Über leere Akkus und akuten Jammer-Bedarf – wenn mal wieder nichts so läuft, wie es soll

Wer hier auf einen Ratgeber-Text hofft, mit hilfreichen Tips für mehr Energie im Mama-Alltag, den muss ich bereits im ersten Satz enttäuschen. Hier wird heute nicht geholfen, sondern gejammert. Aber so richtig, vom Allerfeinsten. Warum? Weil es uns doch allen dann und wann so geht, dass wir uns am liebsten die Decke über den Kopf ziehen würden und am liebsten für 24 Stunden mal eben den Stecker ziehen würden. Geht aber nicht. Deshalb hilft vielleicht gemeinsames Jammern. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid... oder so ähnlich...

Ihr kennt sie alle, diese Phasen mit Kindern, die einem deutlich mehr abverlangen als sonst. Immer dann, wenn es gerade besonders gut läuft, das Kind durchgeschlafen hat, man noch morgens singend in der Küche stand und noch eben schnell die zuckerfreien Dinkel-Bananen-Pancakes durch die Luft wirbelt (Übertreibungen sind an dieser Stelle erlaubt). Kurz gesagt, wenn man alles unter Kontrolle hat. Aber so was von. Und dann – BÄM! Meist unerwartet, ist mal wieder alles anders. In unserem Fall war es abzusehen und wir wurden gewarnt: 6-Fach Impfung, Kita-Eingewöhnung, Backenzähne, erster Geburtstag und laufen lernen gleichzeitig. Diese Dinge eben, bei denen jeder Erziehungsratgeber und jede Entwicklungs-App Alarm schlägt und man sich am besten für die nächsten Wochen nichts vornehmen und seinen Job kündigen sollte.

Ein Mal bitte alles zum mitnehmen

Pünktlich zur Kita-Eingewöhnung ging es dann auch los; Fieberschübe (wahrscheinlich Nachwehen von der Impfung oder doch die Zähne?), schlaflose Nächte (ich brauch euch nicht erzählen, wie man sich fühlt, wenn man alle 30 Minuten geweckt wird und die Nacht zu einem endlosen Albtraum wird), ein ständig jammerndes Kind (ihr kennt sie, diese Frequenz, die einen wahnsinnig macht und man am liebsten mit weinen würde). Zusammengefasst: Die letzten drei Wochen sind die intensivsten und anspruchsvollsten, die wir bisher hatten – und mit Spaß hat das alles nix zu tun.
Aber irgendwie schlagen wir uns durch, meine eigenen Bedürfnisse verabschieden sich schon mal in den Winterschlaf und der Überlebensmodus schaltet sich ein. Und so hangel ich mich von Tag zu Tag und falle am Abend erschöpft ins Bett, mit dem Wissen, dass die kommende Nacht auch nicht besser wird. Und während ich noch stark beeindruckt bin, wie fit ich trotz des Schlafmangels im Alltag bin, gehen bei meinem Freund langsam die Lampen aus und er wird krank. Unser Sohn Mikkel natürlich auch. Welcome back Fieber, Rotznase und Husten!

Hilfe! Wo ist die Powerbank?

Ich schalte um in den Flugmodus, um die letzten paar Prozent Akku, die ich noch habe, zu sparen. Ein Lichtblick ist mein bevorstehender Geburtstag. Alle, die mich kennen, wissen wie sehr ich es liebe, Geburtstag zu haben und auch wenn keine Zeit für Vorfreude bleibt, glaube ich fest daran, dass ich an diesem Tag den Akku ein bisschen aufladen kann. Wäre es so gelaufen, würde ich diesen Text sehr wahrscheinlich nicht schreiben.

