Kinderhaben anderswo: Myriam in England

Genau wie ich, war Myriam Anfang der Nullerjahre eine Partykanone in München. Wir sahen uns eigentlich jedes Wochenende in diversen Clubs. Schon damals an ihrer Seite: der hochgewachsene Will, ein Engländer. Sie sollte ihm in seine Heimat folgen und dort zwei Kinder mit ihm bekommen. Wer hätte das damals gedacht? Arthur und Lorna sind beide fast exakt ein Jahr älter als Xaver und Quinn, deshab ist Myriam oft mein heimliches Vorbild, bzw. ich sehe bei ihr, wie es in einem Jahr bei mir sein könnte. Doch jetzt soll sie uns mal erzählen, wie es so ist, in England Kinder groß zu ziehen. Bühne frei für Myriam:

WIE ICH NACH ENGLAND KAM:

Mein Mann William ist gebürtiger Engländer. Wir liefen uns in München über den Weg, Will hatte schon ein paar Jahre Australien, Afrika und London hinter sich und machte dann einen Abstecher nach München, wo wir zwischen 2004 und 2006 zusammen lebten. Dann kehrte er berufsbedingt nach England zurück. Eine Fernbeziehung war sehr mühsam und wir trennten uns für eine gewisse Zeit. 2008 verbrachte ich das Valentinswochenende in London und William und ich gaben unserer Beziehung noch mal eine Chance. Im Frühjahr starb mein Vater und ich beschloss, ihm nach England zu folgen. Im Herbst 2008 landete ich in Birmingham und begann mein Leben hier. Zu dem Zeitpunkt war es definitiv nicht geplant, für immer zu bleiben, aber je mehr Zeit verstrich, desto mehr verliebte ich mich in das Land und die Menschen hier.

WIE WIR HIER LEBEN:

Nach einigen Jahren in Birmingham sind wir schließlich in Cornwall gelandet. So richtig auf dem Land! Wir haben schon lange von einem Eigenheim geträumt und es uns jetzt hier ermöglicht. Will arbeitet freiberuflich im Marketing und Branding Consultancy im Veterinär-Bereich. Er pendelt und hat eine 4-Tage-Woche, das bedeutet er kommt von Freitag bis Dienstag nach Hause. Unter der Woche erledigen wir also alles ohne Papa, ich bin alleine mit beiden Kindern. Das beinhaltet ‘school runs’, ich bringe Arthur täglich in die Schule und Lorna zur Tagesmutter. Beruflich manage ich die Ferien Apartments von William’s Vater und das komplette Anwesen mit Geschäften und Cafés und arbeite von zuhause aus. Unsere Apartments befinden sich in einem denkmalgeschützten Haus, welches früher zur Warft gehörte und alle haben Meerblick! Falls jemand also mal Lust auf Rosmamunde Pilcher Urlaub hat, ist er hier sehr willkommen. Ich bin in Niederbayern im Hotel meiner Eltern aufgewachsen, das übrigens heute ein tolles Familienhotel ist, daher liegt mir der Job.

Mit der Übernahme des Betriebs und dem Umzug nach Cornwall schränkte sich die Zeit für meine Kinder ganz schön ein. In den ersten Monaten habe ich mich neben dem Job um beide Kinder (damals 3,5 Jahre und 3 Monate alt) gekümmert und war die meiste Zeit alleine. Das war anstrengend! Außerdem lebten Will, die Kinder und ich damals in einem Zimmer bei den Großeltern. Sieben Monate, bis unser Hauskauf endlich unter Dach und Fach war. Diese räumliche Lebensveränderung war nervenaufreibend. Der Vorteil war aber, dass die Kinder den Großeltern jetzt vollständig vertrauen und ein ‘sleep over’ ganz normal ist. Außerdem hilft ‘Grandma’ immer mal wieder für einen Tag in der Woche aus und nimmt beide in den ‘school holidays’.

