50/50: die Vor- und die Nachteile

Unsere 50/50 Serie macht Pause, denn ich wollte mal ein bisschen resümieren und auch ein paar Dinge klar stellen.

Wir haben in dieser Serie Paare vorgestellt, die beide relativ gleichwertig berufstätig sind, die Kinderbetreuung und Hausarbeit teilen und auch bei den Finanzen ziemlich gerecht aufgeteilt sind. Das bedeutet nicht, dass jemand so leben MUSS oder sich schlecht fühlen sollte, wenn er/sie es nicht tut. Es gibt gute Gründe für eine „klassische“ Aufteilung. Es gibt Frauen, die wesentlich mehr als ihre Männer verdienen und einen zeitintensiveren Job haben, es gibt Männer, bei denen das so ist, es gibt Menschen, die in ihrem Job keine Erfüllung fanden und sehr gerne für mehrere Jahre Care-Arbeit machen, es gibt Paare, die einen großen Altersunterschied haben und wo sich die Karriere des einen Partners einfach schon ganz wo anders befand, als die Kinder kamen – es gibt so viele verschiedene Konstellationen und jede Familie findet ihren eigenen Weg, der sie (hoffentlich) froh macht.

Für mich (und auch für Marie und unsere anderen Autorinnen) ist ein gleichberechtigtes Leben aber ein erstrebenswerter Zustand, deshalb wollen wir einfach inspirieren, Ideen vorstellen. Warum? Weil viele Mütter andauernd überfordert sind, weil ganz ganz viele neben Job und Kindern auch noch den Haushalt alleine schmeißen, weil Altersarmut ein weibliches Thema ist. Und bevor die Politik nicht nachzieht, und zum Beispiel fairere Arbeitszeiten für Eltern durchsetzt oder einen Ausgleich für unbezahlte Arbeit – da müssen wir eben selbst schauen, wie wir uns entlasten können. Und mit dem Mann teilen – das ist doch das Naheliegende, oder? Das ist der GROSSE und größte Vorteil an 50/50, oder anders annähernd fair: die Mütter bekommen weniger Burn-out.

 Vor- und Nachteile

Ja, natürlich – wie jedes Lebensmodell hat auch 50/50 Vor- und Nachteile. Ich persönlich finde, es gibt viel mehr Vor- als Nachteile. Vorteile: Weniger Burn-Out, mehr Wertschätzung für die Arbeit des anderen. Mehr Kommunikation, mehr Fairness. Wenn es gut läuft, fühlt sich keiner benachteiligt, in keinem Lebensbereich, und wenn doch, dann wird es sofort angesprochen – und das ist doch wunderbar! Im Idealfall haben beide Elternteile genug Zeit mit den Kindern, mit sich selbst, für die Arbeit, mit dem Partner und noch idealer ist es natürlich, wenn auch finanziell keiner zu kurz kommt.
Aber ja, es gibt auch mögliche Nachteile. Ein klassisches Modell ist zum Beispiel eventuell „einfacher“. Denn natürlich ist 50/50 mit viel Organisation und Absprache verbunden. Machst du heute den Einkauf? Holst du morgen die Kinder? Kann ich übermorgen lange arbeiten? Machen wir am Wochenende alle zusammen etwas? So. Plus: wenn beide „alles“ machen, haben auch beide echt viele Dinge auf dem Schirm. Dann leiden im schlechtesten Fall beide unter Mental Load. Ja, das kann vorkommen! Hier hat der Mann sich auch schon den Kopf zerbrochen, wann er den Einkauf noch einschieben kann, und wann er mit den Kindern Schuhe kaufen gehen soll.
Und: Ja, es ist eventuell auch finanziell ein Nachteil. Wenn beide nicht voll arbeiten, dann macht in der Regel keiner von beiden so RICHTIG große Schritte. Das ist unserem doofen Arbeitssystem geschuldet, das so selten in Teilzeit befördert, aber auch selbstständig merkt man das. Wenn einer von beiden so richtig viel arbeitet, und der andere Part den Rücken freihält, dann ist man also finanziell eventuell besser gestellt. Dazu habe ich jetzt noch nie etwas gelesen, aber es würde für mich logisch klingen. Wir hatten diese Gespräche auch zuhause, wir merken beide, dass JETZT die Zeit für die großen Sprünge wäre, aber keiner von uns will es anders. Beide wollen wir viel mit den Kindern sein und mittelviel arbeiten. So hoffen wir eben, dass es auch ohne Riesenkarriere okay ist. Oder dass diese später noch kommt.

