Kinderhaben anderswo: Kerstin in Frankreich

Vom Rhein an die Seine, von der deutschen Kleinstadt in den Großraum Paris - ganz so hatte Kerstin das nicht geplant, aber einen Hang zu Frankreich hatte sie schon immer. Die gelernte Kulturwissenschaftlerin zog vor bald sieben Jahren ins französische Nachbarland - natürlich der Liebe wegen!

Mittlerweile ist die kleine Familie zu dritt, Sohn Paul wird dieses Jahr fünf Jahre alt. Und Kerstin ist schon fast Französin: sie ist erfolgreich, hat viele Freunde, sitzt im Elternbeirat und sie ist gar verbeamtet worden! Nach einer Rückkehr nach Deutschland sieht also gerade wenig aus, doch das soll sie uns alles lieber selbst erzählen. Bühne frei für Kerstin!

 

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Wie ich nach Frankreich kam

Mein Mann und ich haben uns in Bamberg kennengelernt, zu Beginn meines letzten Semesters im Masterstudium – er war als Expatriat dort. Nach meinem Abschluss im Winter 2007 bin ich aus beruflichen Gründen für zwei Jahre nach Koblenz am Rhein gezogen, wir haben in dieser Zeit eine Fernbeziehung geführt. Bis zu dem Zeitpunkt, als er das Angebot bekam, in die Hauptgeschäftsstelle seiner Firma zurückzukehren, deren Sitz in Gennevilliers bei Paris liegt. Für mich war eigentlich relativ schnell klar, dass wir das gemeinsam wagen werden. Ich hatte immer schon einen Hang zu Frankreich, war auch schon vor meiner Begegnung mit Hervé fasziniert von der französischen Sprache und Kultur. Und der Großraum Paris schien mir doch sehr reizvoll – außerdem war ich mir bei allem Adrenalin auch sicher, dass ich auch beruflich meine Möglichkeiten finden würde.

So sind wir im Sommer 2009 nach Rueil-Malmaison gezogen. Die Stadt kannten Familienangehörige und auch ein guter Freund, der wiederum Bekannte hatte, die eine Zeit dort gelebt hatten. Wir sind zweimal hin, haben uns umgeschaut und Rueil-Malmaison hatte es uns angetan. Zudem lag es günstig, was den Weg zur Hervés Arbeitsplatz betraf. Und für mich war auch ausschlaggebend, dass Paris von dort aus schnell und gut zu erreichen ist. Von hier sind wir in 15 Minuten auf den Champs-Elysées und somit gleich mittendrin und relativ schnell überall, dem RER A sei Dank.

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Schwangerschaft, Geburt und die erste Zeit danach

Rueil-Malmaison ist sehr familienreich und als ich schwanger war, hatte ich ab und an den Eindruck, einfach nur ein Bauch mehr zu sein. Dieser Bauch und dann die Tatsache, zu dritt zu sein hat uns nochmal ganz neu geholfen, uns hier integriert zu fühlen und noch mehr und andere Kontakte zu knüpfen.

Bis zum 7. Monat war meine Schwangerschaft sehr unproblematisch. Ab dann musste ich aber liegen, weil unser Kind schon zu tief lag – das haben wir gut geschafft, ich war auch nicht in der Klinik sondern einfach zu Hause. Gut betreut habe ich mich von Anfang an gefühlt, ich hatte eine Gynäkologin und im letzten Schwangerschaftstrimester dann auch eine Hebamme. Drei Tage vorm Termin war Paul dann da – nach 11 Stunden Anstrengung!

An sich habe ich hier den Eindruck –  es kommt natürlich auf die Personen an, die man so trifft – dass die Schwangerschaft wie auch die Geburt sehr organisiert sind und insbesondere die Geburt bei manchen als eine Art Performance betrachtet wird. Eine PDA gehört mehrheitlich ganz klar zum Programm. Was soll man auch leiden, wenn es anders geht, so das Credo. Auch während der Schwangerschaft gab es bei jedem Wehwehchen sofort irgendein Mittelchen, damit man normal weitermachen kann – natürlich ohne dass man damit das Baby oder sich selbst in Gefahr gebracht hätte.