Here we go: Statt wie früher reinzufeiern oder wenigsten ein Glas Sekt um 12 Uhr zu trinken, lag ich um 22 Uhr im Bett und wir mussten im 2-3 Stunden-Takt Köpfchen streicheln, Wasserflasche reichen oder wickeln. Der Blick aufs Handy erinnerte mich daran, dass ich nun also ein Jahr älter bin und einige meiner Freunde anscheinend unterwegs waren und die Nacht genossen. Herzallerliebste Geburtstagswünsche und Ständchen trudelten ein. Alles ohne mich. Schluck. Keine Zeit zum Trauern. Weiter schlafen. Denn wie jedes Jahr wird in der Nacht zu meinem Geburtstag die Uhr umgestellt. Früher hieß das eine Stunde länger feiern. Heute heißt das: Das Kind ist eine Stunde früher wach. Es ist 6 Uhr morgens, Mikkel fiebert noch ein bisschen mehr und der Mann hustet noch ein bisschen doller. Ich selbst habe stechende Kopfschmerzen, bekomme pünktlich zum Geburtstag meine Tage und verbringe den Tag mit heftigen Rücken- und Unterleibsschmerzen. Der Akku ist praktisch bei Null und ich greife zur Powerbank. Alles in meinem Körper schreit nach einer Pause, Decke über den Kopf ziehen, Verantwortung abgeben und weinen. Stattdessen schlucke ich die Tränen runter. Happy Birthday to me!

Geht das jetzt für immer so weiter?

Einziger Lichtblick: der tollste Besuch von der besten Freundin aus der Heimat samt Kinder. Wir verbringen den Tag im Naturkundemuseum und mit Eis und Waffeln. Ich kann die Augen kaum offen halten und mein Körper schreit vor Schmerzen. Der Kloß im Hals wird immer größer. Ich kann einfach nicht mehr. Und gleichzeitig schäme ich mich für meine fehlende Kondition und mein Schlappmachen, schließlich gibt es so viele Frauen da draußen, die den Job über Jahre alleine machen und wahrscheinlich tagtäglich an ihre Grenzen kommen. Ihr Tollen! Wie macht ihr das nur?

Die nächsten Tage werden nicht besser. Der Akku ist schon lange leer und auch die Powerbank macht langsam schlapp. Ein paar restliche Prozent, damit der Laden irgendwie am Laufen bleibt. Was auch bleibt ist der Kloß im Hals. Ich bin schlimm sensibel, nehme mir alles zu Herzen und bin null bei mir. Ihr wisst schon: diese Momente, in denen man alles in Frage stellt. „Wird das jetzt immer so weiter gehen? Was ist mit meinen Bedürfnissen? Ich vermisse mein altes Leben – ausschlafen, feiern, rumhängen. Warum genau bekommt man eigentlich Kinder?“

Immer Stark sein hilft nicht

Und doch geht es irgendwie weiter. Und an jedem Tag gibt es einen mini-kleinen Moment, in dem ich kurz inne halte und der dann doch irgendwie schön ist. Zum Beispiel, als ich vor der Kita stehe und Mikkel gerade eingeschlafen ist, ich noch mal weggeschickt werde und so in der Herbstsonne noch einen Saft in einem netten, kleinen Café trinken kann. Oder als ich am Abend den Schweinehund und die Müdigkeit beiseite schiebe und mich zum Yoga schleppe. (Eigentlich ist es eher kollektives Rumliegen und Entspannen, also genau das richtig für mich). Denn in solchen intensiven Phasen ist es noch mal mehr wichtiger, auf sich zu achten und irgendwie zu versuchen, etwas zu tun, was neue Kraft gibt. Und wenn es nur ein 10-minütiges Telefonat mit der Freundin ist. Ups, jetzt klingt das doch plötzlich wie ein Ratgeber-Text. Dabei wollte ich doch mit euch jammern. Denn ab und zu dürfen und sollten wir auch mal jammern. Immer stark sein hilft nicht. Wir können ruhig mal sagen, wenn alles scheiße läuft und wir am Boden liegen. Und auch weinen und den ganzen angestauten Frust und Stress rauslassen, kann Wunder bewirken. Genau so wie das Umfeld um Hilfe bitten. Auch wenn es kurz unangenehm erscheint: Wahre Freunde sind auch in solchen Momenten da.

Denn auch wir müssen ab und zu mal übers Köpfchen gestreichelt werden und wer weiß, vielleicht leiht dir ja sogar noch jemand seine Powerbank.