Prägung spielt eine riesengroße Rolle

Und dann wollte ich noch einige Dinge ansprechen, die mir aufgefallen sind: Ich habe keine Feldstudie betrieben, aber immerhin ziemlich viele Fragebögen ausgewertet und mir sind einige Dinge aufgefallen: 1. die Frauen, die im „klassischen“ System leben, also er arbeitet Voll- sie höchstens Teilzeit, sie erledigt den Großteil der unbezahlten Arbeit – das sind tatsächlich ganz viel öfter WEST-deutsche Frauen. Natürlich gibt es immer wieder Ausnahmen auf beiden Seiten, aber Im Osten arbeiten tatsächlich mehr Frauen (und mehrere Stunden), auch sind dort die Männer in der Regel viel mehr in den Haushalt und die Kinderbetreuung mit eingebunden. Man kann wohl sagen, dass es im Osten gleichberechtigter zugeht, als im Westen.
Ist das nicht interessant? Daraus kann man doch schließen, dass für Gleichberechtigung vor allem eine Sache eine große Rolle spielt: Prägung. Frauen im Osten sind wesentlich häufiger mit einer berufstätigen Mutter aufgewachsen, ergo haben sie schon mal ein ganz anderes Mutterbild im Kopf. Männer im Osten sind auch meistens mit wesentlich gleichberechtigteren Eltern aufgewachsen und haben also auch ein anderes Bild von Vaterschaft und der Versorgerrolle im Kopf.
Diese krasse Zerrissenheit, alles perfekt schaffen zu wollen, im Job zu performen und am Nachmittag Supermum zu sein (und dennoch immer das Gefühl zu haben, nicht genug zu sein), sehe ich wesentlich öfter bei westdeutschen Frauen. Und das liegt ganz sicher daran, dass diese Frauen meistens mit einer Stay at Home Mum aufgewachsen sind, dass es zuhause täglich ein warmes, leckeres Mittag- und Abendessen gab und dass das Haus immer fabelhaft war. Vor kurzem habe ich hier gelesen, dass die tatsächliche Quality Time aber sogar mehr geworden ist. Zumindest in den USA, aber das kann man vermutlich auch von Deutschland sagen. Berufstätige Eltern haben heute also sogar mehr 1:1 Zeit mit den Kindern als “früher”. Für mich macht das Sinn. Nur weil eine Mutter zuhause ist, widmet sie sich ja nicht den ganzen Tag dem Kind! (Gibt ja auch genug zu tun). Im Gegenzug versuchen berufstätige Eltern oft am Nachmittag oder Abend zu 100% da und bei den Kindern zu sein. Finde ich einen interessanten Punkt!
Und: sich von dieser Prägung zu befreien, das ist nicht einfach. Aber ich denke, wenn man sich darüber bewusst ist, warum man so tickt, dann ist das schon ein großer und wichtiger Schritt. Ich habe mehrmals herausgelesen, dass sich Frauen angegriffen gefühlt haben, weil sie das klassische Modell bewusst so wollen. Das ist sicher auch so, aber man kann sich auch immer fragen: warum will ich das eigentlich? Weil mein Herz es sagt, oder weil ich bestimmte Rollenbilder im Kopf habe?

Die Frauen, die sich bei mir gemeldet haben und meinten: sie finden das total doof, dass wir hier so einseitig berichten, man kann doch auch gleichberechtigt sein, wenn sie Teilzeit arbeitet, und überhaupt, Jede sollte doch für sich entscheiden dürfen, was zu ihr passt – die kamen alle aus dem Westen. Und sie haben natürlich total Recht. Wir wollen hier niemandem vorschreiben, wie er sein Leben zu leben hat! Und natürlich gibt es Konstellationen, die total fair sind, und dennoch nicht gleichberechtigt.