Über unsere Hebamme, die übrigens Deutsche ist, und auch über das Krankenhaus haben wir Geburtsvorbereitungskurse gemacht, sie hatte mich schon in den drei Monaten vor der Geburt zu Hause besucht und kam dann nach der Geburt zu Hausbesuchen. Zusätzlich bin ich in den ersten Wochen auch noch zum hiesigen Mütter-Kind-Zentrum, damit Paul gewogen werden konnte. Die Betreuung durch die Hebamme gefiel mir allerdings viel besser als die PMI, die ich hier als Mütter-Kind-Zentrum übersetze. Die PMI ist eine Stelle des Département Hauts-de-Seine, in der Kinder generell von Ärzten, Pflegekräften und Psychologen untersucht werden können, auch über die Babyphase hinaus. Für uns bestand allerdings nach den ersten paar Monaten keine Notwendigkeit mehr, darauf zurückzugreifen: wir gehen bei allen Belangen zum Kinder- oder Hausarzt.

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Kinderbetreuung

Was das Kinderbetreuungsangebot betrifft, sind wir hier in dem Land, das so bekannt ist für sein gutes, weitreichendes Betreuungsangebot: Es gibt mehrere Krippen-Formen: die Tagesmutter, zu der man sein Kind bringt (assistante maternelle) und die Tagesmutter, die zur Familie in die Wohnung kommt, um das Kind zu betreuen und es gibt auch die Tagesmutter, die Kinder von zwei verschiedenen Familien in der Wohnung der einen oder der anderen Familie betreut (beide letzteren heißen assistante parentale, das Modell bei dem zwei Familien sich zusammentun und gemeinsam Arbeitgeber werden heißt garde partagée). Die Vermittlung des jeweiligen Betreuungsprofils erfolgt über die Stadt, die für die Organisation der Tagesmütter (Modell assistante maternelle) und der Tagesmütter (assistante parentale) extra zwei Sonderstellen eingerichtet hat. Auch wenn es ein relativ großes Angebot gibt, war es gar nicht so einfach eine Betreuung zu finden, die dann auch wirklich für uns geeignet war. Wir haben knapp einen Monat vor meinem Wiedereintritt in den Job über die Stadt eine Familie gefunden, die bereits über eine Tagesmutter verfügte, die deren kleinen Sohn ganztags betreute. Wir haben diese Familie dann getroffen, um sie besser kennenzulernen und um zu schauen, ob wir zueinander passen und auch, ob unsere Bedürfnisse und die der Kinder in dem Modell erfüllt werden. Wir hatten Glück! Die Familie gefiel uns. Jetzt ging es nur noch darum, die Tagesmutter kennenzulernen und zu schauen, ob diese uns auch zusagte, denn sie sollte ja unseren kleinen Sohn, der damals vier Monate alt war, ganztags mit dem Sohn des anderen Paares in der Wohnung der anderen Familie betreuen. Nach einem ganzen Tag, den ich mit Paul und Marie, der Tagesmutter, und dem anderen Kind vor Ort in der anderen Wohnung verbracht habe, stand fest: wir machen es! Es hat einfach wirklich alles gepasst und ich bin dafür heute noch sehr dankbar. Nach einer guten Woche Eingewöhnung, die für mich persönlich sehr wichtig war, haben wir Paul bis zum Alter von zweieinhalb Jahren jeden Tag zu Marie gebracht. Sie kommt ab und an auch immer noch abends vorbei, wenn wir mal einen Babysitter brauchen. Auch die damals zusammen betreuten Kinder sind beste Freunde und auch wir Eltern sind sehr gut befreundet. Da sind über diese Betreuungssituation wirklich enge Bande geknüpft worden, von denen wir alle heute noch zehren.

Ab anderthalb ist Paul außerdem noch einmal die Woche in die Krippe gegangen. Wir wollten das gerne, damit er sich auch ans Kollektiv gewöhnt. Dort waren 15 Kinder pro Gruppe und der Tag war gefüllt mit freiem Spiel drinnen und oder draußen und auch Sing-Tanz- und Bastelateliers. Den Rest der Woche ist er weiter normal bei der Tagesmutter gewesen.

Wie gesagt, ich bin wieder arbeiten gegangen, als unser Sohn vier Monate alt war. Zu 99 Prozent ist das in unserem Umfeld auch so. Ich kenne nur vereinzelt Mütter, die sich wirklich länger voll auf Familienzeit einstellen. Bei vielen ist der Vollzeitjob – so wie bei mir – wieder dran, andere leben sehr unterschiedlich geartete Teilzeitmodelle. Ich hätte nach Pauls Geburt durchaus gerne erst im Herbstsemester wieder an der Uni angefangen, also rund acht Monate mit ihm zu Hause verbracht. Aufgrund meines damaligen Angestelltenverhältnisses, war das ohne die Stelle zu riskieren, aber nicht möglich.

