“Mehr Ich im Wir” – warum das gerade jetzt so wichtig ist!

Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim
Viele von euch kennen die zwei ja schon, ob von ihrem schönen Blog Stadtlandmama oder auch durch ihr Mutmachbuch für das erste Jahr mit Kind, das vergangenes Jahr erschienen ist – und mit einer von ihnen haben wir auch einen Podcast aufgenommen. Jetzt haben Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim mit "Wow Mom – Der Mama-Mutmacher für mehr ich in all dem Wir" nachgelegt und ein Buch über Freiheiten und Me-Time geschrieben. Was in dieser Zeit, wo ein zweiter Lockdown droht und sich viele jetzt schon fragen, wie das werden soll, umso wichtiger ist. Denn ohne Selbstfürsorge geht es nicht, und warum nicht damit anfangen, wenn die Welt Kopf steht? Gerade dann brauch man diese Ressourcen ja. Umso mehr freuen wir uns über dieses Interview mit Lisa und Katharina!

Wie habt ihr den ersten Corona-Lockdown denn erlebt?
Katharina: Ich weiß, dass viele Familien die Entschleunigung im ersten Lockdown als positiv empfunden haben. Aber mir fällt es tatsächlich schwer, etwas Gutes in dieser Zeit zu sehen, denn ich fand die Wochen ohne soziale Kontakte einfach nur grässlich. Den Kindern und mir haben die Freunde, der Sport im Verein, einfach sehr, sehr gefehlt.

Lisa: Ich bin wirklich an meine Grenzen geraten und war sogar kurz vorm Burnout. Ich habe drei Kinder beschult! Die Zwillinge gehen in die fünfte Klasse, da lief wirklich alles über mich, schon aus technischen Gründen: Arbeitsblätter drucken, scannen, viele verschiedene Fristen einhalten. Das war sehr kleinteilig. Die Achtklässlerin war da zwar selbstständiger, aber auch bei ihr kamen komplett neue Themen wie die binomischen Formeln vor, was man ja nicht mal eben aus dem Ärmel schüttelt. Und ich konnte nicht alle drei gleichzeitig homeschoolen, da gab es dann Aufmerksamkeitsprobleme. Dazu Aufräumen, Putzen und Geschwisterstreit, und natürlich gehen Kinder mit der eigenen Mutter bei Frust auch anders um als mit ihren Lehrern. Ich habe wirklich von morgens bis abends nur gearbeitet. Da hat sich bei mir wahnsinnig viel an Emotionen entladen. Meine Kinder sagen mittlerweile: Für uns wäre es ok, aber Mama würde einen neuen Lockdown nicht durchhalten!

Wenn denn wieder einer kommt: Was sind eure Learnings?
Katharina: Wir waren mit drei Kindern im Alter von drei, sechs und neun Jahren zu Hause, dazu kam noch, dass mein Mann im Home-Office war und wir auf einmal Diskussionen geführt haben, wessen Arbeit jetzt wichtiger ist. Wer das Recht auf Ruhe hat und ins Arbeitszimmer darf – und wer am Küchentisch mit den Kindern arbeitet. Ich bin dann auch in eine Opferrolle verfallen, weil ich mich erst zurückgestellt habe und dadurch sehr unzufrieden war, bis ich dann explodiert bin. Und deswegen habe ich gelernt: Wir müssen viel mehr planen, uns sehr viel früher mit unseren Terminkalender hinsetzen, und nicht denken, man könne sich da irgendwie durchwurschteln. Es erfordert Organisation!

Lisa: Mein Mann arbeitet in einem systemrelevanten Beruf, deswegen werde ich auch bei einem möglichen zweiten Lockdown nicht im Home Office mit ihm sein. Ich weiß, dass ich mich in meiner Emotionalität etwas zurücknehmen muss, ich bin mit Höhen und Tiefen gesegnet – das sage ich bewusst, es ist auch ein Reichtum, bedeutet aber, dass ich umso mehr auf mich achten muss. Ich habe viele Aufträge abgesagt, was ich auch finanziell merke, aber die würden mich derzeit nur noch mehr stressen. Ich habe mir auch vorgenommen, Abstriche beim Homeschooling zu machen: nach 20 Uhr werden dann eben keine Aufgaben mehr erledigt – und wenn die dann fehlen, dann ist es eben so. Eine neue Strategie ist auch: Immer nur bis zum Abend denken, nicht schon an die nächste Woche oder daran, was dann wieder verboten ist. Das macht einen ja nur fertig. Ich weiß allerdings nicht, ob das Resignation ist oder schon Akzeptanz.

