“Manchmal frage ich mich echt: wie viel Pech kann man eigentlich haben?”

Es gibt Paare, die haben trotz guter Voraussetzungen auf dem Papier viele Jahre keinen Erfolg bei der Kinderwunsch-Therapie – und finden sich nach zahlreichen vergeblichen Versuchen an einem Punkt wieder, an dem sie kurz davor sind, aufzugeben. So geht es Laura, die eigentlich anders heißt, und ihrem Partner, die seit acht Jahren probieren, Eltern zu werden.

Wenn sie darüber nachdenkt, seit wann sie sich ein Kind wünscht, dann sagt Laura: “Das lässt sich gar nicht so einfach eingrenzen, eigentlich war der Wunsch schon immer da. Und gar nicht mal als Wunsch, sondern als Fakt: Ich werde irgendwann mal Mutter”, sagt sie.

Sie wollte außerdem früh Mutter werden, am Liebsten mit Mitte 20, wie ihre eigene Mutter. In Sachen Liebe war sie allerdings ein Spätzünder, hatte ihren ersten Freund mit 19. Nach der Schule brauchte sie lange, um herauszufinden, was sie beruflich machen möchte, sie brach ein Studium ab, begann mit 25 Jahren ein weiteres, ihrem Partner ging es ähnlich. “So richtig kamen wir einfach nicht auf Kurs. Er selbst zögerte, was unsere gemeinsame Zukunft anging. Kinder und Hochzeit tauchten da irgendwie nicht auf”, sagt Laura.

Nacht acht Jahren kam die Trennung. Sie merkte, dass es da ja noch andere Männer gab und wollte sich neu verlieben. “Und dann begann eine Odyssee auf der Suche nach Mr. Right. Die sollte acht Jahre dauern. Mit 30 wurde mir bewusst, dass meine Lebenspläne wohl etwas schwieriger werden. Um mich herum begannen die Freundinnen, sich fest zu binden und Kinder zu bekommen. Anfangs dachte ich, ach, bei mir ist das auch bald soweit. Aber die Uhr begann zu ticken, und zwar immer lauter. Ich tröstete mich damit, dass mein Leben spannender war als dieses spießige Familienleben”, sagt sie.

Der Kinderwunsch war ins Unermessliche gewachsen

Als Laura dann mit 35 ihren fünf Jahre jüngeren Mann traf, hatte sie “Torschlusspanik deluxe”, ihr Kinderwunsch war ins Unermessliche gewachsen. “Ich war mir manchmal gar nicht mehr sicher, ob ich einen Mann fürs Leben suchte oder einen Erzeuger für mein Wunschkind”, sagt sie.

Sie war offen mit ihrem Freund, der sich ebenfalls Kinder wünschte. Laura trackte ihren Zyklus, und beide machten sich voller Euphorie auf den Weg zum Eltern-Werden. “Dann passierte ein halbes Jahr erst einmal nichts”, sagt Laura. “Mein Mann machte ein Spermiogramm, was sehr schlecht ausfiel. Er hat das OAT-3-Syndrom, quasi keine lebenden oder bewegliche Spermien.”

Lauras Frauenärztin überwies das Paar an eine Kinderwunschklinik. Sie war erleichtert – sie waren schließlich jetzt bei den Profis – und gleichzeitig besorgt. “Wir sind recht naiv an die Sache ran gegangen, und das war auch gut so. Wir dachten einfach, eine künstliche Befruchtung sei eine sichere Bank. Ohne irgendwelche Vorbehalte waren wir uns sicher, jetzt endlich am Ende unserer Reise zum Kind angekommen zu sein. Dass der Weg lang und steinig werden sollte – das ahnten wir damals noch nicht”, sagt Laura.

Auch die Ärzte waren ratlos

Es folgten sieben ISCI-Behandlungen und sechs Kryozyklen. Laura hatte einen Frühabort, ansonsten kam es bei den Versuchen erst gar nicht zu einer Schwangerschaft. Das Paar versuchte alles, um die Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch zu finden, untersuchte Faktoren wie Genetik, Immunologie, Gerinnung, probierte alternative Heilmethoden aus und fand trotzdem zu keiner eindeutigen Diagnose.

Als Laura 41 war, gab das Paar diesen Weg auf. “Die Ärzte waren ratlos. Wir waren optimale Kandidaten, die Versuche liefen vorbildlich, mein Körper tat immer, was von ihm verlangt wurde, die Befruchtung, trotz des schlechten Spermiogramms war gut, es gab einfach keinen Grund, der gegen eine Schwangerschaft sprach. Unser behandelnder Arzt legte uns im Abschlussgespräch nahe, ins Ausland zu gehen”, so Laura.

Leihmutterschaft kam für das Paar dabei nicht in Frage. “Es gibt nur wenige Länder, in denen das erlaubt ist, und es ist mit sehr viel Aufwand und hohen Kosten verbunden. Außerdem wäre ich wirklich gerne schwanger”, sagt Laura. Deswegen entschieden sie und ihr Partner sich für eine Eizellspende aus Tschechien. “Im vergangenen Jahr hatten wir insgesamt drei Transfere von Eizellen, die mit dem Sperma meines Mannes befruchtet wurden. Auch hier mussten wir im letzten Jahr einige Fehlschläge in Kauf nehmen. Leider hatte ich nach dem 2. Transfer im Sommer eine sogenannte verhaltene Fehlgeburt. Manchmal frage ich mich echt wie viel Pech kann man eigentlich haben?!”

Der letzte Versuch?

