Let’s talk about: Unerzogen – Ungezogen?
Zunächst: ich finde dieses Wort ungut gewählt. Er klingt nach “ungezogen”, nach Kindern ohne Grenzen und Verwahrlosung. Dabei ist dem eigentlich nicht so. Ich würde zum Beispiel NIE behaupten, dass wir “Unerzogen” praktizieren, denn ich möchte meine Kinder schon “erziehen” und sehe es auch als meine Aufgabe an. Aber als ich begann, mich einzulesen, stellte ich schnell fest, dass ich viele Dinge, die das Konzept umfasst, genau so praktiziere. Nicht weil ich das so geplant hätte, sondern einfach weil es funktioniert (und alles andere nicht). Weil ich mit meinem Kind weiter komme, wenn ich ihn viel mitentscheiden lasse, wenn ich ihn und seine Wünsche respektvoll behandle. Dann sind wir alle entspannter! Bei vielen Dingen bin ich aber dennoch konservativ. Meine Kinder müssen Danke und Bitte sagen, sie müssen sich die Haare und die Hände waschen. Und so weiter.
Unsere Leserin Lisa dagegen nennt ihren Erziehungsstil “unerzogen”, und sie praktiziert auch andere und wesentlich mehr Punkte als ich. Auch bei ihr hat es sich aber “einfach so ergeben”.
Weil ich das Thema soooo spannend finde, habe ich ihr ein paar Fragen gestellt.
Liebe Lisa, wie würdest du deinen Erziehungsstil beschreiben?
Wir leben „Unerzogen“. Das heißt, für unseren vierjährigen Sohn gibt es keine Regeln oder Vorschriften. Ganz konkret bedeutet das, mein Kind geht nicht in den Kindergarten, wenn es das nicht möchte. Er darf essen was, und wieviel er möchte und er darf schlafen wie und wann er will.
Beispiel Essen: Wir ernähren uns ganz normal, und wenn unser Sohn etwas nicht mag, muss er es nicht essen. Aber unser Konzept gilt natürlich auch für Süßkram. Mein Kind durfte von Anfang an so viel und wann er wollte naschen. Viele von meinen Freundinnen sagen zu mir, dass ihr Kind mit Sicherheit ausschließlich Süßes essen würde, wenn sie das erlauben würden. Für meinen Sohn waren Süßigkeiten von Anfang an nichts Verbotenes, und vielleicht hat er auch gerade deswegen ein gutes Gefühl dafür entwickelt, was ihm gut schmeckt und was nicht. Er nascht auf jeden Fall nicht mehr oder weniger als andere Kinder.
Meine Eltern waren sehr gesundheitsbewusst, und haben Süßes streng verwaltet. Ich merke heute noch, dass es mir schwer fällt, das richtige Maß zu finden. Wenn mein Sohn Schokolade geschenkt bekommt, stelle ich diese auch niemals hoch oder in einen Schrank. Das würde ich als respektlos empfinden. Mein Sohn isst selten alles auf einmal, sondern wenn er was Süßes da hat, wird es nach und nach gegessen. So wie bei uns Erwachsenen auch. Eine gute Entscheidungshilfe ist für mich immer die Frage: Würde ich mit meinem Mann auch so umgehen? Würde ich seine Schokolade wegschließen? Ihm Verbote machen?
Wie läuft es dann am Tisch bei euch ab, esst ihr zusammen, bleibt dein Sohn sitzen?
Wir starten das Essen immer gemeinsam. Manchmal sagt mein Sohn noch einen Tischspruch, den er aus dem Kindergarten hat. Wenn er fertig ist mit Essen – meistens viel früher als wir – schicken ihn zum Spielen. Es ist für uns gar nicht wichtig, dass er still bei uns sitzen bleibt bis wir fertig gegessen haben. Sonst würden wir ihn vermutlich darum bitten. Uns ist es wichtig, dass wir unsere Ruhe haben, wenn wir essen. Fängt er beim oder nach dem Essen an rumzuturnen und zu hampeln, stört uns das wirklich. Er darf gerne teilhaben, er muss es aber nicht. Wenn er lieber unterm Tisch essen will, ist das für mich auch kein Weltuntergang, und wenn er gar nicht teilhaben will, darf er gerne spielen gehen. Meistens haben wir noch eine kleine Diskussion, dass er gerne jetzt sofort mit einem von uns zusammen spielen will. Aber da sind wir „konsequent“ und beharren darauf, dass wir in Ruhe zu Ende essen und sprechen wollen, und dass wir danach zu ihm kommen und etwas Gemeinsames machen.
