50:50 Paare: Laura und Anton
Was und wieviel arbeitet ihr beide?
Anton arbeitet 80 % als Angestellter, ich arbeite ca. 30 Stunden als freie Journalistin, Bloggerin und Buchautorin. Unsere Kinder sind neun, sieben und vier Jahre alt.
Wie sind sie tagsüber betreut?
Die beiden Großen sind in der Grundschule und bis 14:15 Uhr in der Kernzeit-Betreuung, der Kleine ist in einem Kindergarten und ich hole ihn bereits um 13:30 Uhr ab. Das ist mir eigentlich viel zu früh, aber es geht nicht anders und er fühlt sich dort so wohl, weil er die ganze Zeit draußen ist.
Wie habt ihr eure Woche aufgeteilt?
Ich arbeite den ganzen Montag, Anton nur bis 13 Uhr, beide im Home-Office. Dienstags ist Antons ganzer Arbeitstag, ich arbeite von zuhause aus bis ca. 15 Uhr, weil unser Nachbar das Essen für die Kinder macht. Mittwochs, donnerstags und freitags arbeite ich bis 13 Uhr, mache donnerstags außerdem das Essen für die Nachbarskinder und Anton kommt jeweils um 16 Uhr. Wenn ich dringende Aufträge oder eine Manuskript-Abgabe habe, setze ich mich dann noch einmal an den Schreibtisch.
Wie war das in der Corona-Zeit?
Wir haben beide von zuhause aus gearbeitet. Einer von uns ist früh um sechs Uhr aufgestanden, saß bis 13 Uhr am Schreibtisch und hat dann die Kinder übernommen. Der andere kümmerte sich morgens um die Kinder und das Homeschooling, arbeitete dann ab 14 Uhr bis abends. Das hat gut geklappt, war aber sehr anstrengend. Wir hatten praktisch nie Pause und waren nach drei Monaten durch…
Organisiert ihr euch spontan oder macht ihr einen Plan?
Wir organisieren jeden Sonntag die ganze Woche und nennen das unser „Küchenmeeting“. Dabei schauen wir auf unsere Kalender und gehen jeden Tag einzeln durch. Was stehen für Termine an, wer hat beruflich Stress oder besonders viel zu tun? Was gibt es für Aufgaben zu erledigen und wie sieht die Wochenendplanung aus? Wir machen das nun schon eine Weile und sind daher routiniert. Diese Absprache erleichtert uns das Leben sehr!
Welche Tools nutzt ihr?
Wir haben unsere Handy-Kalender synchronisiert, benutzen noch einen analogen Kalender, in den wir alles übertragen und der in der Küche steht, damit jeder reinschauen kann. Außerdem schreiben wir uns alle Aufgaben, die anstehen, in die App Trello.
Würdet ihr sagen, dass die Organisation des Alltags sehr zeitaufwendig ist und klappt sie gut?
Seitdem wir uns einmal in der Woche absprechen und nicht nur Haushalt und Kinderbetreuung teilen, sondern auch die Organisation teilen, klappt das wunderbar. Wir haben alle Aufgaben notiert, nach Rubriken sortiert und wir brauchen nicht länger als zehn bis maximal zwanzig Minuten. Manchmal planen wir auch einen Urlaub oder einen Kindergeburtstag, das braucht dann mehr Zeit.
Habt ihr einzeln Hobbies, oder macht Sport?
Ja, wir machen beide sehr gerne Sport. Dabei wechseln wir uns abends ab. Ich gehe am liebsten laufen. Wir brauchen das beide dringend, um einfach mal abzuschalten.
Was ist mit Paar-Zeit, wann bekommt ihr die unter?
Wir unterhalten uns gerne abends miteinander. Donnerstags gehe ich zum Chor und wenn ich nach Hause komme, trinken wir immer ein Bier miteinander. Mit Hilfe der Großeltern und der Tante können wir auch ein- oder zwei Mal im Jahr ein Wochenende wegfahren.
Habt ihr das Gefühl, genug (Quality) Zeit mit euren Kids zu verbringen?
Ja, auf jeden Fall. Dadurch, dass wir beide nicht in Vollzeit arbeiten, sehen wir uns nachmittags und unternehmen auch am Wochenende viel miteinander.
Sprechen wir über den Haushalt: Wie teilt ihr euch hier auf?