Willi mit beiden Lostwithiel

FRÜHFÖRDERUNG UND WETTBEWERB

Mit unserem ersten Kind Arthur hatte ich mehr Zeit und so richtig Elternzeit. Also besuchte ich oft Gruppen wie Babysingen und -tanzen oder -schwimmen. So hatte ich schnell Kontakt zu zu anderen Müttern, wir trafen uns oft und schlenderten mit unseren Kinderwägen durch etliche Parks und liefen beim Picknick unseren Sprösslingen hinterher. Geburtstage werden gerne bereits ab dem 1. Lebensjahr an relativ großen Veranstaltungsorten arrangiert. Dadurch gibt es viel Austausch und Kennenlernen. Jedoch: Ich fand den Wettbewerb um die tollste Geburtstagsparty etwas zu extravagant, alle versuchten wirklich, sich gegenseitig mit Ideen für Babyparties zu übertrumpfen, dabei bekommen die das doch noch gar nicht mit – let’s face it.

Jetzt, wo Arthur in die Schule geht, sind wir wieder sehr eng mit anderen Eltern und man besucht zusammen private Events, geht ins Pub, organisiert Fahrgruppen oder hilft auf Veranstaltungen mit.

Das ist alles unheimlich nett, aber was mir auffällt ist auch wieder ein sehr starkes Wettbewerbs-Verhalten, wenn es um die Entwicklung und Förderung der Kinder geht. Die meisten hetzen sich und die Kinder ab, um sie nach Ende der Schule  zum nächsten Sport-, Musik- oder Sprachunterricht zu schicken. Die Schule hier schließt um 15:30, die Kids sind also vor 18:00 Uhr nicht zuhause.

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WOHNEN

Hauskäufe sind in England üblich, die wenigsten mieten. Und es ist dann auch sehr verbreitet, dass man sich bis zum Eigenhauskauf bei den Eltern oder Schwiegereltern einnistet. Viele kaufen schon Anfang zwanzig ein Haus oder eine Wohnung, junge Leute werden entsprechend von den Banken angeworben. Eine Hypothek bekommt man schon, wenn man 20% anzahlt. Die meisten leben hier in kleinen Reihenhäusern und auf engstem Raum. Platzmangel hat man daher immer – nicht nur für Kinderwägen, sondern für jegliche Ausstattung. Die Garage wird also fast immer eher als Stauraum für Kinderwägen, Autositze, Fahrradsitze, Reisebett etc … anstatt für das Auto genutzt!

Es gibt historische, typische viktorianische oder georgianische Häuser, das sind exklusive, massive Bauten, die zwar stark saniert werden müssen, aber macht man das gut, hat man von so einem Haus viel. Lange Gänge, hohe Decken und viel Raum.

Die Nachkriegshäuser hingegen – und in so einem wohnen wir – sind immer schlecht gebaut und durch das ständige Nasswetter gibt es immer entweder Schimmel oder Feuchtigkeit. Dreifach-Verglasung und Bodenheizung, so wie man das in Deutschland gewöhnt ist, gibt es hier kaum. In den Wintermonaten ist es dadurch kalt und man versucht ständig, die Kinder aufzuwärmen.

In den Badezimmern gibt es keine Stromanschlüsse wegen Sicherheitsvorkehrungen. Man hat also in jedem Zimmer einen extra kleinen Ofen oder eine mobile Heizung parat und die laufen oft, vor allem wenn man die Kinder aus dem Bad hieven muss oder wenn sie ins Bett gebracht werden.

GEBURT

Mit beiden Kindern hatte ich gute Erlebnisse. Obwohl der NHS (national health service) in England bei Weitem kein so großes Spektrum anbietet, wie in Deutschland üblich. Ich war ziemlich verdutzt, als ich zum ersten Mal zur Abstrich-Untersuchung von einer Arzthelferin beim Hausarzt behandelt wurde, die mir die Beine nur mit einer alten Decke abdeckte. Dass es hier keinen eigenen Gynäkologen gab, war für mich eine große Umstellung. Zumal ich damals in München lange Zeit bei einem einzigen Frauenarzt war und ich ihm sehr vertraut habe.

Der NHS ist grundsätzlich überlastet, durch den kostenlosen Service. Man wird automatisch erst an den Telefon Service geleitet, um die Sachlage einzuschätzen. Daran musste ich mich lange gewöhnen, zumal man im Falle seiner Kinder immer radikal besorgt ist. Zum Beispiel mussten wir uns bei Arthur’s Scharlach erst mit einer Krankenschwester am Telefon zufrieden stellen. Allerdings war dann schnell klar, einem Hausarztbesuch und Rezepten für Medikamenten steht nichts im Wege.

Die medizinische Versorgung ist grundsätzlich lange nicht auf der selben Verwöhn-Skala wie in Deutschland und man überlegt sich gut, ob man wirklich einen Arzttermin braucht. Zu Arztterminen sieht man hier ständig jemand Neuen und auch wenn auf der Termineinladung ein Name steht, ist diese Person meistens nicht die selbe. Und diese Versorgung wird so weiterpraktiziert, wenn man schwanger ist. Man bekommt eine Hebamme zugewiesen, allerdings ist diese kaum erreichbar oder man sieht häufig andere.

Zur Geburt muss man sich auf voll gebuchte Geburtenstationen gefasst machen. Getrennt wird man nur durch dünne Vorhänge. In meinen Fällen, ein mal normale und eine Geburt durch Kaiserschnitt, lief alles hervorragend gut. Ich bin mir jedoch nicht sicher, wie einem die klare Überforderung der Krankenhäuser mit anstrengenderen Geburten vorkäme. Es ist hier z.B. nicht Standard, eine PDA abzusegnen, genauso wie auch der Kaiserschnitt erst als allerletzte Instanz in Frage kommt. Somit liegen hier viele Frauen stundenlang in den anstrengendsten Wehen ohne viel Hilfe, außer Lachgas gibt es nicht viel und oft bekommt man dann nach etlichen Stunden gesagt, dass es doch zum Kaiserschnitt kommt.

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MULTIKULTI

Die Vermischung mit mehren Kulturen war vor allem in Birmingham normal. Die Seek (Indien) oder Pakistani-Gemeinschaften sind dort sehr verbreitet. Man arbeitet gemeinsam, teilt Freundschaften und kulturelle Events. In ganz England ist es grundsätzlich völlig normal, dass viele Menschen einen anderen Ursprung haben. Da dreht sich keiner um, auch hier in Cornwall nicht. Auch wenn es hier auf dem Land natürlich einheitlicher ist. Gekommen sind die Menschen von überall, wo der ‘Commonwealth’ ansässig ist und man Gastarbeiter angeworben hat. Hier mixt sich alles und jeder viel mehr als in Deutschland, zumindest kommt es mir so vor. Es völlig üblich, dass man Südafrikaner, Portugiesen, Inder, Polen, Australier, Iren oder Deutsche als Nachbarn hat. Zum guten Zusammenhalt wird in England auch mehr Integrationskultur betrieben, finde ich. Zum Beispiel geht man in ‘equality und diversity’ Kurse, die von den ‘Councils’ der Städte und Regionen verpflichtend besucht werden sollen, damit man sofort weiß, hier ist jeder und alle gleich.

PUBS UND PARTIES

Wie schon erwähnt, der soziale Kontakt mit anderen Eltern ist sehr gut, man vertraut sich und unternimmt viele Dinge zusammen, lädt sich gegenseitig zum Essen und zu ‘Playdates’ ein. Man verabredet sich z.B. zuerst auf einen Walk und trifft sich dann wieder im Haus, wo die Pies im Ofen warten. Typisch englisch ist es, verschiedene Pies zu kochen, Beef, Chicken oder auch Fisch, dazu gibt es normalerweise Roast Potatoes und Gemüse und viel Wein und Gelächter. Auch regelmäßige Pub-Besuch dürfen nicht fehlen. So etwas ist immer ein Erlebnis mit Kindern, man muss versuchen, sie so lange wie möglich still zu halten. In englischen Pubs ist es den Kindern nämlich untersagt, irgendwo an der Bar aufzutauchen oder unnötigen Lärm zu machen.

Arthur's birthday in the woods

FESTIVALS

Vor allem im Sommer gibt es hier viele kultige Events. Wir besuchen immer ein Cider Farm Festival, das ist an einem Sonntag Nachmittag, perfekte Kinderzeit. Man hört Folk Musik von Newcomern aus der Region in einer Scheune und die Kinder fahren mit heruntergekommenen Go Karts die Wiese runter.

Festivals und Campen sind hier sowieso die Regel. Der Trend geht dahin, dass es von Früh- bis Spätsommer so viele  gibt, dass man sich schwer tut, sich zu entscheiden. Familienorientierte Festivals werden immer populärer, es gibt also auf den Festivals nicht nur Musik für Groß und Klein, sondern auch jede Menge Freizeitangebote. 2-3 Festivals und Camping Weekends für die gesamte Familie plant man schon ein pro Jahr! Selbst nach Glastonbury schleppen Tausende ihre Kinder mit und durch den Schlamm und die lieben es.

Wir nehmen jedes Jahr an einem Camping Weekend in den Cotswolds teil. Man beginnt mit dem Aufbau der Zelte und stößt da bereits fröhlich mit den anderen Campern an. Dann besucht man ein Dorf-Fest, wo es üblicherweise auch Spiele für Kinder gibt. Danach gibt es DJ-Musik in der Scheune und Eltern und Kinder tummeln sich fröhlichst am Bach und in den Hängematten bis spät in die Nacht. Ich liebe das!

SCHULUNIFORM

Die Schuluniform ist meiner Meinung nach eine gute Sache. Es hat viele Vorteile, Kinder einheitlich zu kleiden, damit kommt kein Wettbewerb oder Streit auf. Und die Kleinen müssen sich trotzdem morgens mit dem Anziehen der Uniform beschäftigen. Alles sollte sauber und gewaschen sein und man selbst sollte geschniegelt und gestriegelt sein.

Als ich letztes Jahr zum Schulbeginn die Bestell-Liste abgeben musste, war ich leicht überfordert: Es gibt den Schul-Cardigan und die Schultasche und die Sporttasche, alle diese Sachen haben das Logo der Schule aufgestickt. Dazu muss man sich Schulschuhe und -hosen sowie -Polo-Shirts und Söckchen selbst in bestimmten Läden besorgen. Es wird von der Schule vorgegeben, auf welche Farben man sich konzentrieren soll, damit alle einheitlich aussehen: also z.B. nur graue Hosen und graue Röckchen oder bei anderen nur schwarz. Es gibt auch noch den Schulpullover und das Schul T-Shirt – wobei das nur zum Sport hergenommen wird – und dabei kam es dann zum Super-GAU:

An Arthurs allererstem Schultag hatte Arthur eben dieses Sport T-Shirt an. An diesem Tag ist es Tradition in England, von seinem gestriegelten Kind ein ultrastolzes Bild in voller Uniform zu machen, am liebsten vor der Haustüre des eigenen Hauses. Das hat hier den gleichen Status wie ein Passbild. Mein Kind hatte also zum ersten Schultag ein Sport T-Shirt an. Er war der einzige, der mit der falschen Bekleidung in der Schule rumlief. Ihm war’s egal, ich schämte mich in Grund und Boden und erklärte nur lachend, die Deutschen hätten eben einfach keine Ahnung. Auf facebook meinten viele meiner englischen Freunde, er sähe aus wie ein Zeitungsjunge… Den Tag werde ich auf jeden Fall nie vergessen!

