruppentraining mit weiteren Paaren. Gruppen-Trainings haben den Vorteil, dass die Paare Anregungen von anderen Paaren für ihre eigene Partnerschaft erhalten können.
Was sind die wichtigsten Dinge, auf die man eurer Meinung nach in einer Beziehung mit Kindern achten sollte?
Wichtig ist, dass die Partner (ob mit oder ohne Kind) jeweils auf ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen achten, diese ehrlich und konstruktiv äußern, sie transparent machen und Lösungen tatsächlich kooperativ miteinander finden. Dazu bedarf es einem regelmäßigen Austausch, der über den Alltag hinausgeht und das Paar in den Fokus stellt. Das ist gerade mit Kindern natürlich eine noch viel größere Herausforderung, weil zeitliche und kraftmäßige Kapazitäten eingeschränkter sind. Hierfür bedarf es vieler Ressourcen, die man auch im Notfall gut einsetzen kann. Wenn beide Eltern kaum geschlafen haben oder die Nacht mit einem schreienden, kränkelnden Kind verbracht haben und am nächsten Tag evtl. einer der Partner zur Arbeit muss, der andere sich selbst krank fühlt, gibt es in solch einer Situation meist keine Kapazitäten, sich gemeinsam hinzusetzen und miteinander konstruktiv über die Beziehung bzw. über die Belastung zu sprechen. Das sind Beanspruchungssituationen für die man mit Kindern gewappnet sein sollte. In unseren PaarTrainings können Paare u.a. dafür Ressourcen schaffen.
Wenn es Konflikte gibt, wie gehe ich am besten mit ihnen um? Man will ja nicht andauernd vor den Kinder streiten, oder?
Konflikte sollten nicht unnötig aufgeschoben werden. Deshalb ist es wichtig sich regelmäßig miteinander über die Beziehung auszutauschen, um präventiv zu arbeiten. Damit besteht die Chance, dass Konflikte nicht zu groß werden. Ein konstruktiv geführter Streit der Eltern kann für Kinder dennoch auch Potenzial bergen. Es kann ihnen hiermit die Möglichkeit gegeben werden, zu lernen wie Probleme für beide zufriedenstellend gelöst werden. Auch Säuglinge können wahrnehmen, dass sich eine emotional angespannte Situation zwischen den Eltern wieder entspannen kann.
Es ist für die meisten Paare wichtig, die Kinder kurz „loszuwerden“, um sich wieder aufeinander zu konzentrieren. Sollten Eltern entspannter sein und ohne schlechtes Gewissen einen Babysitter oder Freunde einspannen?
Je nach Bedürfnissen und Möglichkeiten der Eltern, bzw. dem Alter der Kinder, ist das natürlich unterschiedlich. Wichtig ist trotzdem, sich füreinander regelmäßig Zeit zu nehmen. Man kann auch am Abend gemeinsam zu Hause kochen und dabei intensiv Zeit miteinander verbringen, wenn man sich z.B. keinen Babysitter leisten kann, oder keinen möchte. Natürlich kann ein Ortswechsel aber manchmal dabei helfen, schneller in die ursprüngliche Dynamik der Paarbeziehung zurückzukehren, oder vom Alltag abzuschalten. Dennoch müssen viele frisch gebackene Eltern erst wieder lernen, geplant und zeitlich begrenzt den Moment zu genießen. Wenn man sich also für einen Abend außerhalb der Wohnung entscheidet, sollte man bestenfalls für die Betreuung des Kindes jemanden auswählen, dem man gut vertrauen kann, um sich tatsächlich auf den Abend als Paar fokussieren zu können.
Habt ihr einen kleinen Trick, wie man eine Beziehung am Leben erhält, auch wenn die Kinder so viel Raum einnehmen?
Eine gute Möglichkeit ist, zu lernen sich auch in schwierigen Zeiten wohlgesonnen zu sein und sich gerade dann ein Lächeln zu schenken. Es sollte einem immer klar sein, dass die Beziehung mit dem Kind für beide manchmal belastend und anstrengend ist. Aber auch dieser Gedanke kann stärken und bewirken, dass man gemeinsam an einem Strang zieht. Der regelmäßige Dialog mit dem Partner, aber auch die regelmäßige Reflexion der eigenen Verhaltensweisen und Gefühle kann neue Sichtweisen bringen und die Beziehung damit beleben. Jeder sollte auch für sich als Individuum darum bemüht sein, sich zu fragen „Wo stehe ich?“, „Wie gehts mir damit?“ „Was kann ich selbst tun, damit es mir gut geht?“.
Gerade mit Kindern kommt man häufig an eigene Grenzen und Grenzen innerhalb der Partnerschaft. Hilfreich kann es auch sein, miteinander Neues zu entdecken und positive belebende Dinge zu erfahren, die die Beziehung von der Alltagsmüdigkeit befreien können. Jedes Paar muss hier sein eigenes Patentrezept bzw. seine eigenen Vorlieben herausfinden und immer wieder neu überdenken bzw. ergänzen.
