Die 5:1 Formel für stabile Beziehungen

Beziehungen sind Arbeit. Das gilt nicht nur für Paar-Beziehungen, sondern auch für Freundschaften. Und ja, natürlich sind auch die Beziehungen zu unseren Kindern Arbeit. Manch einer schüttelt hier vielleicht den Kopf, sagt: das ist doch reine Liebe, ganz natürlich! Bei einigen Wenigen klappt das sogar so einfach. Die meisten Eltern aber haben, spätestens wenn ihre Kinder sprechen, deren Wünsche äußern und sich mitteilen können, regelmäßig herzhafte Konflikte mit ihren Kindern.

Wir wissen, dass man auf Augenhöhe kommunizieren sollte mit Kindern, ihnen aber dennoch Grenzen aufzeigen – die eigenen und die des gesamten Umfelds. Den Unterschied zwischen Grenzen und Strafen hat Susanne übrigens gerade gestern ausführlich erklärt.

Wir wissen, dass wir unseren Kindern nicht drohen sollten, weil das nur zu Unmut führt und die Kinder auch nicht wirklich “lernen” lässt. Wir wissen, dass Schreien eher eine unreife und unproduktive Reaktion ist auf kindliches Verhalten, dass grob werden selbstverständlich sowieso tabu ist.

Respektvolles Verhalten – eigentlich selbstverständlich

An sich geht es ja am Ende immer um respektvolles Verhalten, das man den Kindern mitgeben will – und wenn man selbst nicht respektvoll mit ihnen umgeht… Naja, ist ja irgendwie logisch. Jede Familie muss am Ende ihren Weg finden, wie sie miteinander umgeht und jedes Kind braucht noch mal individuelle Zuwendung. “Manche Kinder brauchen Schutz, andere einen Schubs” hat Nora Imlau mal gesagt und ich finde das sehr passend: In vielen Familien herrscht zum Beispiel ein – für mein Verständnis – sehr rauer Umgangston, aber alle nehmen es mit Humor, insbesondere die Kinder. Wieder andere Eltern sprechen so sanft und geduldig mit ihren Kindern und Partnern – und zwar IMMER, dass ich daneben fast platze, wenn ich nur zuhöre – aber es funktioniert für sie, und das ist doch etwas Schönes. Es ist also nicht einfach. Es ist Arbeit, immer wieder neu zu skalieren, alle Bedürfnisse im Auge zu behalten und so weiter.

Bei den allermeisten Familien-Beziehungen sieht es so aus, dass es Regeln und Grenzen und einen gewissen Verhaltenskodex gibt, auf den sich alle geeinigt haben. Worte, die man nicht sagt, Dinge, die man nicht tut. Und wir Eltern gehen mit gutem Vorbild voran: schreien nicht, drohen nicht, flippen nicht bei Dingen aus, die kindliches Verhalten sind und die wir besser verstehen sollten, als die Kinder das tun, weil sie eben Kinder sind.

Entschuldigen, Reflektieren…

IMMER klappt das aber nicht. Ich denke mal jedes Elternteil, das das hier liest, hat schon mal unverhältnismäßig reagiert. Schon mal geschrien, schon mal gedroht, war schon mal zu ungeduldig oder gemein, hat einfach doof reagiert. Ich handhabe solche Situationen meist so: ich lasse es sacken. Reflektiere. Dann entschuldige ich mich bei meinem Kind. Ehrlich und offen, so wie ich mich bei meinem Partner oder meiner Freundin entschuldigen würde, wenn ich zum Beispiel etwas gesagt habe, was mir später leid tat. Fast immer sagt das sechsjährige Kind dann: “Nicht schlimm Mama!”. Oder sogar: “Das macht doch nichts!” Aber dennoch finde ich das wichtig: zu zeigen, dass auch ich nur ein Mensch bin, der Fehler macht oder unpassend reagiert. Und dass man sich entschuldigt, wenn man sich nicht gut verhalten hat. Das mit dem Entschuldigen machen die Kinder dann auch nach. Und das ist so wichtig für einen respektvollen Grundton, finde ich!

Und dann ist mir noch eine Sache aufgefallen. Darauf gekommen bin ich dank Anna, sie hat das jüngst in ihren Stories angesprochen: Unbewusst halte ich mich (in etwa) an eine 5:1 Regel. Wenn ich mit einem Kind einen richtig doofen Zwist hatte, wenn wir eine Diskussion nicht gut klären konnten, wenn ich unfair war, wenn das Kind (für mich) grundlos ausgeflippt ist und ich es nicht gut beruhigen konnte. Einfach wenn es NICHT SCHÖN war. Dann achte ich immer sehr darauf, dass es (idealerweise noch am selben Tag) einige schöne, innige, liebevolle Momente voller Respekt und Liebe mit diesem Kind gibt. Idealerweise vielleicht sogar noch einen Konflikt, den wir dann aber gemeinsam schnell und gut lösen.

Die 5:1 Formel

Das entspricht, so habe ich erfahren, dem Beziehungsmuster nach Professor John Gottman, er nutzte diese (anscheinend berühmt gewordene) 5:1-Formel für Partnerschaften. Die These: “Solange in einer Partnerschaft mindestens fünf Mal häufiger liebevolle, konstruktive Verhaltensweisen vorkommen als negative oder feindselige Interaktionen, gilt diese als stabil. Denn dann herrscht zwischen den Partnern ein positives Grundgefühl der gegenseitigen Achtung und Wertschätzung.” Und was für Partnerschaften gilt, kann man doch auch wunderbar auf die Beziehung zu unseren Kindern ummünzen, oder?

Natürlich ist es bei unverhältnismäßigen Reaktionen von Seiten der Eltern immer sinnvoll, zu hinterfragen: Warum habe ich so reagiert, wie kann ich das in Zukunft vermeiden? Susanne hat das auch erklärt: am besten ist es, man zeigt seine eigenen Grenzen schon auf, bevor man ausflippt. Aber immer gelingt das nicht. Die 5:1 Regel (mindestens! Ich hoffe sehr, dass ich mehr als fünf schöne Erlebnisse mit meinen Kindern je Streit habe!!) gibt mir ein gutes Gefühl, auch wenn nicht immer alles harmonisch ist. Wenn wir abends beim Zähneputzen diskutieren und danach aber wieder angekuschelt lesen und den Tag besprechen, dann ist das schlechte Gefühl schon fast wieder weg. Und wenn wir uns dann beim ins Bett bringen umarmen, abknutschen und uns gegenseitig sagen, wie lieb wir uns haben, dann ist es vielleicht sogar schon wieder ganz verschwunden.

Oder wie seht ihr das? Macht das für euch Sinn?