Yay or Nay – Fern- und Individualreisen mit (kleinen) Kindern

Beim Reisen scheiden sich ja die Geister. Die einen sagen: Wer kleinen Kindern lange Reisen antut, ist selbst schuld. Die anderen: ich lasse mir das Reisen nicht verderben, nur weil ich jetzt Familie habe. Weitere Meinungen: Fernreisen mit Kindern sind verantwortungslos. Kinderbetreuung muss sein, sonst erholt sich ja keiner. Endlich mal intensive Familienzeit! Bloß nicht zu weit weg, den Kindern ist es ja eh egal. Reisen macht mit Kindern erst so richtig viel Spaß. Je kleiner, je besser! Am besten, man parkt die Kinder bei den Großeltern bis sie mindestens fünf sind, davor macht das Reisen keinen Spaß. Unbedingt ins Hotel, sonst muss man ja genauso viel Arbeit wie zuhause machen! Auf keinen Fall ins Hotel, individuell macht das Ganze doch mehr Spaß. Und so weiter.

Die Wahrheit ist: wie man mit Kindern an das Reisen herangeht, hat viel damit zu tun, wie man das auch vorher getan hat. Wer schon beim Packen Kopfweh bekommt und im Flieger Angst, wer sich in fremden Gefilden eher unwohl fühlt, wer die Reiseplanung schon immer am liebsten anderen übergeben hat: der wird mit Kindern sicher nicht abenteuerlustiger. Eher das Gegenteil. Wer aber das Reisen liebt, gerne stundenlang Routen und Tipps auswertet, wer gerne fliegt, fremde Flughäfen und Kulturen liebt, wer relativ angstfrei ist und nicht reist um anzukommen: der wird mit Kindern eventuell ziemlich ähnlich verreisen, wie ohne.

Und –  jetzt kommts: nichts muss, alles kann. Es gibt mal wieder kein Falsch oder Richtig, jeder darf doch bitteschön verreisen, wie er will!

Trotzdem – weil die Unterschiede so wundervoll sind – wollen wir heute mal zwei Gegenpositionen vorstellen. Den Contra-Part übernimmt Karin, die sich immer als allererstes über Impfungen informiert, die lange Flüge meidet und sehr gerne Kinderbetreuung im Hotel in Anspruch nimmt.

Den Pro Part übernehme natürlich ich. Schließlich war ich mit Kindern schon in Indien und mit dem Rucksack und überhaupt. Ich schließe zwar nicht aus, dass wir demnächst auch mal All Inc urlauben, denn der Entspannungsgrad ist ein Argument. Aber unsere Winter-Reise wird gerade geplant und wir werden wieder den Rucksack nehmen – zu viert! Los geht’s also:

YAY:

Ich bin eine von denen, die einfach wahnsinnig gerne verreist. Ich liebe schon das Flüge-Buchen, das verursacht bei mir Kribbeln, Vorfreude. Früher habe ich gefühlt nur für’s Reisen gelebt. Es waren immer schon mehrere Reisen im Voraus geplant und gebucht. Mir macht sogar Packen Spaß, und ich entspanne, sobald ich am Flughafen bin. Ich schlafe im Flieger wie ein Baby, keinerlei Flugangst. Ich habe auch keine Angst vor tropischen Krankheiten, oder vor anderen doofen Dingen, die einem auf Reisen so passieren können (Überfälle, Unfälle, Durchfall, ihr wisst schon). Natürlich wählen wir unsere Reiseziele dennoch vorsichtig, die Philippinen würde ich im Moment ausschließen, und auch einen Großteil Afrikas möchte ich erst mit größeren Kindern bereisen. Aber ich liebe fremdes Essen, fremde Kulturen, fremde Gerüche. Und ich liebe vor allem das Gefühl, wenn sich all das nach ein paar Wochen gar nicht mehr fremd anfühlt. Ich will immer so tief wie möglich in ein Land eintauchen, will Menschen kennenlernen, Geschichten erfahren, will Länder und ihre Kulturen spüren. Ich LIEBE das Reisen. Und ich wollte meine Kinder von Anfang einfach mitnehmen und habe gehofft, dass sie sich von meiner Leidenschaft anstecken lassen. Bisher klappt das sehr gut. Xaver tritt demnächst seinen 50. Flug an. Er ist ein richtiger Vielflieger, hatte nie Probleme mit dem Druckausgleich, flirtet mit Stewardessen, drückt sich souverän durch das Bordprogramm. Quinn macht sich bislang auch sehr gut, sie schläft meist auf Flügen. Auf dem Rückflug aus Kapstadt haben mein Freund und ich beide jeweils zwei Filme gesehen, obwohl wir mit zwei kleinen Kindern unterwegs waren! Soweit zum Fliegen. Mir macht das Spaß. Natürlich hat auch schon mal ein Kind geschrien an Bord, auch gebrüllt, auch andere aufgeweckt. Es war auch mal total nervig. Aber im Großen und Ganzen gingen unsere Flüge, auch die langen Strecken immer gut und ich würde es sofort wieder machen.