Arthur in uniform

BETREUUNG

Arthur ging in Birmingham in die Stadt Nursery, also in eine Kita. Wir arbeiteten damals beide voll und Arthur war 5 Tage ganztags dort. Die meisten Kinder waren so lange dort, denn in der Region war Jaguar Landrover UK ansässig, und viele Leute arbeiteten dort full time. Die Nurserys sind kostspielig. Die Pflege kostet in der Regel £25 für halbe Tage und £48 für volle, d.h. man bezahlt ca. £900 pro Monat. Man stellt die Windeln, allerdings sind alle Mahlzeiten und Snacks und auch die meisten Ausflüge mit inbegriffen. Ab dem 3. Lebensjahr und dem nächstmöglichen ‘term’, also nicht gleich nachdem das Kind das 3. Lebensjahr erreicht hat, sondern erst ab der nächsten Schulzeit, werden 15 Stunden pro Woche vom Staat unterstützt. Das wird direkt über die Kita abgerechnet.

Es gibt aber auch andere Möglichkeiten: Childminding oder eine Nanny. Nannys sind in London ganz üblich, allerdings ist das die exklusivste Art der Betreuung. Wills Bruder und seine Frau sind beide Anwälte in London, sie arbeiten täglich bis in die Nacht. Ohne Au Pair und Nanny geht es dann bei drei Kindern nicht. Da kommt man bestimmt auf £1500-£2000 pro Monat, ein ganzes Gehalt also.

Seit wir in Cornwall sind, ist Lorna bei einem ‘Childminder’ – das ist ähnlich wie bei einer Tagesmutter. Sie kann 4-5 Kinder verpflegen und es ist immer günstiger als die Nursery, denn die Kinder sind im privaten Haus untergebracht. Wir hatten viel Glück, unsere Childminder-Dame lebt auf einem Bauernhof mit ihrem Mann und Kindern, sie selbst war früher in einer Bank angestellt und fördert die Kinder jetzt sehr viel. Ich habe das Gefühl, Lorna lernt so mehr als in der Massenhaltungs-Nursery.

Wir leben ja mitten in der Natur, insofern sind die Kinder viel mehr im Freien und in unserem Falle auch noch mittendrin im Bauernhof-Geschehen. Wir zahlen dort jetzt £30 pro Tag. Da Arthur bereits in der Schule ist und ich von zuhause arbeite, geht Lorna normalerweise 2 Tage in der Woche zur Tagesmutter und eventuell einen Tag zu Oma, den Rest der Zeit kann ich sie übernehmen, wobei ein Büroleben mit einer 1,5 Jahre kleinen ‘rug rat’ ziemlich anstrengend sein kann. Ich muss daher alles verstecken. Wichtige Dokumtente, Stifte, Tesafilm, Taschenrechner, etc. etc.! Aber es geht und ich habe sie gerne bei mir.

Lorna Arthur haendchen haltend

WEENING UND BEIKOST

Beim ‘weening’, also der Gewöhnung an festes Essen für Babies gibt es Unterschiede zu Deutschland. Der sogenannte “Babyrice” wird hier als Griesbrei verwendet. Dazu Pulvermilch und bei gestillten Babies gibt es die Regel, alles mit Muttermilch anzurühren. Man fängt außerdem früh an, die Babies an Obst und Gemüse zu gewöhnen. Im Supermarkt gibt es auch hier die üblichen Fertiggerichte und Gläschen, aber die kauft kaum jemand. Frisch kochen ist die Devise. Hier ist es üblich, sich Baby-Kochbücher zu kaufen und mit Mixern alles grob zu pürieren. Es gibt auch ganz andere Rezepte gibt, wie z.B. Huhn oder Fisch mit Linsen, das habe ich in Deutschland noch nie gehört. Man ist aber auch manchmal ganz pragmatisch und püriert  einfach, was man als Erwachsenen-Essen am Tag vorher hatte und probiert, ob’s schmeckt. Alles in allem ist alles ein wenig freier und weniger streng geregelt als in Deutschland, würde ich sagen.

