Seit ich Kinder habe, weine ich. Nein, nicht ständig, nicht richtig. Aber mir kommen andauernd die Tränen. Vor Rührung, vor Glück, einfach aus einer gewissen Sentimentalität heraus.
Es ist schon wirklich verrückt, was das Kinderkriegen mit einem macht. Also zumindest mit mir. Jeder steckt das ja anders weg. Bei mir hat jede Schwangerschaft den Hormonhaushalt gefühlt ein Mal komplett umgekrempelt, sich zwar dann auch wieder eingerenkt – und trotzdem habe ich jeweils einige Dinge mitgenommen: Nach der ersten Geburt hatte ich plötzlich Migräne, die war nach der zweiten weg, dafür hatte ich dann PMS, was vorher nie ein Thema gewesen war. Mir wird viel schneller schlecht und schwindelig, ich werde bei der kleinsten Bootsfahrt seekrank und kann nicht mal schaukeln mit den Kindern! Man sagte mir, das könne auch am Alter liegen. Gruselige Vorstellung. Kann aber sein. Letztes Wochenende waren wir auf dem Rummel und die Kinder wollten mich auf dem Karussell mit dabei haben: Ich habe echt gelitten.
Heulsuse!
Und eben das mit der Heulerei. Ich bin super schnell gerührt. Wenn Kinder etwas Süßes machen, wenn Kinder leiden müssen. Wenn in den Nachrichten schlimme Dinge passieren, oder eben auch schöne. Menschen halten zusammen, stellen was Tolles auf die Beine, so was. Muss ich immer gleich ein Tränchen verkneifen. Ich musste – das ist kein Scherz – sogar beim Berliner Marathon fast heulen, irgendwie fand ich das so rührend: dieses Engagement, alle auf der Straße, die einen wachsen über sich hinaus, die anderen jubeln ihnen zu. Die Kinder haben am Straßenrand angefeuert – meine auch – und Läufer abgeklatscht. Fand ich irgendwie so schön. Ihr könnt euch denken, was mit mir passiert, wenn viele Menschen sich auf einer Demo zu einem guten Zweck zusammenfinden… SO peinlich!
Aber ist es das? An besonders rührseligen Tagen mit wenig Schlaf im Nacken und die Kinder waren vielleicht auch noch extra Zucker in der Früh, da fahre ich manchmal in die Arbeit und denke: Goddogodd, hoffentlich kann ich mich zusammenreißen und muss nicht im Meeting bei dem Gedanken an den Knutschkuss meiner Tochter oder an die herzliche Umarmung meines Sohnes weinen. Oder bei dem Gedanken daran, wie gut es meinen Kindern geht, wie gesund sie sind und wie frei sie aufwachsen – dieses Glück haben ja bei weitem nicht alle Kinder auf dieser Welt. Sprich: ich habe richtig Schiss, dass mir das mal in einem professionellen Kontext passiert. Ist es eigentlich sogar schon oft, vor allem bei Events, bei Panels-Talks, Reden. Auch während unserer Moderation auf dem FFF Day musste ich ein paar Mal schlucken und mir schossen die Tränen in die Augen. Ich hatte mich schnell wieder unter Kontrolle, aber was wenn das mal nicht gelingt?
Ist das überhaupt unprofessionell?
Ich hatte mal einen Produktions-Job – bevor ich selbst Mutter war. Und die Stylistin auf eben diesem Job hat irgendwann gegen Ende bitterlich geweint, weil sie ihr Kind nicht mehr zu sehen bekommen würde an dem Tag. Wir hatten heillos überzogen. Ich fand ihre Reaktion damals total unmöglich. Dachte: das kann sie nicht bringen, wer soll sie ernst nehmen? Sie war den ganzen Tag über irre professionell gewesen und dennoch ist mir das sehr negativ in Erinnerung geblieben. Damals hatte ich ja auch noch keine Ahnung, wie schnell ich heulen würde!
Unabhängig von meiner eigenen neuen Hyper-Sensibilität würde ich diese Situation aber heute anders beurteilen. Denn sind es nicht die Emotionen, die uns Frauen eigentlich besonders stark machen? Ich denke heute, dass diese krasse Empathie, dieses „für alle mitdenken“ dieses Emotionale und Kümmernde, eine sehr große Stärke von Frauen ist. Ja, ich finde, das ist eigentlich eine Eigenschaft, die uns zu den perfekten Führungspersönlichkeiten macht, oder nicht?
Natürlich bedeutet das nicht, dass wir uns jetzt alle den ganzen Tag heulend in den Armen liegen – DAS wäre wirklich unprofessionell. Aber ab und zu mal ein Tränchen, echte Gefühle zeigen. Vielleicht ist das gar keine Schwäche, sondern wahre Stärke, oder was denkt ihr?
Ich versuche nach wie vor, nicht in der Öffentlichkeit Rührungstränen zu vergießen. Aber vielleicht sollte ich mich da auch lockerer machen. Wahre Professionalität zeigt sich doch nicht durch Kälte. Die Kust ist, beides unter einen Hut zu bekommen: gute Arbeit und genügend Gefühle.