Dann zum Urlauben an sich: ich mag keine Pauschalreisen. Nicht weil ich das uncool finde, oder so. Sondern weil ich eben etwas vom Land mitbekommen will. Weil ich mir selbst ein Taxi nehmen will am Flughafen, weil ich meine Unterkunft selbst entdecken will und vielleicht auch mehrere ausprobieren. Ich mag es, an fremden Orten in Restaurants zu gehen, zu sehen, wie die Locals essen. Ich träume auch gerade ab und an von Kinderbetreuung im Urlaub, denn mein Großer macht keinen Mittagsschlaf mehr und ist ein 24-Stunden-Job. Aber meine romantische Reise-Seele will das eigentlich nicht. Sie will das Land mit den Kindern zusammen entdecken. Will Reisezeit als Familienzeit sehen und auch so annehmen. Ich gebe zu, in Kapstadt, als wir fast drei Monate aufeinander saßen, keine Kita, keine Arbeit, da knallte es manchmal ganz schön. Da hat mein Freund oft gesagt: das Geld hätten wir auch in drei Wochen Robinson Club stecken können, dann wären wir jetzt wenigstens erholt. Aber im Nachklang war genau das so schön: diese intensive Erfahrung als Familie. Und Xaver hat Südafrika richtig kennengelernt. Er weiß ein bisschen, wie die Menschen ticken. Er hat viel entdeckt, probiert, aufgesaugt. Er hat nicht nur Strand und Meer gesehen, sondern auch echte Menschen und unzählige Orte.

Wo wir beim nächsten Argument wären. Ich glaube nicht, dass es den Kindern egal ist, wo sie sind. Ich glaube wohl, dass sie auf heimischen Bauernhöfen, im eigenen Garten und an der Ostsee eine ebenso glückliche Kindheit mitnehmen, als wenn sie in Indien, Thailand, Südafrika oder Australien waren. Aber mein Gefühl bleibt dennoch, dass auch kleine Kinder an jeder Reise wachsen, weltoffener werden, interessierter, toleranter. Dass sie Belastungen anderer Art kennenlernen, dass sie wacher, aufmerksamer werden. Ich beobachte bei Xaver ganz eindeutig, dass er das Reisen genießt, dass er etwas mitnimmt. Da heißt nicht, dass man ohne weite Reisen intolerant wird, aber ich glaube nicht, dass meine Kinder besser zuhause aufgehoben wären, sondern dass das Reisen sie auf eine schöne Art und Weise prägen wird – wenn’s gut geht für’s Leben.

Fazit also: ich liebe das Reisen mit Kindern. Gerne weit weg, gerne unbequem, gerne mit wenig Gepäck. Wie gesagt, erholsam ist das nicht immer, deshalb finde ich andere Arten des “Urlaub machens” auch nicht unattraktiv. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich immer die Weltreise mit dem Rucksack dem Pauschalurlaub vorziehen.