SCHNULLER

Der Schnuller ist hier nicht so üblich. Wenn es nach Gina Ford, der Supernanny geht, gibt es keinen Schnuller, denn den muss man abgewöhnen. Aber wenn man wirklich nicht anders kann, sollte man ihn zumindest ab dem 2. Lebensjahr definitiv abgewöhnen. Ging bei Arthur problemos, bei Lorna steht es uns noch bevor.

Wenn man rumfragt, mögen viele Babys keinen Schnuller von Geburt an und somit geben viele Eltern von vornherein nicht der Versuchung nach. Grundsätzlich kann ich bestätigen, dass der Engländer gerne von Anderen abschaut und sich von Super Nanny Programmen belehren lässt!

Wellies

ERZIEHUNG

Kinder und Babies werden meines Erachtens grundsätzlich etwas strenger erzogen hier, das geht in der Babyzeit los mit Schlaferziehung, bis hin zu Etikette und Benehmen. Wenn wir in Deutschland bei meiner Schwester sind, stellen sich oft klare Unterschiede heraus. Wir disziplinieren unsere Kinder bei Widerspruch schon eher und lassen auch nicht immer eine Meinung oder Entscheidung zu. Der Engländer sagt gerne ‘You’re the child, I’m the adult’ oder ‘Do as you’re told’.

Zur Schlaferziehung kenne ich Dutzende, inklusive mir selber, die auf Supernanny-Methoden zurückgreifen. Gina Ford wird entweder gemocht oder gehasst – wie Marmite, entweder yay oder nay. Man hält sich z.B. an Methoden und Schlaftabellen. Dabei soll berücksichtigt werden, wann und wie lange und wo Babies tagsüber schlafen. z.B. bevorzugt im Kinderbettchen und man hält sich Monat für Monat an eine Tabelle. Dann ab gewissem Alter Schlaftraining alleine. Sollte das Baby nachts aufwachen nur über den Kopf fahren und mehrmals versichern, es ist ‘bedtime’. Bei vielen funktioniert Schlaftraining und bei einigen auch wieder nicht. Aber man versucht sich hier schon eher durchzusetzen. In Deutschland kenne ich viele, die sich noch zu ihren 4-jährigen mit ins Bett legen müssen und dort oft für mehr als eine Stunde ausharren, bis das Kind einschläft. So ein Prozedere gibt es bei keinem Kind hier in England, das ich kenne.

Ab dem 2.-3. Lebensjahr werden ‘toddler’ (Kleinkinder) zum Danke und Bitte sagen ermutigt. In England ist es üblich, nach allem zu fragen und sich ebenso zu bedanken. ‘Can I please have a chocolate milk mummy’ und wenn etwas gebracht wird, darf das ‘thank you mummy’ nicht fehlen. Wenn ein Kind es vergisst, sagt man ‘excuse me?’ bevor man ihm das gibt, wonach es fragte um es aufzufordern es zu korrigieren. Klingt streng, ist aber hier absolut gängig.

Bei Kindergeburtstagen fällt mir auf, dass alle Kinder sehr höflich sind. Wenn man einem Kind etwas anbietet wie z.B. “Möchtest Du ein Stück Kuchen?” “Yes, please” ist die übliche Antwort. Oder ‘no thank you’ wenn sie es nicht möchten.

Man bringt den Kindern auch früh das selbstständige und anständige Essen mit richtigem Messer und Gabel und das Stillsitzen bei. Und die Kinder werden in der Vorschule und Schule zu diesem Benehmen ermutigt und bekommen ‘awards’, wenn sie besonders hervorstechen. Also wenn sie Gabel und Messer richtig halten, richtig im Stuhl sitzen, still sitzen, still oder höflich sind.

Grundsätzlich liest man hier gerne über Techniken der Erziehung vom Baby-Alter an. Der Engländer ist generell ein großer Fan von Routine. Davon kommt leider auch, dass man hier keine Mama mit ihren Kleinen nach 18.00 Uhr abends auf der Strasse sieht. Alles nach 19.00 Uhr wird von anderen mit einem kritischen Auge betrachtet. Würde man so etwas einem Spanier erzählen, würde er sich schlapp lachen!