Mütter können nur verlieren

Noch mal: Wenn Frauen ein Jahr zuhause bleiben nach dem Kind und danach wieder Teilzeit einsteigen, dann verlieren sie eben nicht nur dieses eine Jahr und die Hälfte des Gehalts durch die Teilzeit. Sie verlieren auf lange Sicht enorm. Das ist alles wissenschaftlich erwiesen, es gibt sogar einen Begriff dafür: Motherhood Wage Gap. Für Männer gilt übrigens das Gegenteil. Hier sieht es so aus, dass die meisten Väter nach der Geburt ihrer Kinder beruflich aufsteigen, eher befördert werden, mehr Geld verdienen. Und nein, ich denke nicht, dass die Lösung dafür sein sollte, dass jetzt alle Frauen Vollzeit arbeiten und der Stress dadurch noch mehr wird. Ich denke auch nicht, dass die Männer befördert werden, weil sie als Väter härter arbeiten, am Ende vielleicht sogar extra lange im Büro blieben um den Baby- und Kinderstress zuhause nicht aushalten zu müssen. Ich denke, es liegt daran, dass VÄTER einfach automatisch ein gewisses Ansehen genießen. Dass es mit einem Schulterklopfer heißt: Wow, cool. Du hast ein Kind. Oder zwei, oder vier.
Bei Frauen ist das Gegenteil der Fall: Hat sie Kinder und arbeitet weiter wie vorher, heißt es: herzlos. Geht sie in Teilzeit und muss öfter fernbleiben, weil die Kinder krank sind, heißt es: unproduktiv. Wenn sie sich entscheidet, zuhause zu bleiben, bekommt sie gleich gar keine Hochachtung mehr. Aha, Hausfrau. Wenn Frauen ihre Elternzeit im Lebenslauf angeben, können sie nur verlieren. Herzlos und Karrieregeil oder Unfähig und Übermutterig. Dazwischen gibt es wenig. Ich habe tatsächlich auch schon Einigen geraten, die Elternzeit bei der Bewerbung einfach nicht zu erwähnen. Es hat sich falsch angefühlt, niemand will seine Kinder verheimlichen! Aber auch hier gibt es Studien, die einen einfach zu diesem Schluss kommen lassen.
Was wir brauchen ist also ein neues Mutterbild, oder? Eines das alles sein kann, und nicht perfekt sein muss. Eines, das Vollzeit arbeiten darf und die Kinder erst um 17 Uhr aus der Kita holt. Oder das seine Kinder nie holt, weil das der Partner tut. Eines, das die Kinder gar nicht erst in die Kita bringt. Eines, das lange stillt, oder eben nicht. Eines, das keine Lust auf Haushalt haben darf. Eines, das mit jeder Faser gerne Mutter ist und das in den Mittelpunkt stellen will, eines, das gerne Kinderpartys ausrichtet, oder gar nicht. Einfach ein variables Bild. Ohne Erwartungen! Warum fällt uns das so schwer? Die Erwartungen an Mütter sind enorm hoch und sie sind sogar noch mehr geworden, seit Mütter eben auch noch arbeiten sollen/müssen/wollen. Wir müssen alle an uns arbeiten, um diese Erwartungen zu regulieren. Indem wir sie selbst nicht stellen. Nicht an uns und nicht an andere.

Und ich denke eben, dass ein aktiveres VATERbild, das mehr macht, als die Kinder abends ins Bett zu bringen, dazu enorm beitragen würde. Kann auch sein, dass ich mich irre.

Es kann unangenehm werden

Und ja, sich über Gleichberechtigung Gedanken zu machen, das kann echt unangenehm sein. Sich darüber im Klaren zu werden, wie viel man auf lange Sicht verliert, wenn man den Beruf aufgibt zum Beispiel ist echt scheiße. Sich klar zu werden, wie viel man im Alltag macht und wie wenig Wertschätzung es dafür gibt: total ätzend. Eine Leserin schrieb mir, sie wünschte, sie wäre noch so naiv wie vor ein paar Jahren. Seit sie sich mit Gleichberechtigung und Feminismus auseinandersetzt, geraten sie und ihr Mann so oft aneinander, das alles sei ihr vorher gar nicht aufgefallen. Das kann ich so gut nachvollziehen. Aber es ist wichtig! Und man muss auch nicht aneinandergeraten. Im Gegenteil: wir sollten versuchen, mit den Männern ZUSAMMEN faire Lösungen zu finden. Und die meisten Männer wollen das ja auch, sage ich jetzt mal so. Plus: Gleiche Rechte für alle, dabei verliert ja eigentlich niemand, Rechte sind kein Kuchen. Rechte können sich einfach so vermehren, ohne dass jemand etwas abgeben muss, wirklich. Okay, eventuell müssen Männer dann ein bisschen mehr anpacken, aber dafür gibt es als Gegenleistung mehr Zeit mit den Kindern und eine zufriedenere Frau. Come on!