Wenn man nach langer Zeit und etlichen Therapien einfach nicht mehr zusammenfindet. Was macht man dann?
Es kann vorteilhaft sein, zu lernen sich gehen zulassen, Kontrolle abzugeben und stattdessen zu lernen sich gegenseitig zu Vertrauen. Am besten auch schon bevor „nichts mehr geht“. Wenn tatsächlich einer der Partner einen klaren Schlussstrich ziehen möchte, kann hier eine Mediation helfen, um gemeinsam einen guten Weg auseinander zu finden. Mit gemeinsamen Kindern muss der Alltag dennoch organisiert werden – dementsprechend ist es auch in dieser Situation wichtig weiterhin konstruktiv miteinander über die Bedürfnisse von sich selbst sowie der Kinder sprechen zu können. Das PaarTraining kann in dem Sinne auch Paare unterstützen, die trotzdem sie keine Liebesbeziehung mehr leben wollen oder können, eine kooperative und platonische Beziehung zu Gunsten der Kinder miteinander führen möchten.
Ist es nicht auch schön für Paare in der Krise, nicht alleine zu sein, zu wissen, dass Probleme normal sind?
Ja, natürlich ist es gut sich bewusst zu machen, dass Probleme „normal“ sind. Jede durchgestandene Krise kann einen als Paar stärken. Viele Paare müssen erst lernen, dass Krisen und die damit verbundene gemeinsame Arbeit auch zu einer gesunden, kooperativen Partnerschaft dazu gehören.
Jana, du machst gerade eine schwere Zeit mit deinem Partner durch, inwiefern arbeitet ihr daran und was hast du bisher aus der Krise gelernt?
Wir sind seit ein paar Wochen selbst wieder in regelmäßiger Paartherapie und nehmen uns aktuell sehr viel Zeit für uns als Paar sowie als Familie. Wir haben uns trotz der Krise für mehr Nähe anstatt Distanz entschieden und versuchen einen neuen gemeinsamen Weg zu finden. Ich merke wieder, dass Krisen und die damit verbundene Suche nach anderen Wegen Geduld beider Partner benötigen. Veränderung braucht viel Zeit und geht manchmal auch Schritte rückwärts. Unser Weg ist der Prozess. Wo er genau hinführt wissen wir noch nicht. Wichtig ist, dass es uns beiden und unseren Kindern damit gut geht. Ich habe gelernt, dass Krisen kommen und gehen, aber dass es wichtig ist, diese achtsam wahrzunehmen und dabei immer wieder gemeinsam zu schauen: Wo stehe ich, wo stehen wir und was brauchen wir? Krisen können dem Paar die Chance geben sich noch mehr kennenzulernen und die Grundlagen, auf denen die Beziehung aufgebaut ist, transparent zu machen.
Ritva, wie läufts bei dir?
Derzeit befinden wir uns in einer Phase, die uns sehr viel Geduld, Zuversicht und Kraft abverlangt. Mein Partner ist seit 1,5 Jahren im Referendariat – was nicht nur in Kombination mit dem Familien- und eigenen Berufs-/Studentenleben unglaublich viele Kapazitäten zieht. Wir sind gefühlt dauerhaft damit beschäftigt, unsere Ressourcen zu stärken und die Organisation so gut zu gestalten, damit wir beide am Ende trotzdem zufrieden mit unserem Leben als Paar, als Familie und mit uns selbst sind. Letztendlich ist das aber auch in dieser Situation eine Frage des Blickwinkels! Ich kann mit mir und meinen Ansichten noch so zufrieden sein, wenn ich mich nicht zumindest auf die Perspektive meines Beziehungspartners einlasse und in meinen gängigen Verhaltensmustern verharre, stagniert die eigene Entwicklung und somit auch die Beziehung. Löse ich mich bewusst – und manchmal schmerzlich, weil tiefverankert – von meinen Mustern und probiere Neues, entstehen auch neue Dynamiken und Entwicklungen. Das fordert von beiden Partnern natürlich ein großes Maß an Vertrauen, Mut und Zuversicht. Wer weiß schon, was passiert, wenn man z.B. die Kontrolle abgibt und der Partner plötzlich Potenziale an sich entdeckt und Wege geht, die zuvor nie Thema waren? In jedem Fall birgt das Veränderungen und diese zuzulassen ist nicht immer einfach, aber zu bewältigen. Und letzten Endes schafft das Vertrauen, sowie der Mut zu diesen Veränderungen vor allem eines – es hält die Beziehung lebendig.
So viel Input! Danke euch!
Seit neuestem finden die PaarTrainings nicht nur in Friedrichshain sondern auch im Prenzlauer Berg sowie in Alt-Treptow statt. Termine und Fragen könnt ihr unter www.paartraining.com vereinbaren und stellen!