50/50 Paare: Anna und Leandro
Was und wieviel arbeitet ihr beide?
Anna: Vor sieben Jahren haben wir Haferkater gegründet, inzwischen haben wir 12 Stores in ganz Deutschland und ein Büro in Berlin. Mit unserem Co-Gründer Levin Siert teilen wir uns die Geschäftsführung. Eigentlich arbeiten wir beide Vollzeit, sind aber, seitdem Etienne zwei Monate alt ist, in Elternzeit, die wir ebenfalls teilen, sodass gerade beide Teilzeit arbeiten.
Wie sehen eure Arbeitszeiten aus?
Leandro: Wir arbeiten abwechselnd von 9 bis 16 Uhr und dann am Abend noch einmal ab ca. 19 Uhr, wenn die Kinder schlafen. Am Wochenende und im Urlaub müssen wir als Geschäftsführer*innen auch öfter ans Telefon gehen oder Emails schreiben, allerdings deutlich weniger als in den ersten Jahren.
Home Office können wir machen, es ist aber besser für das Team, wenn wir auch regelmäßig im Büro ansprechbar sind. Vieles lässt sich leichter regeln, wenn man sich sieht.
Für die Mitarbeiter*innen im Büro sind wir definitiv familienfreundlich und außerdem überzeugt, dass Eltern – einfach aus der Not heraus – sehr strukturiert sind und auch somit genauso effizient arbeiten können wie jemand, der vielleicht mehr Arbeitsstunden zur Verfügung hat. In den Stores haben Mitarbeiter*innen mit Kindern in den Schichten Vorrang.
Wie alt sind eure Kinder und gehen sie in eine Betreuung?
Leandro: Milo ist 3,5 und Etienne 9 Monate. Milo geht von Montag bis Freitag bis 15h in die Kita, Etienne bleibt bei uns.
Seid ihr zufrieden mit der Betreuungssituation?
Anna: Wir sind sehr glücklich über die Qualität der Betreuung von Milo und freuen uns, dass auch Etienne in dieser Kita starten darf. Da das aber erst mit zwei Jahren möglich ist, suchen wir aktuell nach einer Entlastung für das kommende Jahr…
Wie habt ihr die Elternzeit(en) aufgeteilt?
Leandro: Wir haben uns beide Elternzeiten 50/50 aufgeteilt, dieses Mal auch sehr strukturiert! Anna arbeitet zwei Tage die Woche, ich die zwei anderen und den fünften Tag arbeiten wir im Home Office, einer vormittags und einer nachmittags. Die Wochen sind also klar aufgeteilt, alles ist fest organisiert und wir haben den Anspruch, da auch wirklich 50/50 zu machen. Einfach weil jedem von uns sowohl die Zeit mit den Kindern, als auch unsere Arbeit Spaß macht und wir beide beides machen möchten.
Organisiert ihr euch spontan oder macht ihr einen Plan?
Leandro: Es ist ein großer Vorteil, dass wir beruflich flexibel sind. Wenn einer von uns in einer Phase mehr zu tun hat, dann kann der andere einen Teil seiner Arbeitszeit abgeben. Einiges wird auch durch unseren Co-Gründer Levin abgefangen.
Anna: Meistens planen wir zwei Wochen im Voraus, im Idealfall auch mehr. Das hilft den Kolleg*innen und uns, sich auf Termine einzustellen.
Welche Tools nutzt ihr?
Anna: Wir verwenden beruflich einen Google Kalender, den wir dann auch durch private Termine ergänzen. Die Orga klappt gut und ist auch nicht wahnsinnig zeitaufwendig.
Habt ihr einzeln Hobbies, oder macht Sport?
Leandro: Dafür hatten wir bis jetzt kaum Zeit, es wird entspannter wenn Etienne auch in der Kita ist und wir dadurch am Abend nicht mehr so oft arbeiten müssen.
Anna: Im Prinzip haben wir seit einem Jahr gar keine Zeit für Hobbies – und falls dann doch mal eine halbe Stunde frei sein sollte, ist man oft viel zu müde, um sie zu nutzen. Leandro spielt gerne Schach und ich male, aber aktuell ist das wirklich selten.