Früher habe ich die gesamte Organisation alleine gemacht. War Anton hier, hat er natürlich geputzt und Wäsche gemacht. Aber die Denkarbeit war irgendwie immer meine Sache. Seitdem uns das bewusst geworden ist, (ich beschäftige mich ja viel mit Mental Load), teilen wir die Aufgaben auf. Da mussten wir eben einmal richtig ran und alles notieren und aufteilen, aber jetzt geht’s prima. Putzen und Wäsche teilen wir auf, ich kümmere mich meist um das Essen, Anton um Reparaturarbeiten, Internet- und technische Dinge. Wenn Sonderaufgaben anfallen, wie Fenster putzen oder den Keller aufräumen, planen wir das für das Wochenende ein.
Gibt es Aufgaben, die einer von beiden typischerweise immer übernimmt?
Ja, ein paar Dinge haben wir langfristig verteilt. Anton macht alles rund um den Kindergarten, ich habe die Schulangelegenheiten der beiden Großen übernommen. Anton kümmert sich um die Wäsche und ist verantwortlich dafür, dass wir nicht im Chaos versinken, ich koche dafür. Auch die Kinderklamotten organisiere ich, Anton macht dafür die Steuererklärung. Aber die meisten Aufgaben tauschen wir auch mal.
Wer hat die Orga in der Hand?
Ehrlich gesagt bin ich immer noch die treibende Kraft, aber langsam ändert sich das. Es ist gefährlich, wenn man diese Aufgabe an sich reißt, weil man meint, es gehe so schneller oder man kann das besser. Dann ist man nämlich auch schnell derjenige, der alleine einen Überblick hat und auf einmal ist der Mental Load wieder riesig groß.
Seid ihr beide zufrieden mit eurem Haushaltssystem?
Ja, sehr.
Das finde ich echt super, das hört man selten!
Ja, dabei bin ich sehr pingelig und räume viel auf. Würde es nach mir gehen, wäre es sauberer und ordentlicher. Ich habe aber auch akzeptiert, dass mein Standard mit drei Kindern nicht durchsetzungsfähig ist. Wir haben bisher die Kinder zu wenig eingebunden und das probiere ich gerade zu ändern. Was mir wichtig ist: eine saubere Küche am Abend. Aber darum kümmert sich immer einer von uns, während der andere den Kindern noch eine Geschichte vorliest.
Habt ihr denn Hilfe?
Meine Eltern holen öfter mal den Kleinsten vom Kindergarten ab und unternehmen etwas mit ihm. Auch meine Schwester kümmert sich so oft es geht um die Kinder. Aber sie wohnt in einer anderen Stadt und muss sich extra freinehmen. Dazu kommt, dass es für meine Eltern schon enorm anstrengend ist, alle drei Kinder zu betreuen. Das muten wir ihnen nur in den größten Notfällen zu.
Wie habt ihr die Finanzen geregelt?
Wir haben uns einen Überblick erstellt, die Kosten relativ gerecht auf- und verteilt und vor allem für mich fürs Alter vorgesorgt. Ich bin klassisch in Elternzeit gegangen, habe danach nur Teilzeit gearbeitet und eine riesige Renten-Lücke. Anton und ich sorgen gemeinsam dafür, dass diese so gut es geht wieder gefüllt ist. Ich finde, darauf haben alle Elternteile einen Anspruch, die sich zuhause kümmern. Bevor dieses Geld nicht zur Seite gelegt wird, machen wir auch keine Luxusausgaben wie Urlaub oder ein neues Fahrrad.
Wie seid ihr selbst aufgewachsen?
Bei meinen Eltern war es sehr klassisch. Mein Vater war berufstätig, meine Mutter blieb bei uns Kindern. Sie hat aber von meinem Vater schon immer erwartet, dass er sich zuhause engagiert. Er ist jeden Morgen um halb fünf aufgestanden, war nachmittags um vier wieder zuhause und hat sich mit uns beschäftigt. Ich denke, darum erwarte ich das auch von meinem Mann. Er selber ist mit Eltern aufgewachsen, die beide berufstätig waren.
Findet ihr euer System gerecht, seid ihr glücklich damit?
Ja, absolut. Wir wissen es aber auch sehr zu schätzen, dass wir uns den Luxus leisten können, beide reduziert zu arbeiten. Ich bin sehr froh, dass wir kein Haus gekauft haben und deshalb Schulden abtragen müssten. Wir wohnen zur Miete, das macht diese Flexibilität möglich.
Was würdet ihr euch vom Staat, von eurem Umfeld, vom Arbeitgeber wünschen?