Sommer 2016

Kindergarten und Co.

Alle in 2012 geborenen Kindern wurden im September 2014 eingeschult. Ja richtig, eingeschult, denn der Kindergarten heisst hier école maternelle und ist tatsächlich eher Vorschule als Kindergarten.

Paul ist also mit zweieinhalb Jahren in diese Vorschule gekommen. Da er im Dezember 2012 auf die Welt gekommen ist, war er einer der Kleinsten. Vor dem Hintergrund, wie Betreuung außerhalb des Elternhauses auch heute noch in Deutschland diskutiert wird, klingt das für manche sicherlich ein bisschen hart.

Und natürlich war auch für unseren Sohn – wie für alle anderen Kindern – der Einstieg in die Schule anfangs nicht so einfach. Da gab es keine Eingewöhnungsphase mit gestaffelten Präsenszeiten mehr wie bei der Tagesmutter oder anfangs in der Krippe. Es geht sofort los. Die ersten zwei Wochen fielen ihm und entsprechend auch uns etwas schwer, danach hatten sich aber alle an das neue Umfeld gewöhnt. Schule ist von 8:30 bis 11:30. Um 11:30 übernimmt das Team des so genannten Accueil loisir und holt die zum Schulkantinenessen angemeldeten Kinder zum Mittagessen ab, das in zwei Schichten organisiert ist. Erst die Kleinen, dann die etwas Größeren. Nach dem Essen gibt es für die Kleinen Mittagsschlaf und für die Größeren eine Ruhephase, in der geruht, gespielt, gelesen oder Musik gehört wird. In der Regel schlafen die Kinder mittags nur in ihrem ersten Vorschuljahr. Nach der Ruhephase geht’s zurück in die Klassen und es ist nochmal Programm bis 15:45. Dann kann das Kind abgeholt werden, oder es geht in der Nachmittagsbetreuung weiter, die im gleichen Gebäude, aber in einem anderen Flügel, stattfindet. Einen Nachmittagssnack gibt es zwischen 16 und 16:30 Uhr. Um 16:30 kann wiederum abgeholt werden und dann je nach Möglichkeiten und Wunsch der Eltern kann bis 19 Uhr abgeholt werden.

In der Zeit zwischen 16:30 bis 19 Uhr finden allerlei und wechselnde Aktivitäten statt: Gesellschaftsspiele, Singen, Tanzen, Sticken, Basteln und und und. Freies Spiel ist auch immer im Angebot, was ich persönlich sehr wichtig finde bei all der Strukturiertheit!

Wir haben unseren Sohn im ersten Jahr um 17 Uhr abgeholt bzw. abholen lassen, denn der Sohn eines befreundeten Paares, er ist Student, hat ihn häufig abgeholt, nach Hause gebracht und mit ihm gespielt, bis ich dann von der Arbeit kam.

Sein Papa bringt ihn jeden Tag zur Schule und jetzt in seinem zweiten Vorschuljahr holt ihn zwei Tage die Woche eine Schülerin ab, bringt ihn nach Hause und spielt mit ihm bis ich heimkomme. Den Rest der Woche hole ich ihn ab. Mittwochs arbeite ich nur noch halbtags und außerdem aus dem Home Office, was es mir ermöglicht, ihn mittags um 12:30 abzuholen. Mittwochs ist hier nur Schule bis mittags. Nachmittags geht Paul dann ein Stündchen in der Montessorischule zum Deutschkurs. Das bringt neue Kontakte für uns alle und ich bin nicht mehr die einzige Deutsch-Referenz für ihn hier vor Ort!

Das klingt alles nach einem recht vollen Programm und das ist es in der Tat auch. Allerdings geht es Paul und uns so gut und ich muss immer lachen wenn ich daran denke, wie er reagiert wenn ich ihn mal früher abhole. In der Regel findet er das erstmal nicht so toll, denn er hatte doch noch so viel vor in der Nachmittagsbetreuung und mit wem er noch alles spielen wollte!

Dort treffen alle Kindern gemischt aufeinander, so ergeben sich klassenübergreifende Freundschaften und das ist erst recht toll, wenn nach dem ersten Vorschuljahr die eigene Klasse wieder neu gemischt wird. In der Nachmittagsbetreuung treffen sich alle wieder.