Was ist mit Paar-Zeit, wann bekommt ihr die unter?
Anna: Die gibt’s nur, wenn uns unsere Familien besuchen oder wir bei ihnen Urlaub machen. Da aber alle mehrere Stunden weit weg wohnen, sind das Ausnahmen.
Habt ihr Hilfe, also einen Babysitter, ein Au-Pair, etc?
Anna: Tatsächlich haben wir vor Kurzem angefangen, ein Au-Pair für’s kommende Jahr zu suchen, da wir bis jetzt überhaupt keinen Babysitter haben. Wir sind da schon recht weit, wir haben auch ein extra Zimmer für das Au Pair freigemacht. Das wäre dann das erste Mal, dass jemand da wäre, der auf die Kinder aufpassen kann, wir haben einfach niemanden in der Nähe. Uns geht es aber vor allem darum, dass Etienne, wie gesagt, erst mit zwei mit der Kita starten kann und wir können einfach nicht so lange Elternzeit machen. Daumen sind gedrückt, dass das klappt!
Wie seid ihr durch die Corona-Zeit gekommen?
Leandro: Das war nicht einfach. Wir waren beide nicht systemrelevant, hatten also lange Zeit keine Betreuung, aber mussten gleichzeitig schauen, wie wir in einer unfassbaren Krise für die ganze Gastronomie-Branche unser Unternehmen über Wasser halten, also komplett weiterarbeiten. Die Haferkater-Stores waren durch die Bahnhofsstandorte ja weiter offen.
Anna: Die Lockdowns waren eine frustrierende Phase. In Deutschland gab und gibt es viele Hilfen, aber durch endlose Bürokratie ist so viel Zeit und Kraft verloren gegangen. Kinder haben so wenig Beachtung gefunden und man selbst musste versuchen, auch noch alle zusätzlichen Ansprüche zu erfüllen und irgendwoher die Energie zu nehmen, sich an ständig wechselnde Bedingungen anzupassen. Wir hatten dann, als es erlaubt war, eine Art „Minikita“ mit Freunden und haben uns die Betreuung aufgeteilt, das hat geholfen. Aber trotzdem drücke ich alle Daumen, die ich finden kann, dass die Kitas nicht mehr schließen.
Habt ihr das Gefühl, genug Zeit mit den Kindern zu verbringen?
Beide: Ja, definitiv.
Sprechen wir über den Haushalt: wie teilt ihr euch hier auf?
Leandro: Wir haben drei Stunden die Woche eine Putzhilfe, ansonsten gilt: Anna entscheidet und ich führe aus. In den ersten Jahren haben wir viel gesprochen und sind uns mittlerweile einig, wie es gemacht werden sollte.
Anna: Wir sprechen da immer noch regelmäßig drüber, aber tatsächlich ist dieses Thema deutlich weniger wichtig geworden und Vieles hat sich geregelt.
Gibt es Aufgaben, die einer von beiden typischerweise immer übernimmt?
Anna: Ich koche gerne, das wechselt aber immer wieder mal. Das ist mir auch total wichtig – und Leandro macht mit. Und ehrlich gesagt hat sich Leandro schon immer um Rechnungen und Ähnliches gekümmert, da versage ich auf ganzer Linie.
Wer hat die Orga, also den Mental Load, in der Hand?
Leandro: Auch hier wollen wir 50/50 erreichen. Wenn aber einem eine Aufgabe Spaß macht (Urlaubsplanung z.B.) dann sehen wir das nicht als Mental Load und versuchen, das davon zu trennen. Es geht uns darum, fair aufzuteilen, was keiner von uns gerne macht und somit auch wirklich eine Belastung ist.