Die Elternzeit…

Was mir auch aufgefallen ist: Die einfachste Möglichkeit, gleichberechtigt zu leben, ist: die Elternzeit aufteilen.
Auch da gibt es jede Menge Studien dazu, dass viele Paare vor dem Kind sehr gleichberechtigt gelebt haben, kaum waren die Kinder da, wurde es konservativer. Und ich denke: wenn man die Elternzeit aufteilt, dann läuft man schon mal weniger Gefahr, dass es ungerecht wird. Ich spreche hier sogar aus eigener Erfahrung: Nach dem ersten Kind hatten mein Partner und ich die Elternzeit geteilt: er sieben Monate, ich sieben Monate. Ich ging also nach sieben Monaten wieder arbeiten, er brachte mir anfangs das Kind noch ab und zu zum Stillen vorbei, eine Zeit lang haben wir es auch so gemacht, dass ich den Vormittag gearbeitet habe und er den Nachmittag. Unstressig war das nicht: aber: er hatte alles voll drauf, konnte den Alltag mit dem Kind easy peasy alleine schmeißen, wir waren wirklich sehr 50/50 und das blieb auch so, als unser Sohn in die Kita kam und wir theoretisch mehr Zeit für die Arbeit hatten.
Nach Kind 2 wollte ich das aber nicht mehr so. Ich wollte fast die komplette Elternzeit nehmen, er nahm 3 Monate, die haben wir aber in Kapstadt verbracht, ergo: kein Alltag. Ich habe mich immer um Little Years gekümmert, aber eben nicht fest gearbeitet. Am Ende habe ich sogar noch ein zweites Jahr Elternzeit genommen, weil ich es so schön fand und mir alles andere so stressig erschien. In diesen zwei Jahren hat mein Mann beruflich enorm dazugewonnen, ich natürlich nicht. Plus: ich hatte unheimlich viele Aufgaben an mich gerissen, machte die komplette Orga zuhause, den Mental Load, ich war sehr geübt darin, den Alltag mit beiden Kindern zu schmeißen, holte mehr ab, brachte mehr ins Bett. Wir waren nicht mehr 50/50, nicht nur weil unsere Aufgabenbereiche sich so verschoben hatten, sondern auch weil unsere Gehälter so auseinandergeklafft waren.
Erst als ich wieder in den Job zurückging, musste sich das ändern, sonst wäre ich auf dem Zahnfleisch gegangen. Er übernahm also peux a peux wieder mehr Haushalt und Aufgaben (er macht zum Beispiel die Arzttermine für die Kinder, kocht und ist entsprechend auch für den Einkauf zuständig), wir organisierten eine Betreuung für einen Nachmittag pro Woche, die anderen Tag teilen wir jetzt gerecht auf.

Damit will ich sagen: Wenn ihr könnt, teilt die Elternzeit auf – Männer, traut euch, sie einzufordern! Wenn das nicht geht oder nicht gewünscht ist: man kann immer wieder zurück zu mehr Fairness, man muss nur darüber sprechen. Bei uns hieß das: was kann der eine / der andere gut? Was wird der einen /der anderen Person schnell zu viel? Und dann haben wir eben aufgeteilt.

Noch mal: niemand muss so ein Leben führen, wenn es ihm oder ihr nicht liegt. Aber viele Frauen wünschen sich mehr Gleichberechtigung – und dann sollte da doch was zu machen sein.

Ich könnte hier jetzt übrigens noch ewig weitermachen mit Dingen, die mir in den Interviews aufgefallen sind – aber der Artikel ist jetzt schon sehr lang. Kommt aber alles – in den nächsten Wochen…

Hier noch ein Video aus der Schweiz zum ewigen Thema, wie es Frauen oft ergeht. Nicht alles ist auf Deutschland umzumünzen, aber doch sehr sehr viel: