Was tun im Notfall? Erste Hilfe am Säugling und Kind

Erste Hilfe leisten – Hand auf's Herz, wer kann von sich behaupten, dass er im Ernstfall wirklich genau wüsste, was zu tun ist und dieses Wissen auch schnell und zuverlässig abrufen könnte? Ich muss sagen, dass ich wirklich totalen Respekt vor Ersthelfern habe, weil ich selber eher dazu neige, in einer solchen Situation in Panik zu geraten. Besonders emotional ist es, wenn der Notfall das eigene Baby betrifft und ein kleiner Mensch schnell versorgt werden muss. Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich merke: Wenn meinem Kleinen etwas passiert, wüsste ich nicht gleich, was zu tun ist – deswegen werde ich auch in naher Zukunft einen Erste-Hilfe-Kurs machen. Ich habe außerdem auch mit der Erste-Hilfe-Expertin Daniela Schwenk vom Deutschen Roten Kreuz gesprochen, die mit uns die wichtigsten Notfall-Situationen mit Babys und Kleinkindern und das richtige Vorgehen dabei besprochen hat.

Fangen wir mit dem Klassiker an: Stürze vom Wickeltisch oder Bett sind ein Unfall, den viele Eltern erleben. Wie verhält man sich richtig, wenn es passiert ist?

“Zunächst einmal gilt, wie bei allen Unfällen: Möglichst Ruhe bewahren und schnell, aber gefasst reagieren. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan! Bei Kindern ist der Kopf mit Abstand der größte und schwerste Teil des Körpers und deswegen kommt es bei einem Sturz auch am häufigsten zu Kopfverletzungen. Ist das Kind bewusstlos, so müssen Eltern sofort den Notruf unter der Nummer 112 kontaktieren. Außerdem prüfen, ob das Kind normal atmet und es in diesem Fall in eine stabile Seitenlage drehen. Wenn das Kind schreit und sich erschrocken hat, dann tröstet man es natürlich, um dann genau hinzusehen, wo es sich verletzt hat, ob es eine Beule hat oder blutet. Auch in diesem Fall sollte man so schnell wie möglich mit dem Kind zum Kinderarzt. Der kann dann das weitere Vorgehen besser einschätzen, denn insbesondere bei einer Gehirnerschütterung zeigen sich die Symptome oft erst verzögert.”

 

Bei etwas älteren Kindern ist ein Sturz vom Klettergerüst ebenfalls eine Verletzung, die öfter mal auftritt.

“Je höher die Sturzhöhe, desto höher ist auch die Gewalteinwirkung auf den kleinen Körper. Generell gilt, dass man Kinder nicht unbeaufsichtigt klettern lassen sollte und es ist natürlich besser, wenn die ersten Kletterversuche in einer Sporthalle mit weichen Matten stattfinden, oder an einem anderen Ort, an dem weiche Unterlagen einen möglichen Sturz abfedern könnten. Ist das Kind verletzt, nimmt es automatisch eine Schonhaltung ein. Dann müssen Eltern entscheiden, ob sie in der Lage sind, mit dem Kind direkt zum Kinderarzt zu gehen, oder ob der Sturz so heftig war, dass sie vor Ort Hilfe brauchen. Eltern sollten sich auch nicht scheuen, einen Notruf abzusetzen – lieber einmal zu viel als zu wenig! Trost und Wärmeerhalt sind ebenfalls wichtig. Bei Wunden, die nicht bluten, hilft außerdem lokal eine in ein Tuch gewickelte Sofortkälte-Kompresse. Bei blutenden Wunden, die sichtbar verschmutzt sind, wenn das Kind beispielsweise in den Sand gefallen und sich die Knie aufgeschürft hat, reinigt man die Wunde mit Wasser und deckt sie mit einer sterilen Wundkompresse ab. Bei Rollsplit und anderen Fremdkörpern ist es sinnvoll, einen Arzt die Reinigung übernehmen zu lassen. Generell gilt: Eltern wissen mit der Zeit, was sie gut hinbekommen und was nicht – im Zweifel ist es immer besser, es den Profis zu überlassen.”