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Wir sind mit der Vorschule sehr zufrieden und auch mit der Nachmittagsbetreuung. Das Personal ist sehr offen und hilfsbereit, die Leute machen echt alle auch einen tollen Job! Ich bekomme das über die Elternvertretung immer besonders mit.

In den Schulferien übernimmt übrigens ganztags die Ferienbetreuung. Das ist toll für arbeitende Eltern aber auch für die Kinder, die ein extra Ferienangebot bekommen mit Dingen, die sie so nicht unbedingt zu Hause machen können.

Und alles ist sehr gut organisiert: Es gibt ein nationales Erziehungs- und Bildungsprogramm, dem die Vorschulen unterliegen. Die Kinder bzw. die Eltern bekommen halbjährlich ein sogenanntes Kompetenzheft (livret de compétences) in dem fortschritte des Kindes vermerkt sind. Wir sind hier also ganz eindeutig schon auf der Schulseite!

Und es funktioniert, unser Sohn lernt fleißig, gerne und sehr spielerisch. Bei Erhalten des Kompetenzhefts im ersten Schuljahr musste ich schon mal schlucken und hab immer wieder gesagt – mein Gott, er ist erst 3 Jahre alt – aber da muss wie ich finde auch jede Familie ihre eigene Art finden, damit umzugehen und dem Kind insgesamt ein positives Lerngefühl und –verhalten und vor allem Umfeld zu vermitteln. In der Schule wird das eindeutig positiv versucht und es scheint auch gut zu klappen.

Ich nehme unseren Sohn als sehr eigenständiges Kind wahr, das seinen eigenen kleinen Alltag mit festen anderen Bezugspersonen neben seiner Mama und seinem Papa einfordert. Er sagt was er will, was er nicht will, er kümmert sich um andere. Er hat ein sehr gutes Selbstvertrauen und kann sehr gut kommunizieren, was ist und wie es ihm geht. Das hat er sicher auch durch die verschiedenen Konstellationen, in denen er sich bereits aufgehalten hat, gelernt.

Uns beschäftigt immer und überhaupt natürlich, dass es unserem Kind gut geht, wir stellen unser System immer wieder in Frage und es kommen ständig neue Fragen hinzu. Paul entwickelt sich und wir uns auch. Es kommt auf so vieles an, für was man sich entscheidet oder entscheiden muss und kann und wie man abwägen will und kann. In unserem Umfeld ist unsere Art der Organisation absolut normal, das wundert niemanden – die Mehrheit lässt eher länger betreuen pro Tag. Es gibt einige Eltern, wo meist die Mutter bis zu drei Jahre voll daheim bleibt, manchmal länger. Oder ein Jahr und dann wieder loslegt. Auch hier in Frankreich gibt es also alle möglichen Arten der Organisation. Und so wie ich das sehe, stellt sich auch jede Familie ihre Fragen und schaut, dass es für alle Beteiligten passt. Alle genießen gemeinsame Familienzeit und schaffen Freiräume dafür. In unserem Umfeld alle sehr sensibel und um ihre Kinder besorgt, im positiven Sinne.

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Kindererziehung

Ganz klar: Kinder gehören hier einfach dazu, werden sehr früh sozialisiert, auch in größeren Gruppen. Alles, was ich zur Betreuung bereits beschrieben habe, passt da dazu. Kinder werden positiv dazu angehalten selbstständig zu sein, selbst etwas zu können, zu machen und zu schaffen. Sie haben hier ihr eigenes Leben, ihren eigenen Tagesablauf, ihre verschiedenen Ansprechpartner. Und das sind ganz klar nicht nur Mama und Papa. Bei manchen, die Familie vor Ort haben, sind es auch Opa und Oma, bei anderen sind es Tagesmutter und Babysitter, später die Lehrkraft und die verschiedenen Animateure (so heißen die Betreuer in der Nachmittagsbetreuung, die sich auch in der Kantinenzeit um die Kinder kümmern).

Es gibt aber auch die so genannte Kinderzeit und die Erwachsenenzeit – Paare sind auch gewillt und achten bewusst darauf, auch Paare zu bleiben. Bei uns ist das entweder nachdem Paul im Bett ist oder gezielt. Wir versuchen einmal im Monat fest Zeit zu zweit einzuplanen, klappt aber nicht wirklich immer. Wir haben bereits ein paar Tage alleine ausgespannt, wenn Paul bei Opa und Oma in die Ferien durfte, oder wenn Babysitter, Tagesmutter und Eltern mal einspringen.