Bei dem Thema Essen waren wir von Anfang an unerzogen. Es gab aber am Anfang noch sehr viele Regeln und Grenzen in unserer Erziehung. Mit dem selbstbestimmten Schlafen haben wir beispielsweise erst mit drei Jahren angefangen.
Wie läuft das ab?
Es war früher immer ein täglicher Kampf, den Kleinen ins Bett zubringen. Einer von uns Eltern saß mit Sicherheit ein bis zwei Stunden im dunklen Schlafzimmer mit einem scheinbar gar nicht müden Kleinkind. Unsere Abende als Paar zusammen auf dem Sofa waren somit eine absolute Seltenheit. Ich habe etliche Ratgeber gelesen, es hat aber nichts geholfen und Schlaftraining kam für uns nicht in Frage. Ich habe dann eines Tages in einem Blog vom “Selbstbestimmten Schlafen” gelesen.
Das heißt, das Kind darf dann schlafen, wann es möchte und müde ist. Es wird jedoch immer mit einem Ritual in den Schlaf begleitet und schläft nicht einfach so in der Lego-Kiste ein oder so. Das hat mich gleich total angesprochen.
Und ich muss sagen, die ersten Monate waren nicht leicht. Ständig ist er um 17 Uhr eingeschlafen und war dann bis spät abends total munter. Aber wir waren trotzdem alle viel entspannter, dieser Stress jeden Abend ist wegefallen. Jetzt sind wir seit einem Jahr dabei und sind mittlerweile total begeistert. Jetzt klappt alles so, wie ich es mir immer gewünscht habe. Mein Kind hat seinen eigenen Rhythmus gefunden. Er schläft oft noch am Nachmittag ein, geht aber jeden Abend ziemlich regelmäßig um acht ins Bett. Es kommt ab und zu auch mal vor, dass er länger wach ist, aber dann bitten wir ihn, etwas Ruhiges zu spielen oder Hörbücher zu hören. Wir waren als Familie noch nie so entspannt wie heute, denn das Schlafen war früher ein echtes Reiz-Thema.
Lustig, ähnlich lief es bei uns auch. Aber wie funktioniert das mit dem Kindergarten? Fragt ihr ihn jeden Morgen ob er in die Kita will? Wie oft will er nicht?
Das Thema selbstbestimmt in den Kinderarten gehen löst ehrlich gesagt ziemlich ablehnende Kommentare in meinem Umfeld aus, ich kriege häufig zu hören „na wenn ihr es euch leisten könnt“ oder auch gerne „so wird er nie lernen, sich an eine Gruppe anzupassen“ Ich möchte dazu sagen, dass ich es voll in Ordnung finde, wenn andere Familien dieses Thema anders handhaben als wir. Nur haben wir festgestellt, dass es für uns so ganz gut passt. Auch die Erzieher sagen, dass sich unser Sohn in der Gruppe ganz normal verhält. Wir lassen unser Kind so frei entscheiden, was die Kita angeht, weil wir denken, dass er so ein totales Vertrauen in uns entwickeln kann. Mittlerweile lassen wir ihn niemals weinend dort, wie es noch zu Anfangszeiten war.
Beruflich sind wir glücklicherweise relativ flexibel und können an den Tagen, die der Sohn zuhause bleiben will, frei machen. Meistens ist es ihm zuhause aber einfach zu langweilig, und er hat Lust zu gehen.
Ich sage morgens immer, dass heute Kindergarten-Tag ist. Und wenn er nicht gehen will, sagt er es dann. Unser Sohn hat „Kindergarten-Phasen“. Das heißt, manchmal geht er monatelang jeden Tag. Aber er hat auch Phasen wo er morgens sagt: heute will ich nicht gehen. Manchmal ist das eine Woche, aber auch mal einen ganzen Monat. Ich versuche dann herauszuhören, warum er das sagt. Will er gerade sein Spiel zu Ende spielen? Dann warten wir einfach noch etwas und meist geht er dann. Wenn er zuhause bleibt, spiele ich dann morgens nicht stundenlang mit ihm, sondern mache meinen Kram wie Küche aufräumen, Emails beantworten oder ihn mit zu Terminen nehmen. Meistens ist es ihm dann nach einigen Tagen zu langweilig und wenn er von sich aus nichts sagt, frage ich dann abends ob er am nächsten Tag wieder gehen will.