Auch völlig irre ist ja, dass euer Buch in dieser Zeit der Schul- und Kitaschließungen geschrieben wurde – gefühlt an fünf Freitagen im Mai, wie ihr im Vorwort schreibt!
Katharina: Genau, wir wollten es schon absagen, als wir hörten, dass die Schulen auch nach den Osterferien zu bleiben, weil wir überzeugt waren, dass wir das nicht schaffen. Aber unsere Lektorin hat uns ermutigt, sie sagte: Gerade jetzt brauchen Frauen ein solches Buch, das sie an die Hand nimmt und Hoffnung spendet. Und dann haben wir mit unseren Männern gesprochen und uns auf unsere Fridays for Future geeinigt! Wir waren dann freitags wirklich von 9 bis 21 Uhr auf Knopfdruck kreativ und haben um unser Leben geschrieben. Bis heute denke ich, dass es ein Wunder ist, wenn ich das Buch in der Hand halte! Es gibt Texte, bei denen ich weiß, dass ich sie geschrieben habe, als ich völlig überlastet war, aber ich habe sie geschrieben! In diesem Hardcore-Jahr 2020 ist es unsere Versöhnung, etwas Schönes geschafft zu haben.

Lisa: Genau, überhaupt etwas Produktives gemacht zu haben, tut gut. Denn insgesamt war dieses Jahr sehr arm an Highlights, gerade auf dem Land sieht man wochenlang niemanden. Ich bin sehr dankbar dafür und ich glaube, dass es vielen Müttern helfen kann, die von zu Hause und in Teilzeit arbeiten und so gegenüber ihren Männern, die in Vollzeit tätig sind, oft eine schwächere Argumentationslage haben, wenn es darum geht, wer jetzt zu Hause bliebt. Und auch uns hat das Buch mehr Zeit für uns und unsere eigene Selbstverwirklichung verschafft, denn ohne die Abgabefrist hätten wir uns nicht in der Form rausgenommen.

Warum sind mehr Freiheiten für Mütter gerade jetzt wichtig – wo man doch denken würde, mehr Ich geht gerade gar nicht?
Lisa: Gerade deswegen ist es wichtig! Ein Auto braucht auch eine Tankstelle, wenn es weiterfahren soll! Wir wollen uns ja nicht vor lauter Fürsorge für andere auflösen. Eine Familie ist wie ein Mobile, das funktioniert nicht, wenn ein Teil nach unten hängt. Zeit für uns wird uns nicht geschenkt, die muss man sich aktiv nehmen, und wenn es nur ist, dass man mal zehn Minuten aus dem Fenster schaut.

Ohne spoilern zu wollen – welche Geheimtipps und Life-Hacks gibt es im Buch und warum sollte man es sich holen?
Katharina: Sich mit einem Buch auf das Sofa zu setzen – das alleine ist ein Akt der Selbstfürsorge. Seinen Horizont erweitern, etwas zu lesen, das uns berührt, ist eine tolle Sache, gerade in diesen Zeiten. Im Buch gibt es so viele Blickwinkel und großartige Gastautor*innen , dass jede Leserin etwas mitnimmt.

Lisa: Es gibt auch viel zu sehen, auch unsere ehrlichen Fotos sind wieder dabei, unter anderem eines, in dem ich heulend zusammenbreche. Das Buch ist wunderschön illustriert von Kera Till. Thematisch decken wir alles ab, von Selbstzweifeln über Fehlgeburten und wie sie uns prägen. Wir lassen Mütter zu Wort kommen, die ein WG-Zimmer gemietet haben, damit sie manchmal feiern und danach in Ruhe auskatern können. Dazu gibt es wieder tolle Stücke von Gastautor*innen und Expert*innen, wie Teresa Bücker, Herbert Renz-Polster, Jasmin Gerat, Laura Karasek, Ildikó von Kürthy und vielen mehr.

Kommt ein drittes Buch?
Lisa: Das kann sehr gut sein! Wir haben jedenfalls nicht vor, uns abzusetzen und in die Sonne zu legen, sondern haben Lust, weiterzuschreiben.

Wie toll!

Auf Instagram verlosen wir heute drei Exemplare dieses tollen Buchs – schaut also gerne mal dort vorbei!

Foto: Charles Yunck