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Ins Bett gehen

Es liegt sicherlich auch an der Großstadt, aber insgesamt scheinen mir Kinder hier später ins Bett zu kommen. In meinem Heimatdorf liegen Kinder im Alter von vier Jahren spätestens um 19 Uhr im Bett, hier geht kaum ein Kind vor 20:30 ins Bett, bei den meisten ist es 21:30. Das variiert je nach Familie, ist aber in unserem Umfeld so die Regelzeitspanne, in der sich das Ins-Bett-Gehen abspielt. Und wenn ich mich an den Schüleraustausch bei meiner französischen Austauschschülerin erinnere, ist das wohl auch auf dem Land so. Auch alle Essenszeiten sind deutlich später als im deutschen Tagesplan.

Ich finde das gar nicht so schlecht, so haben wir abends noch so richtig Familienzeit.

Das Essen

Frankreich ist ja bekannt für gutes, feines Essen und für Essen in Menü-Form. So ist es denn auch schon im Kleinkindalter. Wenn der erste Brei geschafft ist, isst ein französisch-kulturell geprägtes Kleinkind Menüs. Das heißt es gibt mindestens ein Hauptgericht und ein Dessert. Oder es gibt gleich Vorspeise, Hauptspeise und Dessert. So hat unser Sohn essen gelernt: mit uns, bei der Tagesmutter, in der Krippe und er isst so auch in der Schulkantine. Und er ist tatsächlich ein sehr unkomplizierter Esser geworden!

Das Menü der Schulkantine liest sich für mich auch heute noch wie Restaurantessen. Und das ist echt kein Scherz. Die Kommission, die sich mit der Ausarbeitung der Menüs jeweils für die kommenden drei Monate beschäftigt, setzt sich aus einer Ernährungsberaterin der Firma, die die Ausschreibung gekriegt hat, dem jeweiligen Chefkoch der Firma, mehreren Vertretern der Stadt (darunter auch eine Ernährungsberaterin), die für den Kinderbetreuungsbereich und gezielt die Kantinenbetreuung arbeiten mit dem jeweils vor Ort in den Schulen arbeitenden Küchenpersonal und den gewählten Elternvertretern der Städtischen Schulen zusammen. Kantinenbesuche durch die Elternvertretung sind möglich, ebenso Besuche der Großküche, in der hier in Rueil-Malmaison für sämtliche Städtischen Schulkantinen gekocht wird. In der Vorschule, in die unser Sohn geht, sind dieses Jahr rund 300 Kinder über alle Klassen hinweg angemeldet. Davon isst etwas weniger als die Hälfte in der Schulkantine.

In Restaurants gibt es in Frankreich natürlich Essen à la carte, aber meist sind es auch Menü-Angebote. Auch Kinder-Menüs. Da sind schon auch mal Pommes mit Ketchup dabei, aber meistens ist es sehr ausgewogenes, mit dem Erwachsenen-Menü vergleichbares Essen.

Mehrsprachigkeit und interkulturelles Lernen

Bei uns wird ja generell in zwei Sprachen kommuniziert, denn ich spreche hauptsächlich deutsch mit meinem Sohn und sein Papa mit ihm Französisch. Durch unser Lebensumfeld ist Französisch natürlich viel präsenter, aber deutsch ist immer mit dabei, schon allein durch den regelmäßigen Kontakt mit meiner Familie, bei denen Urlaub gemacht wird und die wir eigentlich mindestens alle zwei Monate sehen. Paul geht aber,wie gesagt, auch einmal in der Woche ins Deutsch-Atelier. Da begegnet er außerhalb unserer Kleinfamilie anderen Kindern und Erwachsenen, mit denen er sich auf Deutsch verständigen kann und er lernt deutsche Lieder, Geschichten und Traditionen kennen.

In seiner Klasse gibt es einige Kinder, die mit anderen zweiten Sprachen aufwachsen und der Klassenlehrer geht hin und wieder bei Festen darauf ein.

Eiffelturm, Risenrad, Tuilerien 2016

Arbeiten und Leben im Großraum Paris 

Im Großraum Paris leben ist toll: Wir wohnen in der Banlieue im Nordwesten von Paris, einer wie man hier so sagt gutbürgerlichen, sehr familienreichen Banlieue, in der das sozial-kulturelle Angebot sehr reichhaltig ist. In 15 Minuten sind wir wie gesagt auf den Champs-Elysées und von dort aus dann schnell überall.

Natürlich sind wir hier allerdings nicht ständig als Touristen unterwegs, wir leben ja hier auch unseren normalen Alltag. Das heißt, dass es durchaus vorkommt, dass wir auch mal wochenlang gar nicht nach Paris reinfahren, um dort kulturell-musikalisch oder einfach Spaziergangs- oder shoppingmäßig etwas zu machen.

Für Spaziergange ist Paris auch mit Kind einfach toll. Es gibt da einige Parks, die wir schon abgelaufen sind : Jardin des Tuileries, Jardin du Palais Royal, Place des Vosges, Jardin des Plantes, Parc de la Vilette, Jardin d‘Acclimatation. Letzterer beherbergt die Stiftung Louis Vuitton mit wechselnden Kunstaustellungen (auch mit Kinderatelier-Angeboten, letzten Sommer sogar Poesie-Ateliers für Kleine!), es gibt Tiere zu bestaunen und auch eine Menge Karussells. Und Museen, da gibt es ja sooo viele und sie haben meist auch wirklich tolle Angebote für Kinder. Wir haben kürzlich das Musée en herbe besucht und eine Kinderführung mitgemacht mit anschließendem thematisch angepasstem Bastelatelier. War das toll, als Paul seine Werke mit nach Hause nehmen durfte! In La Vilette im Nordosten von Paris liegt die Cité des Sciences et de l’Industrie. Da gibt es das naturwissenschaftlich aufgearbeitete Museum Cité des enfants. Ganz toll! Kann man mit Kindern zwischen 3 und 7 Jahren immer wieder hin.  Und das Musikmuseum in der am anderen Ende des Parks gelegenen Cite de la musique bietet auch ganz tolle Kinderführungen und Workshops an um an Musik im Allgemeinen und Instrumente im Einzelnen heranzuführen. Oder das Musée du Quai Branly, in der Nähe des Eiffelturms, dass sich unter anderem mit anderen Völkern und Kulturen beschäftigt. Ein voller Erfolg auch bei den Kids.

Manchmal ist da fast zu wenig Zeit um das alles auszuschöpfen, was an Angebot da ist.

Und in der Stadt, in der wir wohnen, gibt es ja auch noch Angebot en masse. Familien halten sich gerne hier auf – manchmal sind freie Plätze schnell vergeben. Aber neben allem, was so geboten wird, gibt es auch einfach eine Menge Grün, viele große und kleine Parks und Spielplätze und auch die Seine ist in 15-20 Gehminuten gut erreichbar.

Wo wir uns in ein paar Jahren sehen

Wir sind insgesamt nun schon seit über 7 Jahren hier und mehr und mehr verwurzelt und integriert. Ab und an überlegen wir, noch mal aus dem großstädtischen Raum herauszuziehen, aber bis dato ist uns noch keine wirklich interessante und attraktive Option untergekommen, wir suchen sie aber bisher auch nicht aktiv sondern leben einfach im Hier und Jetzt. Wer weiß, wo es uns einmal hinziehen wird! Vielleicht bleiben wir auch einfach noch ein bisschen hier, an diesem Ort, mit dem uns mehr und mehr Erfahrungen und bereits viele gute Erinnerungen verbinden.

Was mir gefällt

Ich mag das französische savoir-vivre, das gelassen-elegante (jetzt sehr klischeehaft klingende) Etwas, das Französinnen und Franzosen so verströmen können. Ich liebe diese Sprache, den geblümten und charmanten Smalltalk beim Bäcker, Metzger, auf dem Markt, generell in Geschäften, Cafés und Restaurants. Das gute Essen, Café Gourmand…. Und ich mag auch die für den Großraum Paris typische Mischung der Menschen, von überallher.

Was mich manchmal nervt

Weissbrot!! Immer “Menü” essen….

Bei uns gibts ab und an auch einfach mal Abendbrot. Und auch einfach mal ein Hauptgericht mit nichts davor oder danach: Einfach essen um den Bauch voll zu haben und fertig.

Am Großraum Paris nerven mich die Menschenmassen, Automassen… und das ewige Hin und Her zur Arbeit! Bei mir gehen täglich fast 3 Stunden durch das Pendeln pro Tag drauf, bei meinem Mann ist es eine gute Stunde Fahrtzeit, Stau nicht eingerechnet. Auf Langzeit werden wir schauen müssen, wie das weitergehen soll – vielleicht wird es irgendwann doch wieder eine kleinere Stadt!

Sommer 2015