BEKLEIDUNG

Jeder weiß ja, dass die Engländer es eher zu kalt mögen und diese Bekleidungs-Philosophie zeichnet sich klar auch bei den Kindern ab. Dabei muss man grundsätzlich mehr für Regen gewappnet sein. Regenjacken und Wellies sind die Regel. Schul- und Kleinkinder werden aber von Frühjahr bis Winter gerne mit Bermuda oder Röckchen und knielangen Söckchen in die Schule geschickt. Seinem Sohn im Winter Strumpfhosen unter die Hose anzuziehen, wäre für die Engländer ein Grund zum Schmunzeln! Ich mache mir jedes Jahr Gedanken, welche Winterstiefel ich meinen Kindern besorge und muss mich immer bei meinem Mann rechtfertigen, der ganz einfach auf Wellies verweist. Die sind aber nicht gefüttert und bei dem Gedanken an meine Kinder in Wellies im Winter fange ich sofort selbst an zu frieren! Allerdings wird es wirklich kaum so kalt wie in Deutschland, vor allem in Cornwall wo der Golfstrom fließt ist es nur ganz selten unter null Grad.

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WAS MIR GEFÄLLT

Was mir besonders gefällt sind die Gutmütigkeit und der liebenswerte Charme der Engländer. Die meisten Menschen hier nehmen sich selbst einfach nicht so wichtig und haben oft einen Scherz auf den Lippen – und am liebsten lacht man über sich selbst! Davon sollte jeder sich eine Scheibe abschneiden, finde ich. Die Höflichkeit und den Anstand, sich für alles ganz korrekt in einer Reihe anzustellen – egal wie lang die ist – finde ich auch wundervoll. Man bedankt sich für alles, ob im Auto, wenn einem jemand den Weg freimacht, oder einfach nur im Laden. Man spricht viel miteinander, auch wenn es vielleicht nur kleine Floskeln sind. Dieser Small Talk ist definitiv nicht so super oberflächlich wie in Amerika, aber es fühlt sich komischerweise gut and wenn man mit ‘darling’ oder ‘my love’ von einem Wildfremden im Laden angesprochen wird. Die Höflichkeit geht weiter, indem man sich für alles Mögliche entschuldigt. Für Niesen, für Husten, für ein kleines Anrempeln. Der Zusammenhalt der Menschen ist grundsätzlich stärker. Man integriert schwächere oder Menschen mit Behinderung und jene, die weniger bemittelt sind viel mehr als ich es aus Deutschland kenne.

WAS MICH NERVT

Was mir vielleicht nicht so ganz gut gefällt ist diese exteme Routine-Verfallenheit der Engländer. Keiner geht mehr wirklich aus, die Kinder müssen ab 18.00 Uhr zuhause sein und man darf bloß nirgendwo mehr mit Kind gesehen werden. Die Pub-Kultur leidet, weil die Raucher und Trinker wegbleiben und die Menschen sich nicht mehr amüsieren dürfen. Festivals sind hier mein Lichtblick! Aber das haben wir wohl den Gesetzgebern zu verdanken und nicht dem eigentlichen Landsmann.

Das Gesundheitssystem der NHS ist, wie oben schon erwähnt, leider völlig überlastet und das Prognosen für starken Bevölkerungszuwachs. So gut die Idee auch klingen mag, für freien Gesundheitsservice für jedermann: Das System in Deutschland und auch anderen europäischen Ländern ist um einiges sicherer, einfacher und verlässlicher.

Und dann gibt es da noch das Wetter. Tja… was soll man da sagen… Es regnet seinen Lauf und das leider zu oft. Ich vermisse den verlässlichen deutschen Sommer mit tagelangem Sonnenschein. So etwas ist hier eine Seltenheit. Dafür ist hier natürlich alles saftig grün und wächst und gedeit, was für meinen Gemüsegarten auch von Vorteil sein kann.

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