Als er in der Krippe war, haben wir ihn oft weinend abgegeben, und mir tat das immer sehr leid. Aber ich dachte, dass es sehr wichtig ist, für die Entwicklung, und irgendwie kannte ich es auch nur so. Irgendwann habe ich das aber hinterfragt und merkte: die Welt geht nicht unter, wenn er mal Zuhause bleibt. Beruflich sind wir ja, wie gesagt, Gott sei Dank ziemlich flexibel.
Muss er Bitte und Danke sagen?
Nein. Wir bitten unser Kind nicht, Bitte und Danke oder Auf Wiedersehen zu sagen. Oft ist er ganz von alleine höflich, und imitiert uns Erwachsene einfach. Er bedankt sich bei Verwandten lieb für Geschenke, allerdings nur, wenn sie ihm gefallen. Bekommt er von der Oma einen langweiligen Schlafanzug geschenkt, lässt er ihn einfach links liegen und sagt gar nix dazu.
Was macht ihr, wenn ihr wichtige Termine habt?
Letztens hatte ich einen Arzttermin, auf den ich schon lange gewartet hatte, und mein Sohn ist genau an diesem Tag nicht in den Kindergarten gegangen. Aber als wir dann losmussten, wollte er partout nicht mit. Ich habe dann meinen Mann angerufen und er ist für die Stunde nach Hause gekommen. Das geht, weil wir selbständig sind. Ich habe ihn aber auch schon mal bei einer Freundin gelassen, die in der Nähe wohnt.
Wenn es ein gemeinsamer Termin ist, wie beim Kinderarzt, dann bitte ich ihn einfach mitzukommen. Ich sagen dann so etwas wie „ich weiß das du nicht willst, aber mir ist es sehr wichtig, und es geht heute leider nicht anders“. In den allermeisten Fällen kommt er dann mit, ohne zu meckern. Ich gebe ihm auch immer früh genug bescheid, dann fällt es ihm leichter mitzukommen.
Meistens reicht das schon. Im schlimmsten Fall würde ich auch mal einen Termin absagen. Es gibt ja fast nichts, was sich nicht verschieben lässt. Wenn es unumgänglich ist, dann „muss“ er mit. Er ist dann zwar nicht happy, aber macht mit. Ich denke, weil er weiß das ich ihm so etwas wirklich nur im Notfall zumute. Meistens versuche ich so auf seine Wünsche einzugehen, wie ich es kann, und mein Sohn macht das meistens auch so. Es geht mir also nicht darum, dass er auf jeden Fall seinen Willen bekommt. Sondern in den eher seltenen Momenten, wo er mal wirklich nicht mitwill, auch auf Ihn einzugehen. Allermeistes kommt er ja mir zu Liebe ohne zu meckern mit, wenn er weiß, dass es mir wichtig ist. Ich denke, er ist in der Hinsicht so kompromissbereit, weil er weiß, dass ich es auch bin.
Wenn wir es mal sehr eilig haben, bitte ich ihn, einfach ganz schnell zu machen, und das macht er dann meistens auch.
Ich habe mal ein Jesper Juul Buch gelesen in dem stand, dass Kinder von sich aus kooperieren wollen. Und das ist meiner Meinung auch genauso. Mein Sohn bittet mich häufig um etwas, und wenn nichts dagegen spricht, gehe ich auch immer auf seine Wünsche ein. Umgekehrt ist es allerdings genauso. Wenn Ich meinen Sohn um etwas bitte, gibt er sich große Mühe, auch darauf einzugehen. Wenn wir schick Essen gehen, gibt er sich große Mühe, still zu sitzen, oder wenn ich mal länger mit einer Freundin am Telefon quatsche, bitte ich ihn alleine im Kinderzimmer zu spielen, usw.