 

 

Der Alptraum aller Eltern sind Verbrennungen – was gilt es hier zu beachten?

“Das ist wirklich einer der dramatischsten Notfälle, die wir kennen. Die Heilung solcher Verletzungen ist meistens langwierig, deswegen gilt hier umso mehr: Prävention ist das beste Mittel! Eltern sollten darauf achten, dass es keine Kabel vom Wasserkocher gibt, an denen das Kind sich hochziehen und so verbrühen kann. Ein Herdschutzgitter ergibt ebenfalls Sinn, das Kind sollte niemals unbeaufsichtigt in der Küche sein und nach Möglichkeit sollte man auch eher die hinteren Herdplatten nutzen. Kinder sind neugierig und wollen sich ausprobieren – Verbote helfen da eher nicht, sondern schüren die Neugier. Viele Verbrennungen entstehen übrigens in Alltagssituationen, wenn Kinder die Tischdecke herunterziehen oder bei einem Elternteil auf dem Schoß sitzen und sich mit heißen Kaffee verbrühen. Bei Verbrennungen entscheidet der Umfang über das Vorgehen: Kleine Verbrennungen, die nicht größer als die Handfläche des Kindes sind, werden sofort für ca. zwei Minuten unter handwarmem Wasser gekühlt – das dient der Schmerzlinderung, vermindert aber nicht den entstandenen Schaden. Bei größere Verbrennungen oder jenen am Körperstamm sollte NICHT gekühlt werden – im klinischen Bereich ist eines der größten Probleme bei Verbrennungen, dass zu viel gekühlt wird und die Mediziner dann zusätzlich zur Versorgung der Wunde auch noch den Kreislauf wegen einer Unterkühlung stabilisieren müssen. Bei Brandblasen gilt: Auf keinen Fall manipulieren! Die Wunde sollte stattdessen großflächig abgedeckt werden, mit speziellen Wundkompressen. Dann sollte auch hier entweder der Notruf der Feuerwehr gewählt oder der Kinderarzt aufgesucht werden, je nach Schwere der Verbrennung.

Kunstfasern sind in diesem Zusammenhang besonders problematisch, da sie mit der Haut verschmelzen und die Reinigung der Wunde erschweren. Generell gilt: Bloß nicht Kleidung entfernen, die eingebrannt ist. Man kann mit einer Schere alles abschneiden, das nicht festgebacken ist. Hat sich das Kind mit heißem Wasser verbrannt, dann zieht man die nasse Kleidung natürlich aus, aber danach ist es wichtig, das Kind warm zu halten und zum Beispiel in eine Decke zu wickeln. Bei Wunden im Gesicht helfen feuchte und kühle Tücher, hier darauf achten, dass die Atemwege freigehalten werden.”

Wie sieht es mit Reinigungsmitteln, Tabletten oder Genussmitteln wie Zigaretten aus?

“Auch hier spielt die kindliche Neugier eine große Rolle – Kinder beobachten, dass die Mutter jeden Morgen einen roten Drops nimmt und wollen das auch probieren. Sie erfahren die Umwelt mit all ihren Sinnen und führen alles in den Mund. Deswegen muss alles, was gefährlich sein könnte, außer Reichweite von Kindern aufbewahrt werden – das klingt banal, aber es ist wirklich einiges: Spülmittel, Wäschepods, der Klostein, der Chlorreiniger, Medikamente, Zigaretten, Franzbranntwein, Alkohol, giftige Pflanzen wie Efeu … Es gibt Schlösser für Schubladen oder Schranktüren, und wenn das Kind älter ist, kann man ihm auch altersgerecht vermitteln: Alles, was schlecht schmeckt, muss sofort ausgespuckt werden! Wenn es doch mal dazu kommt, sollte man den Notruf verständigen und möglichst genau beschreiben, was passiert ist, also z.B.: Das Kind hat eine halbe Flasche Spülmittel geschluckt. Dann wissen die Einsatzkräfte, dass es um Schaumbildner geht und können vor Ort gezielt handeln. Zusätzlich dazu kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, die Giftinformationszentrale zu rufen. Aber hier ist das Spektrum möglicher Notfälle wirklich riesig, deswegen gibt es keinen allgemeinen Tipp – ein Schluck Wasser zum Beispiel kann in manchen Fällen hilfreich, in anderen kontraproduktiv sein.”