Da habe ich eine ganze Reihe von Wünschen. Zunächst einmal finde ich, dass Familien grundsätzlich stärker unterstützt werden sollten. Bisher können sich Geringverdiener die längere Elternzeit des Vaters oft nicht leisten. Um das zu fördern, brauchen wir ein situatives Grundeinkommen. Bisher können nur Eltern aus Mittel- und Oberschicht die Arbeitszeit reduzieren, dabei kann das so viel helfen! Außerdem brauchen wir dringend mehr Unterstützung für Alleinerziehende. Die haben nämlich das dickste Mental Load-Problem und oben drauf auch oftmals große Geldsorgen. Wir brauchen eine flächendeckende Kinderbetreuung, aber eine besonders hochwertige mit gut bezahlten Erzieher*innen. Wieso finden wir alle, diesen Beruf könnte doch eigentlich jeder machen? Kinder zu betreuen und gut zu erziehen ist keine leichte Aufgabe, aber wir wertschätzen diese Arbeit einfach viel zu wenig. Da ist uns Skandinavien um Einiges voraus, wie in so vielen Dingen, die die Familie betreffen. Auch in der Arbeitswelt brauchen wir ein Umdenken. Teilzeit-Jobs dürfen nicht länger das Karriere-Ende bedeuten, dann reduzieren auch mehr Väter ihre Arbeitszeit, wenn die Kinder sie aktuell brauchen. Damit wir wirklich gleichberechtigt leben können, müssen Männer mehr Care-Arbeit übernehmen. Weil wir aber so festgefahren sind in unserem stereotypischen Denken, brauchen Familien dabei die Unterstützung von Politik und Wirtschaft. Als Letztes wäre da das Umfeld. Die Kleinfamilie, die alles alleine schafft, ist ein künstliches Produkt der Industrialisierung. Kein Wunder, dass Eltern und vor allem Mütter überfordert sind. Bilden wir unser eigenes Dorf und helfen wir einander. Wir teilen uns zum Beispiel zwei Nachmittage mit den Nachbarn das Mittagessen für die Kinder, bringen einander etwas aus dem Drogeriemarkt mit oder holen abends zwei Brote vom Bäcker. Gerade alleinerziehenden Eltern sind dankbar über eine solche Form der Unterstützung.
Wie habt ihr die Elternzeit(en) aufgeteilt?
Ganz klassisch: Ich war zwölf Monate zuhause, Anton nur zwei. Das würden wir heute anders regeln. Wir dachten, weil es alle so machen, ist es so richtig. Außerdem hat uns mein geringerer Lohn davon abgehalten, die Aufteilung gerechter zu machen. Aber das ist ein grober Denkfehler, finde ich. Wie viele andere Eltern auch haben wir den Job von Anton stärker gewichtet. Er hatte immer Vorrang, weil er Vollzeit arbeitete und den größten Teil des Familien-Einkommens einzahlte. Dabei ist mein Job eine Art Versicherung und selbst dann genauso wichtig, wenn ich reduziert arbeite. Sollte Anton mal seinen Job verlieren oder nicht arbeiten können, sind wir auf meinen Beruf angewiesen. In ihn zu investieren und ihn wichtig zu nehmen ist also eine Grundlage für die Sicherheit unserer Familie. Wir haben anfangs gedacht, weil ich „nur“ in Teilzeit arbeite, mache ich zuhause auch fast die ganze Orga-Arbeit, einen Großteil der Kinderbetreuung und des Haushalts. Durch diese Doppelschicht fühlte ich mich aber schnell ausgebrannt, denn Anton hatte wenigstens mittags eine Stunde Pause. Ich hetzte vom Büro zum Kindergarten und dann ging es nahtlos weiter mit Kinder-Bespaßung, Einkauf usw. Für viele Mütter ist das normal, aber ich finde dieses Leben extrem stressig, weil man überhaupt keine Zeit zum Verschnaufen hat. Die Mühe zuhause sieht keiner, und dann ist der Job auch noch zweitklassig. Das finde ich ungerecht und ich habe damals sehr darunter gelitten.
Was kommt immer zu kurz?
Natürlich die Zeit zu zweit. Aber die kommt wieder, wenn die Kinder etwas älter sind.
Und was klappt aber eigentlich ziemlich gut?
So ziemlich alles. Aber wie gesagt, das war auch schon einmal anders.
Was stresst euch im Alltag am meisten?
Die vielen Termine mit drei Kindern. Und die Menge an Dinge, an die wir denken müssen. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich das geschafft habe, als ich die meisten Angelegenheiten alleine organisiert habe.
Und was macht am meisten Freude?
Wenn wir als Familie zusammen sind. Aber auch, dass wir Eltern uns unsere Individualität bewahren können: Zeit für unsere Hobbys und für unseren Beruf haben. Außerdem liebe ich es, dass Anton und ich uns nun noch mehr als Team sehen. Wir sind Eltern, Liebespaar und die Doppelspitze unseres Familienunternehmens.
Danke, Laura