Wieder schwanger? Mein Beileid.

Manchmal erreichen uns Leserbriefe oder Nachrichten, die einen Nerv treffen. So schrieb Sabine uns vor ein paar Wochen, dass sie immer, wenn eine Influencerin oder eine Freundin kurz nach dem ersten Kind wieder schwanger wird, keine Freude vortäuschen kann. Ihr tun die Frauen und ihre Familien leid. „Zwei Kinder in kurzer Zeit zu bekommen wird so romantisiert und idealisiert. Dabei ist es meistens einfach nur schlimm.“ Wir haben sie gebeten, ihre Gedanken aufzuschreiben!

Ich wollte es auch immer ganz genau so haben. Ein Kind – und dann gleich noch eins. Macht man doch so, oder? Ich zumindest habe diese Familienform nie in Frage gestellt, zwischen meinen Söhnen liegen keine zwei Jahre. Unser erster Sohn war ein klassisches “Anfängerbaby”. Er schlief viel, lachte und gluckste, war fast immer zufrieden. Vor allem schlief er. Auch nachts und relativ bald sogar im eigenen Bett.

Wir dachten wirklich: Was haben die denn alle.

Es ist einfach nur schön und voll machbar mit einem Baby.
Der Große konnte noch nicht laufen, da war ich schon wieder schwanger. Ein Wunschkind. Ich wollte ein Geschwister-Team, die sollten zusammen spielen, sich gemeinsam beschäftigen. In den kommenden Monaten überkam mich immer wieder die Sorge, dass das alles vielleicht keine so gute Idee gewesen sein könnte. Das Baby wurde mobil, zum Kleinkind. Es rannte ständig weg, wollte oft nicht im Buggy sitzen. Der Alltag mit dickem Bauch war anstrengend, ich konnte ihn kaum mehr hochheben. Im Nachhinein war die ganze Schwangerschaft einfach nur der Horror. Ich war unendlich erschöpft. Und – als ob er es gespürt hätte – kaum war der Bauch sichtbar, schlief Nummer eins auch nicht mehr so gut, bestand darauf, bei uns im Bett zu sein. An guten Schlaf war also auch nicht mehr zu denken.

Die Geburt von Nummer zwei war dann wunderschön. Auch die ersten Monate liefen gut. Baby Nummer zwei war nicht ganz so easy wie Baby Nummer eins, aber schlief noch viel. Dann begann der richtige Alptraum. Mein Anfängerkind wurde zum eifersüchtigen Kleinkind-Zombie. Wutanfälle, unruhige Nächte. Vor jedem Nachmittag hatte ich Angst. Das Baby wurde größer, ich musste um jedes Schläfchen kämpfen. Nachts waren sie abwechselnd wach. Im Winter waren sie abwechselnd krank. Natürlich gab es auch schöne Momente, aber wenn ich an die ersten zwei Jahre mit zwei Kindern denke, läuft es mir immer noch kalt den Rücken runter. Wie schafft man das? Vielleicht, wenn man Geld hat für ein Au Pair oder eine Nanny, vielleicht wenn Omas und Opas in der Nähe sind. Ist bei uns alles nicht der Fall. Mein Mann arbeitet 9 to 5 – da gibt es auch keine Flexibilität. Ich bin freie Grafikerin und wenn ich sage, dass ich beruflich zurückgesteckt habe, dann ist das himmelweit untertrieben.

Ich weiß noch, wie ich im Winter 2019 mal in den Spiegel geschaut habe und dachte: Das bin ich?

Ich war ausgemergelt. Augenringe, eingefallene Wangen. Mit zwei kleinen Kindern in Ruhe essen – selten möglich. Dazu mein Gesichtsausdruck. Ich war so müde, so uninspiriert, der Alltag mit den beiden Jungs hatte mich fest im Griff und gab mir nicht sehr viel zurück.

Dann kam auch noch Corona und die Kitas mussten schließen, diese Zeit haben wir aber komischerweise recht gut geschafft. Mein Mann war im Home Office und ich hatte zumindest das Gefühl, eh nichts außer Familie machen zu können und zu müssen – und hab ganz oft einfach mit den Kindern Mittagsschlaf gemacht und bin auch abends mit ihnen ins Bett. Gefühlt habe ich damals den Schlaf von zwei Jahren nachgeholt.