Laura und ihr Mann haben sich nun dafür entschieden, einen letzten Anlauf zu wagen – mit einer gespendeten Eizelle und gespendeten Spermien. Dass das Kind genetisch nicht von ihnen abstammen würde, nehmen sie in Kauf. Die Spenderin wurde schon im April stimuliert und die Eizellen mit dem Spendersperma befruchtet. “Das lief wirklich sensationell, denn es sind dabei acht Emybronen entstanden, das ist ungewöhnlich gut”, sagt sie. Die Embryonen liegen nun kryokonserviert in der Klinik, im Herbst will Laura einen neuen Transfer wagen.

Für die, die sich darunter nicht wirklich etwas vorstellen können: Bei einem Transfer werden Embryonen in die Gebärmutter eingepflanzt. Dieser Eingriff findet ambulant in der Klinik statt, ist schmerzfrei und dauert nur wenige Minuten. Laura hat schon 13 solcher Transfers hinter sich – drei davon in Tschechien. Für sie ist das Belastendste am unerfüllten Kinderwunsch die mentale Komponente, weniger die künstliche Befruchtung an sich, denn körperlich verträgt sie die Behandlungen immer gut. “Was mir persönlich sehr zugesetzt hat, waren die vielen Enttäuschungen, die vielen negativen Ausgänge, man ist so voll Hoffnung, die Erwartungen sind riesig, grade wenn es gut läuft, und dann landet man unsanft auf dem Boden der Tatsachen”, sagt sie.

Um nicht daran zu zerbrechen, suchte Laura sich Unterstützung, sprach nicht nur mit Freunden und ihrer Familie, sondern auch mit Betroffenen und begann eine Therapie. Doch immer wieder hatte sie schwere depressive Phasen. “Die Angst wuchs und wuchs kinderlos zu bleiben. Man fühlt sich unendlich hilflos, gleichzeitig sucht man die Schuld bei sich. Man erträgt das Glück der anderen nicht mehr. Es macht sehr einsam. Insgesamt versuchen wir jetzt seit acht Jahren ein Kind zu bekommen und ich weiß manchmal nicht, woher ich die Kraft nehme”, erzählt Laura.

Die Wertungen der anderen

Der nächste Versuch im Herbst könnte tatsächlich ein “last shot” für das Paar sein. “Wir haben mittlerweile 40.0000 Euro für unseren Kinderwunsch ausgegeben. Früher dachte ich, mit 40 ist Schluss. Aber dann wurde ich 40 und war noch nicht bereit, den Wunsch ziehen zu lassen. Deswegen weiß ich auch nicht, ob es mir Ende des Jahres dann wirklich möglich ist, aufzugeben, aber es könnte gut sein”, so Laura. Ein Transfer kostet 900 Euro, die Eizellspende 5900 Euro und die Samenspende rund 500 Euro. Bis Ende des Jahres rechnet Laura mit insgesamt 10.000 Euro weiteren Kosten für den Kinderwunsch.

Für den Kinderwunsch 50.000 Euro auszugeben klingt für viele Menschen verrückt und sie zögern auch nicht, das auszusprechen – kauft man sich von diesem Geld hingegen ein Auto, muss man sich wesentlich weniger Wertungen gefallen lassen. Laura spricht mittlerweile kaum noch mit Freunden und Bekannten über ihren Kinderwunsch, um sich zu schützen: “Was mir schon zusetzt, sind Kommentare im Netz, die ich manchmal lese. Viele sagen: Ich würde niemals so viel Geld dafür ausgeben, aber wenn man sich wirklich ein Kind wünscht, dann findet man Wege. Wir hatten das Geld auch nicht irgendwo herumliegen, sondern haben gespart und in unseren größten Wunsch investiert.”

Und wenn es nun nicht klappt? Laura ist kein Fan davon, Pläne zu machen. “Natürlich habe ich meine Vorstellungen, manchmal denke ich, dass wir uns dann einfach noch einen zweiten Hund holen und unser Leben als Paar genießen. Dann habe ich wieder das Gefühl, dass dann wirklich etwas fehlen würde.” Über ein Pflegekind möchte sie sich noch keine Gedanken machen – dazu sei ihr Wunsch, doch noch schwanger zu werden, noch zu stark.

Acht Jahre, fast eine Dekade. Das muss man sich in Lauras Fall noch einmal vor Augen führen. Wie geht es einem Menschen, der so lange immer wieder hofft, bangt, und enttäuscht wird? Die Angst vor der Kinderlosigkeit sei größer als die Angst vor weiteren Fehlschlägen, sagt Laura. “Man ist manchmal auch wie in einem Sog. Es ist eine Sucht, ähnlich einem Glücksspiel, beim nächsten Mal ist der 6er im Lotto dabei”, beschreibt sie.

Um das auszuhalten, sind Pausen wichtig, damit der Körper, aber auch die Seele sich erholen können. Und natürlich auch, um Geld anzusparen. “Hin und wieder schäme ich mich auch für diesen Kinderwunsch. Es ist verrückt. Was für andere die einfachste Sache der Welt ist, ist für uns unerreichbar. In der Gesellschaft werden Kinderlose oft stigmatisiert, und dabei ist es egal, welche Gründe für die Kinderlosigkeit vorliegen. Ich schäme mich, so sehr an diesem Wunsch festzuhalten, Unsummen an Geld auszugeben und nicht den Mut zu haben, aufzugeben”, sagt Laura.

Dabei ist es natürlich mutig, was sie da tut – eben nicht aufzugeben.

Im ersten Teil unserer Kinderwunschserie lest ihr wie es Leonie und Sina erging.