Wie ist es mit Hygiene? Das ist ja auch so ein Thema, um das es große Diskussionen gibt…
Zähneputzen haben wir einfach immer gemacht. Als Baby hat sich mein Sohn das auch gefallen lassen. Als er dann größer wurde hat er nicht mehr lieb mitgemacht. Da haben wir uns dann entschieden, dass ein Zwangsputzen nicht in Frage kommt. Ich habe sämtliche Tricks aufgefahren: Cartoons auf dem Handy schauen, singen, tanzen – und so weiter. Im schlimmsten Fall mal einen Tag ausfallen lassen. Mittlerweile haben wir ihm erklärt was Karies ist. Das hat enormen Eindruck auf ihn gemacht, so dass er jetzt von selber dran denkt. Mit den Haaren war es nicht so unkompliziert. Mein Sohn hat lange Haare, da er irgendwann nicht mehr zum Friseur gehen wollte. Für uns als Eltern sprach da nichts dagegen. Aber er wollte sich die Haare auch nicht mehr waschen lassen. Baden, ja gerne. Kopf unter Wasser – auf keinen Fall.
Ich habe dann gegoogelt und die „no poo“ Methode gefunden, Haarpflege ohne Shampoo. Bei Kindern reicht es, die Haare regelmäßig mit einer weichen Bürste zu kämmen. Der meiste Schmutz geht so raus. Die erste Zeit sind die Haare fettiger als normal, aber das reguliert sich. Jetzt sehen seine Haare schön fluffig und frisch aus. Und sollte er doch mal müffeln, ist er jetzt auch kompromissbereit und lässt sich ganz selten mal die Haare nass machen.
Auch beim Händewaschen bin ich nicht so “streng”. Wenn wir im Kaufhaus oder beim Arzt waren, bestehe ich darauf. Aber wenn er aus dem Garten kommt, und dreckig ist und sich partout nicht waschen lässt, dann ist das halt so. Beim Nägel schneiden handhabe ich es so: Ich frage ihn, ob er gerne möchte, dass ich ihm die Nägel schneide. Wenn er nicht will, dann lasse ich es. Irgendwann nervt es ihn ohnehin und er kommt zu mir und fragt nach Hilfe.
Lasst ihr euren Sohn manchmal bei den Großeltern oder einem Babysitter? Wie klappt es da?
Wir lassen unseren Sohn mal bei Freunden, die auch Kinder haben, und selten auch mal bei der Oma. Bei der Oma gibt es Regeln, mein Sohn macht das dann einfach alles mit. Die Großeltern sind eher überrascht, dass er so „lieb und brav“ ist, obwohl wir ja gar nicht streng sind.
Er hat mir letztens gestanden, dass er sich Schoki bei der Oma geklaut hat, denn dort sind Süßigkeiten verboten. Haha!
Macht ihr irgendwelche Kurse mit ihm? Macht er da mit?
Wir waren bei einer Spielgruppe und beim Kinderturnen. Das fand mein Sohn ganz toll und hat auch immer mitgemacht. Er ist gerne in Kindergruppen und man merkt bei ihm keinen Unterschied zu anderen Kindern. Es ist ihm total wichtig, alles genauso mitzumachen wie von den Kursleiten gewünscht, ich glaube zum „frech“ sein und aus der Reihe zu tanzen ist er einfach noch zu klein.
Habt ihr überhaupt Konflikte mit ihm und wenn ja, wo?
Klar, wir haben auch Konflikte. Ich denke, vermutlich genau die selben, die alle Familien haben. Z.B. baut er gerne das komplette Wohnzimmer mit Lego zu, sodass niemand mehr laufen kann. Das nervt mich total und dann ist es mir wichtig, dass das Zeug ins Kinderzimmer zurückkommt. Will er jetzt unbedingt die Türen mit Stickern verschönern finde ich das jetzt auch nicht gerade toll, aber so richtig schlimm finde ich es auch nicht, und dann lasse ich ihn. Umgekehrt ist es genauso: ist meinem Sohn etwas wirklich sehr wichtig, dann macht er das deutlich. Wenn ihm eine Sache nicht so sehr am Herzen liegt, ist er auch nachgiebig.