Jetzt sind sie sieben und fünf Jahre alt. Es ist besser, einfacher. Spielen tun sie nicht miteinander. Sie zoffen sich viel, sie sind Rivalen, auch optisch komplett unterschiedlich. Ich bin dennoch frohen Mutes, dass sie auf Dauer ein Team werden. Ich hoffe es! Wir überlegen, den Kleinen an einer anderen Schule einzuschulen, damit sie ihre Rivalitäten nicht auch noch auf dem Schulhof austragen.
Das Trauma der ersten Jahre sitzt tief bei mir. Es hat mich so geschafft. Ich war oft so traurig, weil ich meine Kinder einfach nur als anstrengend empfunden habe und ihnen gleichzeitig nicht die Aufmerksamkeit geben konnte, die sie vielleicht gebraucht hätten. Vor allem, wenn ich an mein erstes Kind denke, schmerzt mich das immer noch. Er wurde mit der Geburt des Babys ein gefühlt anderes Kind. Er war nörglerisch, unzufrieden, forderte meine Aufmerksamkeit immens ein, weil er sie eben auch wirklich brauchte und vermisste. Ich bemühte mich – aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich ihn gut begleitet habe durch diese Jahre.

Was mir gerade immer wieder auffällt: Wenn glückliche Erst-Eltern, wie wir sie ja auch waren, freudestrahlend verkünden, dass sie das Zweite erwarten.

Ich kann mich nicht für sie freuen.

Gerade erst hat ein Freund, von dem ich weiß, wie gerne er Papa ist, glücklich ein Ultraschallfoto von Nummer zwei geschickt. Nummer eins ist gerade mal ein Jahr alt. Ich habe natürlich gratuliert, aber eigentlich tun sie mir leid. Ich will sie nur warnen. Wenn er Videos von seinem süßen, kleinen Sohn schickt, denke ich nur: „Der Arme. Bald ist er entthront. Bald wird er mehr schreien, als süß in die Kamera glucksen. Bald werden seine Eltern gar keine Zeit mehr haben, süße Videos zu drehen. Bald werden alle Momente haben, wo sie dieses zweite Kind bereuen werden. Sie werden das erste Kind vermissen. Angst haben, dem Zweiten nicht gerecht zu werden. Niemandem gerecht zu werden.“

Es ist natürlich Blödsinn, anzunehmen, dass es allen so geht wie uns. Aber wenn ich mich mit Freundinnen austausche, sind wir uns schon einig, dass das zweite Kind ALLES ändert. Dass es nicht doppelt so viel Belastung bedeutet, sondern fünf Mal. Dass man vergisst, dass das erste Kind, so lieb es auch gewesen sein mag, fast immer unter dem Geschwisterchen leidet und entsprechend auch oft GAR nicht mehr lieb und pflegeleicht ist. Dass man immer vom Idealfall ausgeht, dabei sind mit zwei Kindern einfach ständig alle krank, die Nächte sind oft Horror und SPIELEN tun die auch nicht immer miteinander. Oder eher selten. Was ich auch nicht einkalkuliert hatte: Der Körper war nach so kurzer Zeit einfach noch nicht wieder bereit. Ich habe so viele körperliche Beschwerden gehabt in der zweiten Schwangerschaft, die Rückbildung hat ewig gedauert. Ich glaube, ich war erst als Kind zwei vier war, wieder voll in meiner Kraft. Auch das bestätigen mit Freundinnen. Es gibt nur eine, bei der es halb so wild war. Sie hat aber auch eine extrem engagierte Schwiegermutter und zwei Babysitterinnen, die sie auch viel im Alltag eingespannt hat, zum Beispiel auch morgens. Und tatsächlich auch zwei ziemlich genügsame Kinder.

Will ich mit diesem Text Eltern vor dem zweiten Kind warnen? Irgendwie schon. Ich weiß aber, dass man sich da eh nicht reinreden lassen will. Wollte ich damals ja auch nicht. Man denkt immer: bei uns wird das nicht so. Wir bekommen das super hin! Ich denke, beim dritten ist es dann schon egal. Dann ist eh schon alles um die Kinder herum organisiert. Wenn man einen größeren Altersabstand hat, dann ist es vielleicht auch nicht so wild. Ohnehin ist das ja nur meine Erfahrung. Und auch ich hätte im Nachhinein meinen zweiten Sohn natürlich niemals zurückgegeben. Aber hätte mir jemand prophezeit, WIE schwer es wird mit zwei kleinen Kindern, ich hätte es nicht gemacht. Wobei, nein, das ist gelogen. Ich hätte es nicht geglaubt.