Anna: Ich glaube, ich habe noch nie einen Urlaub geplant, selbst wenn er mit meiner Familie war… Und Leandro hält sich möglichst aus der Essensplanung raus. Wenn ich mal genervt bin, dann eher von der Aufgabe an sich und weniger davon, dass ich sie in diesem Moment erledigen muss. Zum Beispiel Geschenke, das macht mal der eine, mal der andere. Manchmal stimmen wir uns auch einfach nur ab. Ansonsten mache ich – das ist typisch – die Kinderkleidung. Leandro ist das nicht so wichtig. Er macht Verträge, gerade den Wechsel zu Öko-Strom, jetzt auch die ganze Orga mit dem Au Pair. Also ich bin ziemlich zufrieden mit dem System!
Leandro: Ich auch.
Wie habt ihr die Finanzen geregelt?
Leandro: Finanziell haben wir schon immer alles geteilt, sei es privat oder beruflich, da haben wir zum Beispiel gleich viele Anteile. Wir haben ein gemeinsames Konto und dann hat zwar noch jeder sein eigenes, aber wir sind da wirklich sehr fifty fifty. Wir hatten vom ersten Tag an eine Kasse – und da gibt es auch tatsächlich keine Konflikte.
Wie seid ihr selbst aufgewachsen?
Leandro: Ich bin in Frankreich aufgewachsen, insofern bin ich wahrscheinlich ein bisschen anders geprägt. Meine Eltern sind aber beide deutsch, meine Mutter war die ersten Jahre zu Hause. Sie hat dann aber immer gearbeitet, sobald ich etwas größer war.
Anna: Meine Eltern waren immer beide berufstätig, wobei nach meiner Geburt meine Mutter und nach der meiner Schwester mein Vater in Elternzeit war. Das war damals auf dem Land ungewöhnlich und hat vor allem meine Mutter sicherlich vor die ein oder andere Herausforderung gestellt. Ich bin dadurch aber mit dem Selbstverständnis aufgewachsen, dass sich beide Elternteile auch beruflich selbst verwirklichen können, wenn sie das möchten.
Findet ihr euer System gerecht, seid ihr glücklich damit?
Anna: Auf jeden Fall. Es fällt mir auch sehr schwer, mir ein anderes Modell für uns vorzustellen, da wir von Anfang an beruflich und privat gleichberechtigt waren. Wir haben schon immer den Anspruch an den anderen, sich in beide Bereiche aktiv einzubringen.
Leandro: Es ist sehr gerecht meines Erachtens nach und ich bin glücklich damit. Das einzige Manko ist, dass wir noch keine Zeit für uns haben.
Was würdet ihr euch vom Staat, von eurem Umfeld, vom Arbeitgeber wünschen?
Leandro: Das Elterngeld sollte anhand des Haushaltseinkommens berechnet werden. So wie es jetzt ist, führt es nur dazu, dass viele Väter weniger Elternzeit nehmen, da sie in den meisten Fällen einen höheren Verdienst haben. Elterngeld für Selbständige sollte auch anders geklärt werden: Wenn es am Gewinn gemessen wird, fallen viele Startup Gründer:innen, die in den ersten Jahren keine Gewinne erwirtschaften, durchs Raster. Das war auch bei uns der Fall, sodass wir in der ersten Elternzeit nur den Minimalsatz bekommen haben.
Was kommt immer zu kurz?
Anna: Schlaf, vor allem der ohne Baby im Arm, und zeitweilig dann doch die eigenen Bedürfnisse. Erfahrungsgemäß wird das aber Schritt für Schritt besser.
Leandro: Schlaf und Zeit, um während einer Kaffeepause entspannt mit den Arbeitskollegen zu reden.
Und was klappt aber eigentlich ziemlich gut?
Leandro: Die Aufteilung der Zeit für die Kinder und die Arbeit
Was stresst euch im Alltag am meisten?
Beide: Mehr berufliche To-Dos, als Zeit, diese zu erledigen.
Und was macht am meisten Freude?
Leandro: Mit den Kindern zu sein.
Anna: Ich habe die coolsten Kinder der Welt, den besten Partner, den ich mir nur wünschen kann und einen Beruf, der mir an jedem einzelnen Tag Spaß macht. Dafür stehe ich auch jede Nacht stündlich auf und lese erst wieder in zwei Jahren ein Buch zu Ende.
Liebe Anna, lieber Leandro, vielen Dank für das Interview!
Fotos: Lina Grün