NAY:

Ich bewundere Menschen, die weite Reisen machen, sich treiben lassen, Gefahren auf sich nehmen. Wirklich! Ich finde das toll, wenn junge Menschen mit dem Rucksack durch die Welt jetten. Meins ist es nicht. Immer wieder dachte ich: Jetzt fahren wir mal nach Asien, irgendwas Verrücktes. Aber ich bin in Spanien genauso glücklich, also warum soll ich es mir antun? Seit ich Kinder habe (sie sind jetzt sechs und zwei Jahre alt), habe ich nicht mal mehr an Asien gedacht. Es scheint mir ein Wahnsinn, so etwas mit kleinen Kindern zu machen. Ohne Kinder waren wir auch mal länger in den USA, dort haben wir Verwandte, aber ich traue mir das nicht zu mit zwei kleinen Kindern. Das Verrückteste war bei uns Mauritius letzten Winter. Es war toll. Aber der Flug! Anstrengend. Und das ganze Gepäck! Ich kann nicht wenig einpacken, ich muss immer auf Nummer sicher gehen. Ich habe es eben auch schon erlebt, dass ich dann etwas Wichtiges vergessen hatte und das war dann wirklich nervig. Und ich habe auch schon kranke Kinder gehabt auf Reisen, kleine Unfälle – ich war immer froh, dann nicht im Dschungel zu sitzen sondern gute medizinische Versorgung zu haben. Wir reisen also jetzt zu viert immer mit vier großen Koffern und einer großen Reiseapotheke. Und wir reisen pauschal. Ich finde das selbst auch irgendwie spießig aber am Ende ist es immer herrlich. Wir gehen sogar wirklich und ganz ehrlich ins Reisebüro. Sagen, was uns interessiert, was uns wichtig ist. Und dann müssen wir uns um nichts mehr kümmern! Ich genieße es, nicht kochen zu müssen und – vor allem – endlich mal nicht essen zu müssen, was meine Kinder mögen. Das hat sich nämlich bei uns eingeschlichen, dass wir mittlerweile nicht mehr sehr aufwendig kochen – die Kinder sind beide wählerisch und mein Mann und ich eigentlich ziemliche Gourmets. Ich genieße es, keine Wäsche machen zu müssen und dass mein Bett jeden Tag gemacht wird. Und für mich bedeutet Urlaub Entspannung. Ich will mich dann vom Alltag erholen, faulenzen, Bücher lesen, voll und ganz für die Kinder da sein, ohne Handy in der Hand und Meetings im Kopf. Will mal einen Ausflug machen, etwas vom Land sehen, aber eben auch wohldosiert. Wir waren mittlerweile auch schon in ein paar Familienhotels und ich habe das unheimlich schön gefunden, dass die Kinder dort ihresgleichen hatten und wir auch mal ein paar Stunden nur für uns.

Ich bin mit meinen Eltern auch so gereist, und fand es immer ganz toll. Bis heute liebe ich Hotels, ich mag die Atmosphäre, das gemeinsame Essen, den Service. Wir lernen immer interessante Menschen kennen, machen immer Ausflüge, ich habe schon das Gefühl, dass ich von Land und Leuten etwas mitbekomme. Bloß halt nichts so Exotisches. Ich interessiere mich sehr für andere Kulturen, aber ich bin halt eher der vorsichtige Typ. Auch für Mauritius habe ich erst mal die Impf-Empfehlungen gelesen und geschaut, was so alles passieren kann. Ich will mit meinem Mann auch unbedingt noch ein paar Fernreisen machen, wenn die Kinder groß sind. Aber ich habe wirklich nicht das Gefühl, dass die Kinder das brauchen. Die sind überall glücklich, wo es einen Pool und ein paar andere Kinder gibt. Außerdem ist Zeit ja auch eine Frage – und Geld! Mich reizt zum Beispiel Patagonien, aber wir können von Berufs wegen nie lange verreisen, und das lohnt sich ja nicht für zwei Wochen. Sowas machen wir dann, wenn wir in Rente sind, haha!

Mein Fazit also: Individual- und Fernreisen mit Kindern sind was für Abenteurer und für starke Nerven. Und so bin ich eben einfach nicht. Mir geht es im Urlaub um die Erholung, und die bekomme ich viel besser im Hotel und nach einem möglichst kurzen Flug!

Wie verreist ihr? Eher wild, oder eher pauschal? Oder irgendwo dazwischen?

 

Foto: Steven Thompson