Es ist wohl immer ein Abwägen, was mir wirklich wichtig ist und was nicht. Ich will einkaufen gehen, mein Kind nicht. Ich will mich ausruhen, mein Sohn will unbedingt jetzt mit mir basteln, etc. Ich versuche, faire Kompromisse zu finden. Ich habe Wünsche, und ihm sind eben auch Dinge wichtig. Beide Bedürfnisse sind gleichberechtigt und müssen ernst genommen werden. Ich stelle die Wünsche meines Kindes nicht über meine, und umgekehrt. entscheidend ist ja, dass wir fair streiten. Ich versuche, die Machtposition – die ich ja zweifelsohne habe – nicht auszunutzen.
Baut er ab und zu richtig Mist und schimpft ihr dann mit ihm?
Ja, macht er manchmal. Aber nie bösartig, wie vermutlich alle Vierjährigen. Er hat letztens die Wände im Hausflur angemalt, ich bin echt ausgeflippt. Ich versuche dann, nicht zu viel mit ihm zu schimpfen, sondern nur zu sagen, dass es mich echt wütend oder traurig macht. Ich denke, man kann ruhig mal so richtig sauer werden, aber man sollte nie beleidigen. Meine Toleranz ist immer größer geworden, je länger ich Mutter bin. Haben mich anfangs Kratzer im Parkett und Flecken auf dem Sofa geärgert, denke ich mir jetzt „ach ist doch egal, er ist nur einmal so klein“, und letztendlich sind es doch Lapalien.
Darf dein Kind alles? Würdest du das so sagen?
Ich denke der Satz „wo die Freiheit des einen anfängt, hört die eigene Freiheit auf“, trifft es ganz gut. So ist es meistens in unserem Alltag, er „darf“ nicht alles, sondern muss auf andere Menschen in seinem Umfeld Rücksicht nehmen, aber im Gegenzug versuchen wir, auch seine Bedürfnisse total ernst zu nehmen.
Leichter als eine „normale“ Erziehung ist unser Weg auf keinen Fall, denn wir leben ja nicht laissez fair, wo das Kind quasi vernachlässigt wird. Ich finde es häufig anstrengender, so zu leben, denn ständig muss alles hinterfragt und überlegt und abgewogen werden. Wer in der Familie hat welche Bedürfnisse, welche sind gerade am drängendsten. Der Aufwand ist viel höher, jeden Tag ungeplant und spontan zu verbringen. Manchmal bin ich auch neidisch auf Eltern, deren Kinder um punkt 19 Uhr im Bett liegen. Es gibt auch wirklich immer wieder Momente, in denen gar nichts so klappt wie ich es mir vorgestellt habe, und wir haben manchmal richtig miese Tage. Aber das ist wahrscheinlich bei jeder Familie der Fall. Aber ich stehe doch total hinter dem Unerzogen Konzept, denn wir haben das Gefühl, dass wir als Eltern unserem Herzensweg folgen.
Warum ich das mache? Ganz einfach, mir ist es wichtig, dass mein Sohn lernt Verantwortung für sich und seinen Körper zu übernehmen. Natürlich altersgerecht, denn er kann mit seinen vier Jahren noch nicht alle Konsequenzen überblicken. Das heißt, hin und wieder helfe ich ihm dabei, Entscheidungen zu treffen.
Merkst du oft, dass du verkrustete Erziehungs-Prinzipien, die du im Kopf hast bewusst bekämpfen musst?
Ja total, ich bin ja selbst relativ streng erzogen worden. Das Thema “gleichwürdig sein” gab es in meinem Elternhaus nicht. Viele Sachen habe ich am Anfang gemacht, „weil man es eben so macht“. Ich dachte, Kinder brauchen Grenzen und Regeln. Vor allem beim Schlafen, Süßigkeiten und Fernsehen war ich mir sicher, kleine Kinder können sich gar nicht selber regulieren. Sie brauchen unsere „Regeln“.
Dass das so nicht stimmt, habe ich erst im Laufe der Zeit festgestellt. Aber ich beobachte ständig Dinge an mir, die „anerzogen“ sind. Z.B. neige ich dazu, meinen Sohn zu belohnen. Ich bin als Kind ständig für gute Noten oder nettes Verhallten belohnt worden, und lehne das Konzept heute eigentlich ab. Denn ich denke, eine Beziehung in der jemand belohnt wird, ist nicht gleichwertig. Trotzdem ist dieses Muster so tief in mir drinnen, dass ich es ständig unbewusst wiederhole.
Danke, Lisa, für diese interessanten Einblicke!!
Foto: Pixabay