Sollte man mit Kindern über Krieg sprechen?
Wahrscheinlich haben zumindest eure größeren Kinder schon einige Bilder vom Krieg gesehen: Sei es, wenn sie abends bei der Tagesschau noch mit auf der Couch sitzen, auf den Titelseiten der Zeitungen am Kiosk, oder auf unserem Smartphone. Für Kinder ist das mitunter schwer zu verstehen: Warum weinen die? Warum sitzen die in den U-Bahnstationen mit ihren Haustieren?
Viele Fragen
Besonders diese Bilder, verzweifelte Menschen oder gar Gewalt können Kinder verunsichern, und im besten Fall stellen sie nun viele Fragen. Hier könnt ihr vorsichtig schauen, was genau die Kinder schon wissen. Haben sie in der Schule schon drüber gesprochen? Hat ein anderes Kind gesagt, “der dritte Weltkrieg” fange an? Haben sie gar Angst?
Sachlich, aber einfühlsam
Das Wichtigste: Sprecht das Thema nur an, wenn aktiv Fragen gestellt werden oder ihr euch sicher seid, das Kind beschäftigt etwas. Es gibt keinen Grund, ein kleines Kind mit solchen Themen zu konfrontieren, das nicht danach fragt. Wenn es aber aufkommt, dann nehmt euch Zeit. So ein Gespräch geht nicht zwischen Tür und Angel. Erklärt die Situation wahrheitsgemäß, aber vereinfacht. Denkt an die Sprache eurer Kinder und versucht, Worte zu benutzen, die sie kennen. Wenn das nicht geht, erklärt die Worte. Gebt keinen Zeitungsartikel wieder, sondern schaut, was das Kind schon weiß und holt es dort ab. Wichtig ist, dass ihr gezielt auf die Fragen antwortet und nicht zu sehr abschweift. Manchmal weiß ich gar nicht, wie ich das große, ganze komplexe Thema runterbrechen soll, ich verstehe es ja selbst nicht in Gänze. Dabei hilft zum Beispiel dieser ZDFLogo Beitrag, der wirklich gut verständlich erklärt. Auch die Kindersendung Neuneinhalb des WDR macht das prima. Oder die Sendung mit der Maus.
Hat euer Kind Angst oder macht sich große Sorgen?
Man ist immer gut beraten, wenn man die Gefühle der Kinder ernst nimmt. Ein “du brauchst keine Angst haben” hilft da manchmal weniger, als Nachfragen, was genau Angst macht. Schaut, dass ihr euch gemeinsam mehr infomiert über das Thema. Auch das hilft. Erzählt vielleicht auch ein wenig von euch selbst: Dass ihr euch auch manchmal Sorgen macht. Sprecht über die Gedanken des Kindes. Sollten die Ängste vor dem Schlafengehen auftauchen, versucht am besten noch über ein positives Thema zu reden oder lest doch nochmal das Gute-Nacht-Buch vor. Vielleicht erklärt ihr auch, dass ihr die Kids gut beschützt und dass den Menschen in der Krisenregion auch geholfen wird. Schulkindern kann auch erklärt werden, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass es in Deutschland Krieg gibt und dass die meisten Länder in Europa gelernt hätten, ihre Streitigkeiten nicht mit Gewalt auszutragen. Außerdem kann man ihnen die Dimensionen erklären: Wie weit ist es zur Ukraine? Wie lange müsste man mit dem Auto fahren, bis man dort ist? Manchmal hilft es, den Abstand konkret aufzuzeigen.
Wenn euch das Thema länger beschäftigt, kann man auch aktiv werden: Vielleicht sucht ihr gemeinsam einen Spendenaktion heraus, die Menschen im Kriegsgebiet hilft? Oder ihr zündet gemeinsam eine Kerze an? Geht auf eine Demo?
Altersgerecht – und von Kind zu Kind unterschiedlich.
Natürlich macht es einen großen Unterschied, ob ihr einem vierjährigen Kind oder einem achtjährigen Kind die Situation erklärt. Schaut auch hier, wo genau ihr eure Kinder abholen könnt. Gab es mal Streit mit einem Kita-Kind? Vielleicht könnt ihr anhand von dieser Situation erklären, dass Krieg eine Art Streit ist. Manchmal reicht Kindern das schon. Nur wenn sie weiter Fragen stellen, könnt ihr mehr erklären.
Kinder sind unterschiedlich. Es gibt Vierjährige, die schon genau wissen wollen, worüber die Eltern sich sorgen. Es gibt Achtjährige, die das noch komplett ausblenden. Es gibt Grundschulkinder, denen die Tagesschau viel zu viel ist – und Kita-Kinder, die das Gesehene schon gut einordnen können. Geht immer auf EUER Kind ein, ohne es zu überfordern.
Offenheit
Natürlich sollte man nichts beschönigen, nicht lügen, gleichzeitig will man natürlich alles altersgerecht darstellen. Sterben Menschen in einem Krieg? Ja, und deshalb sollte man ihn möglichst verhindern. Es leiden unschuldige Menschen und das ist das Schreckliche am Krieg. Warum gibt es Krieg dann? Hier kann man ruhig auch zugeben, dass es sehr kompliziert ist und dass man auch selbst nicht immer alles versteht. “Ich weiß es auch nicht” zu sagen, ist total in Ordnung! Rein rational gibt es ja auch keine vernünftige Erklärung dafür, dass unschuldige Menschen sterben müssen.
Wenn Eltern selbst überfordert sind und grundsätzlich nicht so gut mit Ängsten umgehen können, wäre es eine Chance sich hier Hilfe zu holen – auch im Sinne der Entwicklung der Kinder. Gerade ältere Kinder merken oft, wenn Eltern sich Sorgen machen oder gar Angst haben. In dem Fall sprecht mit euren Kindern darüber und signalisiert: Besorgt und betroffen zu sein ist okay. Gerade kleinere Kinder sollte man jedoch mit seinen Ängsten lieber nicht verunsichern. Sie können nicht gut zwischen Gefühlen und Realität unterscheiden, was in ihnen große Angst auslösen könnte. Die Psychotherapeutin Lena Kuhlmann sagt in einem Interview mit Johanna Pinkepank zum Thema: “Wenn Eltern selbst überfordert sind und grundsätzlich nicht so gut mit Ängsten umgehen können, wäre es eine Chance, sich hier Hilfe zu holen – auch im Sinne der Entwicklung der Kinder.” Und im Fall der Fälle ist das sicher eine gute Idee. Die Zeiten sind belastend…
Und nach all den ernsten Themen ist man gut beraten, sich wieder mit Schönem oder etwas, das Spaß macht zu beschäftigen. Oft machen das Kinder aber von ganz allein – Kinder eben!
Weitere Artikel zum Thema findet ihr zum Beispiel hier und hier.
Photo: Pascal van de Vendel