Der sichere Hafen

Vor ein paar Tagen wachte mein kleines Mädchen nachts weinend und schluchzend auf: Zähne, Alptraum, Wachstumsschmerzen - man weiß es ja nicht. Ich streichelte im Halbschlaf über ihren Kopf, flüsterte: "Alles gut, Schatz", sie jedoch kletterte schluchzend und unmittelbar auf mich, positionierte sich auf meinem Bauch, die Beinchen angezogen. Der Kopf lag direkt unter meinem, sie atmete noch ein paar Mal feste, dann beruhigte sie sich. Ein paar Momente später war sie schon wieder eingeschlafen.

MAMA

Ich fand es schon beim ersten Kind faszinierend, wie früh diese kleinen Wesen genau wissen, was sie brauchen und wie sie zielsicher und kompromisslos dann auch genau das einfordern. Und das zweite macht es jetzt ganz genauso. In diesem Fall war die einfachste Medizin einfach: MAMA. Mit so viel Körperkontakt wie möglich. Der sichere Hafen. Wo man immer Trost findet. So haben es beide Babies bei mir gemacht. Wenn es ganz schlimm war: ARM! Mamas oder Papas (meistens Mamas).

Der Große macht das auf seine Art und Weise immer noch. Er kommt angerannt, wenn er sich weh tut. Oder wenn er Hilfe sucht. Für mich hat das eigentlich nie etwas mit “Petzen” zu tun. Andere anschwärzen: das macht er nicht. Ich weiß, er kommt zu mir, wenn er die Situation selbst nicht lösen kann. Und ich finde es gut, dass er sich Hilfe holt! Wenn er sich schlecht fühlt, springt er auch immer noch auf meinen Arm. Umarmt mich fest. Als ihm im Urlaub große Jungs gemein kamen, lief er sofort zu uns. Drückte sich an Papa. Erzählte, wie fies das gerade war. Bekam schnell Trost und Sicherheit.

Abends erzählt er mir mittlerweile oft von seinen Ängsten und ich schaffe es meist schnell, sie zu beschwichtigen oder ich renne gleich am nächsten Tag los um das, was ihn quält, in Erfahrung zu bringen. Manchmal hilft auch einfach zuhören.

Und ganz selten, da teilt er auch Geheimnisse mit mir. Wenn er mit seinen Freunden etwas heimlich Verbotenes getan hat zum Beispiel. Ich freue mich immer diebisch, dass er mir sowas erzählt. Und dass er mittlerweile so wahnsinnig gut kommunizieren kann. Was gemein war, was ihm Angst macht, was ihn beschäftigt – auch was sehr schön war, erzählt er oft.

Der sichere Hafen

Ich bin immer noch sein sicherer Hafen. Die Anlaufstelle für Ängste, Sorgen, Gefühle – sogar manchmal Geheimnisse.

Die Tochter meiner Freundin ist 15, mitten in der Pubertät, von der Einweihung in Geheimnisse kann sie nur noch träumen. Die Tochter macht komplett ihr Ding, schweigt beim Frühstück, geht morgens alleine in die Schule, gestaltet die Nachmittage mit ihren Freunden, manchmal kommt sie zum Abendbrot, immer öfter möchte sie auch abends alleine raus. Sogar der erste Urlaub ohne Eltern ist schon geplant. Meine Freundin tut sich schwer mit der Abkapselung, aber sie lässt die Tochter – meistens und oft unter Auflagen – ihr Ding machen.

Und….! Das erzählte sie mir letztens ganz glücklich: auch sie ist immer noch der sichere Hafen, der Ansprechpartner Nummer eins, wenn es Probleme gibt. Wenn es hart auf hart kommt, dann wird Mama gefragt. Vor kurzem gab es ein Problem zwischen den Freundinnen, Zicken-Terror, fast Mobbing. Und die Tochter wandte sich an ihre Mutter, die erst mal zuhörte. Und dann auch helfen konnte und wollte.

Bei mir ist das heute noch so. Meine Mutter und ich telefonieren nicht täglich, aber oft. Und obwohl ich sehr früh sehr selbstständig war und sehr viele Dinge konsequent nicht mit ihr teilen wollte, so war sie doch immer die erste Anlaufstelle, wenn es mir nicht gut ging, oder wenn ich mich in einer für mich aussichtslos erscheinenden Situation befand. Dann bekam ich auch immer ein offenes Ohr und Hilfe. Und – dafür bin ich sehr dankbar – mir wurde dann nie gesagt: selbst schuld. Oder: das schaffst du ja wohl mal alleine. Meine Mutter wusste immer, dass ich mich nicht mit Lapalien an sie wende. Und selbst wenn! Sie hat mich früh dazu erzogen, meinen Kram selbst zu machen. Aber wenn ich sie brauchte, dann war sie da. Und wenn es nur war, um mir sanft und verständnisvoll zu erklären, dass die Welt nicht so schnell untergeht, wie es sich manchmal anfühlt.

Viele Freunde erzählen mir, dass bei ihnen der erste Impuls auch immer war, die Eltern anzurufen. Wenn dann aber kein Verständnis kam, machten sie das irgendwann nicht mehr. Das hat mich richtig traurig gemacht. Ich denke, so sollte es nicht sein.

Und hoffentlich bleibt das so!

Denn ich wünsche ich mir das für meine Kinder auch in Zukunft und für immer. Sie sollen natürlich lernen, Konflikte und Probleme selbst zu lösen. Aber wenn sie mich – beziehungsweise UNS – brauchen, dann sind wir da. Ich denke, es ist normal, dass es immer wieder Phasen gibt, in der die Kinder ihre Eltern bewusst ausklinken. Vielleicht ist das sogar gesund so. Aber im Fall der Fälle: dann wissen sie hoffentlich: da ist immer ein offenes Ohr und sie können sich auf uns verlassen.

 

Wie ist das bei euch? Ruft ihr Mama an, wenns brennt?