 

Warum lohnt sich ein Erste-Hilfe-Kurs für (werdende) Eltern?

“Das Rote Kreuz bietet mit dem Erste Hilfe am Kind Kurs ein Format an, das sich gezielt an alle Menschen richtet, die um das Wohl der Kleinsten besorgt sind. Bei Säuglingen, Kleinkindern und auch bei Kindern gelten spezifische Erste-Hilfe-Maßnahmen. Sie brauchen altersgerechte Zuwendung. Zudem ist ein Notfall immer eine Ausnahmesituation, und je besser man auf diese vorbereitet ist, desto höher ist die Chance, dass man sie gut meistert. Wir sagen Kursteilnehmern aber auch immer: Am Wichtigsten ist Prävention, denn ein Unfall, der verhindert werden kann, schlägt jede Erste-Hilfe-Maßnahme, die wir vermitteln können, um Längen.”

Wie genau sieht diese Prävention denn aus?

“Ich kann das ja mal anhand einer klassischen Situation beleuchten: Dem Sturz vom Wickeltisch. Zunächst sollte dieser natürlich wackel- und kippsicher sein, die Wickelauflage sollte Seitenränder haben, und alles, was ich brauche, sollte schon griffbereit dort liegen. Kinder lernen oft über Nacht neue motorische Fähigkeiten, können sich auf einmal vom Rücken auf den Bauch drehen, und deswegen ist die goldene Regel, dass man beim Wickeln immer eine Hand am Kind haben sollte, wirklich wichtig – egal, wie klein und vermeintlich wenig mobil das Kind ist! Wenn das Telefon klingelt, lässt man es eben klingeln. So lässt sich dieser gängige Unfall eigentlich leicht verhindern. Ansonsten gilt natürlich: Die häusliche Umgebung kindersicher gestalten, z.B. Fenster, Schubladen und Schranktüren mit entsprechenden Vorrichtungen versehen, Steckdosen sichern, keine gefährlichen Gegenstände in den unteren Schubladen lagern, nichts in Reichweite des Kindes stellen, das zu einer Verletzung führen könnte.”

Ihr seht also: Der Kurs “Erste Hilfe am Kind”, den das Rote Kreuz anbietet, ist für frischgebackene Eltern, aber auch Großeltern oder werdende Eltern, also eigentlich alle, die mit den Kindern alleine sind, wirklich eine gute Idee. Er lässt sich an nur einem Tag absolvieren, klärt auch über mögliche Gefahrenquellen im Alltag auf (denn klar, im besten Fall kommt es gar nicht erst dazu, dass man Erste Hilfe leisten muss)  und ist dabei sehr praxisorientiert. Hier kann man Kurse in ganz Deutschland finden.

Foto und Grafiken: Deutsches Rotes Kreuz

Einzelnachweis Grafiken:
Handy-Ladegerät: D.Hubert
Steckdosenschutz: fotolia/Marco2811, bearb. D.Hubert
Putzmittel: fotolia/Heiko Barth, bearb. D. Hubert
Wundverband: ADD-Verlag/K. Pacyna
Rettungsdecke: DRK e. V./J. F. Müller, bearb. D. Hubert
Fremdkörper Rollsplitt: DRK e. V./Bundesarbeitsgruppe Notfalldarstellung, bearb. D. Hubert
Akute Erkrankung Baby im Bett: DRK e. V./S. Schleicher, bearb. D. Hubert